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Christian Heise über digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften. Ein exemplarisches Experteninterview

Audiodatei abrufbar unter:

10.5281/zenodo.15569

Transkriptionsprotokoll abrufbar unter:

10.5281/zenodo.15575

 

Das Gespräch mit Christian Heise, Politik- und Kulturwissenschaftler am Centre for Digital Cultures (CDC) an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Vorstandsmitglied der Open Knowledge Foundation, führte Michael Kleineberg am 15. Januar 2015 im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin.

Christian Heise hat unmittelbar vor Beginn des Gespräches einer Veröffentlichung sowohl der Audiodatei als auch des Transkriptionsprotokolls zugestimmt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurden personenbezogen Passagen der Aufzeichnung zum Teil unkenntlich gemacht (Stille bei fortlaufender Audiodatei) und entsprechende Auslassungen im Protokoll als solche gekennzeichnet.

Diese exemplarische Veröffentlichung ist im Rahmen der projektbezogenen Experteninterviews ein Einzelfall und soll vor allem einer transparenteren Methodik dienen. Allen anderen GesprächspartnerInnen wurde ausdrücklich zugesichert, dass die Audioaufzeichnungen unter keinen Umständen veröffentlicht und die Transkriptionsprotokolle lediglich in Auszügen und streng anonymisiert Eingang in Publikationen finden werden.

Das Fu-PusH-Team bedankt sich bei Christian Heise für die Bereitschaft zur Veröffentlichung!

In Kürze: Das Journal of Brief Ideas publiziert 200-Wörter-Paper.

Vorhin argumentierte ich bezüglich Wissenschaftskommunikation und Twitter, dass es vermutlich ziemlich schwer ist, ein Argument in 140 Zeichen zu fassen. In 200 Wörtern soll es aber schon gelingen und zwar wissenschaftskommunikativ voll akzeptabel. Dies ist jedenfalls der Anspruch des Journal of Brief Ideas, das Chris Woolston in der aktuellen Ausgabe von Nature beschreibt. (Chris Woolston: Journal publishes 200-word papers. In: Nature 518,277, DOI: 10.1038/518277f) Das Journal verzichtet bislang auf ein Peer Review, was hier eigentlich wunderbar schnell gehen würde, rüstet die Beiträge jedoch so aus, dass sie in den Wissenschaftsdiskurs integrierbar sind. Nämlich mit einer DOI:

„Each article receives a DOI (digital object identifier), a unique number that allows the paper to be archived and cited.“

Der Verzicht auf Peer Review folgt der Einsicht, dass man 200 Wörter auch gleich selbst hinsichtlich ihrer Qualität bewerten kann. Was allerdings nur funktioniert, wenn sich nicht übermäßig viele Short-Read-Texte zu einer potentiell relevanten Long-Read-Gesamtheit addieren. Die Qualitätssicherung soll über ein Ranking/Rating, also post-publication, erfolgen. Geisteswissenschaftliche Inhalte sucht man bisher vergeblich. Aber es gibt einen durchaus interessanten Beitrag aus der Hochschulforschung: Why research reputation trumps teaching reputation in universities (Sean Leaver, http://dx.doi.org/10.5281/zenodo.15414). Generell zeigt dieses Beispiel natürlich vor allem, wie man mit neuen Publikationsformen schwindenden Zeitbudgets zu begegnen versucht.

Mit Twitter über neue Publikationsformate sprechen. Ein Beispiel aus dem Fu-PusH-Stream

von Ben Kaden (@bkaden)

Die Bewertung von Twitter als Medium der wissenschaftlichen Kommunikation schwankt, so legen es auch die Fu-PusH-Interviews nah, oft zwischen dem Nutzen als Streu- und Netzwerkmedium und Ablehnung bzw. Unverständnis. Selbst vielen, die Twitter wohlwollend gegenüber stehen, erscheint der Gedanke, mittels Microblogging auch so etwas wie einen argumentativen Austausch durchzuführen, eher befremdlich. Das mag daran liegen, dass in den Geisteswissenschaften ein Argument in 140 Zeichen kaum eine Tradition hat. Und sicher sind komplexe Argumentationsführungen schwer abbildbar. Der Tweet-Stream von @NEINQuarterly zeigt immerhin in einem hohen Elaborationsgrad, wie sich wenigstens in englischer Sprache punktgenau und meist nah am Aphorismus Wahrnehmungen und Alltagskommentare in diesem Zeichenumfang verdichten lassen (ein aktuelles Beispiel).

Dass aber auch ein richtiger Dialog unter Nutzung von Twitter möglich ist, zeigt das unten als Screenshot zitierte Beispiel aus der vergangenen Woche. Ausgangspunkt war ein Artikel in der Tageszeitung The Guardian. In diesem argumentierte der Start-Up-Unternehmer Ijad Madisch (Porträt bei Wired), dass die Zeit des PDF als Publikationsformat in der Wissenschaft endlich vorbei sein sollte. Seine Stimme hat diesbezüglich Gewicht, denn sein Start-Up ist das soziale Netzwerk für Wissenschaftler ResearchGate (Wikipedia). Es liegt auf der Hand, dass ein derart kommerzieller Anbieter die in seinem Netzwerk entstehenden Daten als Basis eines Geschäftsmodells nutzen möchte, das wiederum, so es denn angenommen wird, auf die wissenschaftliche Kommunikation selbst zurückwirkt. Madischs Anliegen ist nun, das Format des PDFs durch ein anderes zu ersetzen:“one that’s open, easy to work with and social.“

Er benennt drei Argumente, die gegen das PDF-Format sprechen: Erstens liest es sich schwierig, weil man zu den Zitationen und dann wieder zur Textstelle zurückscrollen muss. Beheben ließe sich das durch eine einfache Optimierung der Bildschirmdarstellung. Zweitens führt nicht zuletzt die Geschlossenheit des Formats dazu, dass die Kommunikation per PDF ein Ein-Kanal-Geschehen bleibt. Feedback zu der so publizierten Forschung erscheint an einem anderen Ort (in einem anderen PDF) und ist so nicht an das Ursprungsdokument angekoppelt. Und drittens ist es zumindest teilweise dem Format des PDFs geschuldet, wenn wissenschaftliche Publikationen so wenig gelesen werden. Was daran liegt, dass die Einzeldatei ohne Kontextualisierung im Netz steht, wobei hier natürlich eine automatisierbare und maschinenlesbare Kontextualisierung gemeint sein muss. Denn alle möglichen Metadaten vom Titel der Zeitschrift über Keywords bis hin zur Korrespondenzadresse der Autoren erzeugen semantisch schon Kontext. Diesen nachzuvollziehen ist sogar technisch möglich, aber eben etwas aufwendig. So ist Forschungskommunikation im PDF-Format für Madisch potentiell verloren: „The results are lost like a package without an addressee.“

Neu ist das alles nicht. So argumenierten zum Beispiel 2006 Michael Seringhaus und Mark Gerstein in einem Artikel namens The Death of the Scientific Paper (in: The Scientist, Vol. 20, Iss.9, S.25) für die Überwindung des wissenschaftlichen Fachaufsatzes wie wir ihn (auch neun Jahre später und ziemlich unverändert) kennen und notierten:

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Ein Blick in die Zukunft der wissenschaftlichen Kommunikation. Im Harvard Magazine

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden) zu

Craig A. Lambert (2015) The “Wild West” of Academic Publishing. The troubled present and promising future of scholarly communication. In: Harvard Magazien, January-February 2015

In der aktuellen Ausgabe des Harvard Magazine nimmt sich der langjährige und gerade in den Ruhestand eingetretene Redakteur Craig A. Lambert der Frage nach der Zukunft des wissenschaftlichen Kommunizierens („scholarly communication“) an.

Der Ausgangspunkt ist ein ökonomischer – Lambert bezieht sich auf die im vergangenen Jahr viel diskutierte Arbeit Capital in the Twenty-First Century von Thomas Piketty. Und auch uns wird während der fortlaufenden Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich die geisteswissenschaftliche Fachkommunikation verändert und mehr noch, wie sich diese Veränderung gestalten lässt, zunehmend bewusst, welche immense Rolle die Kategorie der Wirtschaftlichkeit spielt und zwar weniger auf Seiten der publizierenden WissenschaftlerInnen sondern viel mehr auf der Seite der Akteure, die die Rahmenbedingungen dieser Kommunikation koordinieren.

Über diese kommen die Probleme jedoch wieder zu den Wissenschaftlern zurück, wie Lambert am Beispiel der nach wie vor fast unverrückbar gegebenen Kopplung von Karrierechancen und Buchpublikationen in den meisten geisteswissenschaftlichen Disziplinen erläutert:

„The current reduction in library purchases of specialized titles, for example, is squeezing monographs out of the market, and in this way affecting the academic job market. A monograph has typically been a young scholar’s first book, often developed from a doctoral dissertation. Although uncommon in academia prior to the 1920s, monographs served as a staple of tenure reviews in American universities in the second half of the twentieth century, especially in the humanities. Academic presses now publish many fewer of them, and their disappearance creates a dilemma for junior scholars already worried about the scarcity of jobs: if there is no monograph, what evidence do you adduce to support your case for tenure“

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Was das NYTimes-Chronicle-Tool über „Digital Humanities“ in der New York Times verrät

Das Jahr 2014 wird man vielleicht als das Jahr notieren, in dem in der öffentlichen Berichterstattung das Thema „Big Data“ fast mit den „Humanities“ gleichzog. Jedenfalls im Artikelaufkommen der New York Times.

Sichtbar wird das mit NYT Chronicle-Tool der nytlabs, das sich ganz gut zum Nachzeichnen von Themenkarrieren im Artikelaufkommen der Zeitung eignet. Ausgezählt lag „Big Data“ 2014 bei 226 Artikeln, die Humanities kamen auf 241 Artikel. Für die „Digital Humanities“ kommt man nur auf äußerst kleine Zahl (n=7). Die Ergebnisaussage zeigt dann auch gleich die derzeitigen Grenzen des Werkzeugs auf: Während die graphische Darstellung sieben Artikel vermerkt, werden die „Digital Humanities“ in der Ergebnisanzeige offenbar mit den Humanities zusammengewürfelt und stehen bei ebenfalls 241.

Schaut man sich die verlinkten Beiträge an, sieht man, dass die tatsächlichen Ergebnisse nicht gerade präzise und nach Relevanz aufgeschlüsselt vorliegen. Man muss den Umweg über die Standardsuche gehen, um auf die sieben Artikel im Publikationszeitraum 2014 bei der New York Times zu stoßen. Das ist ein bisschen schade, wäre doch die Möglichkeit, die Visualisierung als die Volltextsuche ergänzendes Navigationswerkzeug nutzen zu können, sehr nahliegend. Der Labs-Ansatz mit Werkzeugen zur Visualisierung, Kontextualisierung und Kuratierung (zum Beispiel mit dem Compendium-Tool) von Pressedaten veranschaulicht ja gerade, wie Datenjournalismus auch auf eine (Inter)Aktivierung der Leser hinführt, die perspektivisch mehr als mit der begrenzten Funktionalität der Leserkommentare auf die diskursive, also über Journalismus vermittelte bzw. durch diesen koordinierte wirklich öffentliche Auseinandersetzung mit Themen setzen könnte.

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Aktuelle Trends für den Forschungsworkflow. Eine Übersicht von Bianca Kramer und Jeroan Bosman

Über Twitter verbreitet sich heute eine Übersicht, die sehr anschaulich aktuelle Trends digitaler Wissenschaft an der gesamten Entwicklungslinie eines wissenschaftlichen Forschungs- und Kommunikationsprozesses abbildet. Die Abbildung ist Teil einer Posterpräsentation von Bianca Kramer und Jeroen Bosman, die unlängst auf Figshare publiziert wurde:

Kramer, Bianca; Bosman, Jeroen (2015): 101 Innovations in Scholarly Communication – the Changing Research Workflow. figshare. http://dx.doi.org/10.6084/m9.figshare.1286826.

Da das Poster und damit auch die Grafik wunderbarerweise unter einer CC BY SA-Lizenz stehen, können wir sie hier ebenfalls bedenkenlos dokumentieren:

Übersicht Research-Workflow
Übersicht Wissenschaftstrends / Bianca Kramer, Jeroan Bosman (2015)

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Macmillan und Springer gehen zusammen, Collabra will für das Peer Review zahlen. Zwei kurze Meldungen

Durch die üblichen Kurzzeitkommunikationskanäle wurde die Ankündigung des Zusammengehens der beiden Wissenschaftsverlagsschwergewichte Macmillan Science and Education und Springer Science+Business Media bereits gestern umfänglich verkündet. Jeron Boesman verbreitete gestern über seinen Twitter-Stream eine Grafik, die sehr schön zeigt, wie das neue Unternehmen, dass dann mehrheitlich von der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck kontrolliert wird, den gesamten Produktionsprozess von wissenschaftlichem Publikationen mit entsprechenden Angeboten abdeckt.

Wenig überraschend, aber doch für die aktuellen Entwicklungen im Bereich wissenschaftlicher Publikationen notierenswert, ist eine Erklärung des Mergers:

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16. Januar 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
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Sind Tweets verschriftliche Mündlichkeit?

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Dass ein großer Teil in digitalen sozialen Netzwerken textuell gefasster Inhalte eher als verschriftlichte Oralität zu bewerten ist, ist kein neue These. Vermutlich handelt es sich genauer um eine Hybridform zwischen dem Mündlichen und dem Geschriebenen. Wohin es sich mehr neigt, ist vielleicht eine Frage der Form, sicher aber eine der Intentionalität. Fraglos trifft zu, was die Bezeichnung „Social Media“ eindeutig macht: Diese Medienformen sind unmittelbarer als formalisierte Publikationsformen auf eine direkte soziale Interaktion, also eine sichtbare Kenntnisnahme und Reaktion, ausgerichtet. Sie mit formaleren Publikationsvarianten gleichzusetzen geht fehl. Schwierig ist jedoch ihre rechtliche Bewertung.

In diesem Zusammenhang tauchte die Frage nach dem Status solcher Kommunikationen im Anschluss an zwei Tweets und als Vorläufer zu einem Blogessay von Xiao Mina (Digital Culture is Like Oral Culture Written Down. In: medium.com, 11.01.2015) im Weblog des Juristen James Grimmelmann wieder auf.

In The Laboratorium (2d ser.) erläutert er:

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Die Stanford University Press entwickelt interaktive Publikationsformen. Mit Unterstützung der Andrew W. Mellon Foundation

Am Montag veröffentlichte das Nachrichtenportal der Standford University Libraries die Meldung, dass die Stanford University Press eine Förderung in 1.2 Millionen Dollar von der Andrew W. Mellon Foundation zum Zweck der Entwicklung von interaktiven Publikationsformen für die Digital Humanities und die Computational Social Sciences erhält. (Gabrielle Karampelas: Stanford University Press Awarded $1.2 Million for the Publishing of Interactive Scholarly Works. In: library.stanford.edu, 12.01.2015. Wer wissen möchte, was sich hinter den zweitgenannten Wissenschaftsfeld verbirgt, findet eine gute Beschreibung bei GESIS.)

Ein wichtiger Bestandteil der Entwicklungsarbeit liegt darin, die Brücke zwischen dem traditionellen Publizieren von wissenschaftlichen Monographien und den Ansprüchen bei der mediengemäßen Publikation von mittels Verfahren der digitalen Geisteswissenschaften ermittelten Erkenntnissen zu schlagen. Der Schritt ist sehr wichtig, sind doch die geisteswissenschaftlichen Disziplinen unverändert sehr buchlastig orientiert. Die wissenschaftliche Monographie gilt, so auch eine Einsicht aus den Fu-PusH-Interviews, in vielen Fächern nach wie vor als die anerkannteste und damit für den Reputationserwerb auch relevanteste Publikationsform (Zitat: „Goldstandard“).

Dem gegenüber steht die Notwendigkeit, digital erzeugte Forschungsprozesse und -ergebnisse adäquat abzubilden. Gerade entsprechende interaktive Visualisierungen sind in traditionellen Print- oder E-Book-Varianten kaum darstellbar. Daher veröffentlichen Wissenschaftler solche Daten selbstorganisiert und zumeist an den Verlagen vorbei:

„Currently, individuals and research groups host their digital materials online through their own Web sites, or on various public platforms. “For the most part these hosting models do not share common benchmarks or standards and very few incorporate rigorous peer review processes,” said Dr. Alan Harvey, director of Stanford University Press.“

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Das neue DFG-Merkblatt zum LIS-Förderprogramm („Infrastruktur für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation“)

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Am vergangenen Freitag (09.01.2015) veröffentlichte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Mitteilung zur Überarbeitung des Merkblatts zum Förderprogramm „Elektronische Publikationen“ im Förderbereich Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme (LIS). Die aktuelle Fassung des Merkblatts 12.11 Merkblatt Infrastruktur für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation (Stand Januar 2015) ist als PDF-Download hier verfügbar. Die Meldung in Information für die Wissenschaft (Nr. 03) vom 09. Januar 2015 gibt es hier:Infrastruktur für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation.

Aus Sicht von Fu-PusH ist nicht unerwartet aber dennoch bemerkenswert, wie explizit sich darin Entwicklungen aus dem Bereich der erweiterten Publikationen ( bzw. enhanced Publications) abbilden. So heißt es in der offiziellen Mitteilung:

„In fachlich unterschiedlicher Ausprägung und Geschwindigkeit werden zum Beispiel Zeitschriftenartikel durch audiovisuelle Materialien, Forschungsdaten oder Elemente der „Social Media“ angereichert oder gezielt für eine auch computerbasierte Auswertung und Nachnutzbarkeit aufbereitet.“

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