Archiv für Kategorie Enhanced Publications

Mit Twitter über neue Publikationsformate sprechen. Ein Beispiel aus dem Fu-PusH-Stream

von Ben Kaden (@bkaden)

Die Bewertung von Twitter als Medium der wissenschaftlichen Kommunikation schwankt, so legen es auch die Fu-PusH-Interviews nah, oft zwischen dem Nutzen als Streu- und Netzwerkmedium und Ablehnung bzw. Unverständnis. Selbst vielen, die Twitter wohlwollend gegenüber stehen, erscheint der Gedanke, mittels Microblogging auch so etwas wie einen argumentativen Austausch durchzuführen, eher befremdlich. Das mag daran liegen, dass in den Geisteswissenschaften ein Argument in 140 Zeichen kaum eine Tradition hat. Und sicher sind komplexe Argumentationsführungen schwer abbildbar. Der Tweet-Stream von @NEINQuarterly zeigt immerhin in einem hohen Elaborationsgrad, wie sich wenigstens in englischer Sprache punktgenau und meist nah am Aphorismus Wahrnehmungen und Alltagskommentare in diesem Zeichenumfang verdichten lassen (ein aktuelles Beispiel).

Dass aber auch ein richtiger Dialog unter Nutzung von Twitter möglich ist, zeigt das unten als Screenshot zitierte Beispiel aus der vergangenen Woche. Ausgangspunkt war ein Artikel in der Tageszeitung The Guardian. In diesem argumentierte der Start-Up-Unternehmer Ijad Madisch (Porträt bei Wired), dass die Zeit des PDF als Publikationsformat in der Wissenschaft endlich vorbei sein sollte. Seine Stimme hat diesbezüglich Gewicht, denn sein Start-Up ist das soziale Netzwerk für Wissenschaftler ResearchGate (Wikipedia). Es liegt auf der Hand, dass ein derart kommerzieller Anbieter die in seinem Netzwerk entstehenden Daten als Basis eines Geschäftsmodells nutzen möchte, das wiederum, so es denn angenommen wird, auf die wissenschaftliche Kommunikation selbst zurückwirkt. Madischs Anliegen ist nun, das Format des PDFs durch ein anderes zu ersetzen:“one that’s open, easy to work with and social.“

Er benennt drei Argumente, die gegen das PDF-Format sprechen: Erstens liest es sich schwierig, weil man zu den Zitationen und dann wieder zur Textstelle zurückscrollen muss. Beheben ließe sich das durch eine einfache Optimierung der Bildschirmdarstellung. Zweitens führt nicht zuletzt die Geschlossenheit des Formats dazu, dass die Kommunikation per PDF ein Ein-Kanal-Geschehen bleibt. Feedback zu der so publizierten Forschung erscheint an einem anderen Ort (in einem anderen PDF) und ist so nicht an das Ursprungsdokument angekoppelt. Und drittens ist es zumindest teilweise dem Format des PDFs geschuldet, wenn wissenschaftliche Publikationen so wenig gelesen werden. Was daran liegt, dass die Einzeldatei ohne Kontextualisierung im Netz steht, wobei hier natürlich eine automatisierbare und maschinenlesbare Kontextualisierung gemeint sein muss. Denn alle möglichen Metadaten vom Titel der Zeitschrift über Keywords bis hin zur Korrespondenzadresse der Autoren erzeugen semantisch schon Kontext. Diesen nachzuvollziehen ist sogar technisch möglich, aber eben etwas aufwendig. So ist Forschungskommunikation im PDF-Format für Madisch potentiell verloren: „The results are lost like a package without an addressee.“

Neu ist das alles nicht. So argumenierten zum Beispiel 2006 Michael Seringhaus und Mark Gerstein in einem Artikel namens The Death of the Scientific Paper (in: The Scientist, Vol. 20, Iss.9, S.25) für die Überwindung des wissenschaftlichen Fachaufsatzes wie wir ihn (auch neun Jahre später und ziemlich unverändert) kennen und notierten:

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Warum die Wissenschaft so sehr am PDF-Format hängt

Eine Vermutung von Ben Kaden (@bkaden)

Nicht selten entspricht das elektronische Publizieren in der Wissenschaft auch im Jahr 2015 einem Publizieren in HTML und PDF. Dass das so ist, zeigt, dass es offenbar für die so erfolgende Kommunikation von Wissenschaft als ausreichend angesehen wird. Es zeigt aber auch, dass das Denken im PDF, also der starreren und daher für die Publikationsgestaltung maßgeblichen Form, weitgehend eine Fortsetzung der Printkultur mit elektronischen Mitteln darstellt. Sehr gut zusammengefasst findet sich dieser Umstand u.a. in einer Rezension von John Rodzvilla zu einem Buch der Medienwissenschaftlerin Lisa Gitelman, das den schönen Titel Paper Knowledge: Towards a Media History of Documents trägt. (Das Buch erschien 2014 bei der Duke University Press, Durham, London.)

PDF
Eine markierte Textstelle aus der PDF-Fassung der Book Review von John Rodzvilla.

Dass das PDF-Format die vermutlich am weitesten verbreitete digitale Post-Paper-Variante darstellt ist jedem bekannt. Auch Rodzvillas Rezension in Public Research Quarterly wurde nach diesem Verfahren veröffentlicht. Den Grund für die gleichbleibende Beliebtheit des PDF-Formats benennt der Text in der oben stehenden Textstelle: die Stabilität und Simplizität einer Fotokopie. Ein PDF ist nicht nicht veränderbar. Aber es bedarf schon eines erheblichen Aufwands und ist im Format eigentlich nicht vorgesehen. Das PDF ist die eindeutige Fassung eines Dokumentes, die problemlos (zurück) auf das Papier gebracht werden kann. Oder, wie Rodzvilla schreibt, ein Analogon des Papierdokumentes für den Aktenschrank.

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Die Stanford University Press entwickelt interaktive Publikationsformen. Mit Unterstützung der Andrew W. Mellon Foundation

Am Montag veröffentlichte das Nachrichtenportal der Standford University Libraries die Meldung, dass die Stanford University Press eine Förderung in 1.2 Millionen Dollar von der Andrew W. Mellon Foundation zum Zweck der Entwicklung von interaktiven Publikationsformen für die Digital Humanities und die Computational Social Sciences erhält. (Gabrielle Karampelas: Stanford University Press Awarded $1.2 Million for the Publishing of Interactive Scholarly Works. In: library.stanford.edu, 12.01.2015. Wer wissen möchte, was sich hinter den zweitgenannten Wissenschaftsfeld verbirgt, findet eine gute Beschreibung bei GESIS.)

Ein wichtiger Bestandteil der Entwicklungsarbeit liegt darin, die Brücke zwischen dem traditionellen Publizieren von wissenschaftlichen Monographien und den Ansprüchen bei der mediengemäßen Publikation von mittels Verfahren der digitalen Geisteswissenschaften ermittelten Erkenntnissen zu schlagen. Der Schritt ist sehr wichtig, sind doch die geisteswissenschaftlichen Disziplinen unverändert sehr buchlastig orientiert. Die wissenschaftliche Monographie gilt, so auch eine Einsicht aus den Fu-PusH-Interviews, in vielen Fächern nach wie vor als die anerkannteste und damit für den Reputationserwerb auch relevanteste Publikationsform (Zitat: „Goldstandard“).

Dem gegenüber steht die Notwendigkeit, digital erzeugte Forschungsprozesse und -ergebnisse adäquat abzubilden. Gerade entsprechende interaktive Visualisierungen sind in traditionellen Print- oder E-Book-Varianten kaum darstellbar. Daher veröffentlichen Wissenschaftler solche Daten selbstorganisiert und zumeist an den Verlagen vorbei:

„Currently, individuals and research groups host their digital materials online through their own Web sites, or on various public platforms. “For the most part these hosting models do not share common benchmarks or standards and very few incorporate rigorous peer review processes,” said Dr. Alan Harvey, director of Stanford University Press.“

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Breaking Book. Wie Amazon das Lesen „enhanced“

Eine Anmerkung von Ben Kaden. (@bkaden) zu
Casey  Newton: THE EVERYTHING BOOK: READING IN THE AGE OF AMAZON. In: The Verge, 17.12.2014

In der vergangenen Woche publizierte der SPIEGEL eine Titelgeschichte zur Zukunft des Lesens (eine ausführliche Auseinandersetzung damit findet sich im LIBREAS-Tumblr). Heute findet sich ein weiterer Beitrag zum Thema auf der Seite The Verge, wobei Beitrag und Seite ziemlich deutlich die Differenz der Welten zwischen SPIEGEL und dem Vox-Media-Journalismus aufzeigen. Die so genannte Longform ist, wenn man sie im Digitalen angemessen abbildet, keineswegs eine Angelegenheit der Vergangenheit und The Verge zeigt wenigstens formal einen ziemlich medienadäquaten Ansatz.

Die Stärke von Casey Newtons Artikel zu sich entwickelnden digitalen Leseformen gegenüber dem SPIEGEL-Text liegt inhaltlich zunächst schon einmal darin, dass sich der Technikjournalist hauptsächlich auf einen Hauptakteur und dessen Leselabore und Buchmarktideen konzentriert. Und zwar auf einen, wenigstens in den USA und für viele bedauerlicherweise, Platzhirschen. Inhaltlich schürft er zwar nicht sonderlich tiefer als seine SPIEGEL-Kollegen. Aber er schürft weitaus aufgeräumter.

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Hypothes.is und das Potential von Social Annotation

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Nimmt man den Twitterstream als Fenster zur Welt, so war heute auf der SWIB14 – Semantic Web in Libraries Conference (#swib14) der Webannotator von hypothes.is das Thema. Es ist schwer einzuschätzen, wie erfolgreich er bisher ist. Der Echtzeit-Annotationsstrom für öffentlich sichtbare Annotation weist derzeit noch nicht auf eine allzu hohe Nutzungsintensität hin. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich das, sofern die technische Performanz das zulässt, bald ändert.

Denn an sich scheint das Werkzeug ein Traum und für die Massenaktivierung ähnlich geeignet wie es die Wikipedia war. Die Bedienung ist denkbar simpel: ein Browserplugin wird installiert der Rest ist eine reduzierte Interaktionsstruktur, die bei Annotationsbedarf ein Editorenfenster öffnet. Alles greift das auf, was man aus dem Web bereits kennt. Wer einmal Social-Bookmarking-Dienste benutzte, benötigt keinerlei weitere Einarbeitungszeit. Aus Usability-Sicht wurde hier schon einmal alles richtig gemacht.

Annotation bei der NYRB
Annotation zu einem Artikel in der New York Review of Books.

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Die Zukunft der wissenschaftlichen Kommunikation wie sie David De Roure sieht. Eine Lektüre

von Ben Kaden (@bkaden)

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Ist der wissenschaftliche Aufsatz noch das passende Format für Daten getriebene Forschung, für die neue, oftmals interdisziplinäre Methodologien (man denke an Digital Humanities) und zunehmende Automatisierung prägend sind? Das fragt sich David De Roure, Professor für e-Science in Oxford, und steuert zur breiten Diskussion über die Zukunft des wissenschaftlichen Kommunizierens einen weiteren Beitrag bei. (De Roure, 2014a) Bemerkenswert und relevant für die Perspektive von Fu-PusH ist er, da in ihm einige Aspekte der denkbaren Erweiterung wissenschaftlicher Publikationsformen Erläuterung finden. Allgemein bemerkenswert ist der Artikel, weil er exemplarisch den Stand der Diskussion um die Zukunft der wissenschaftlichen Kommunikation auch mit ihren Schwächen abbildet.

In seiner Auseinandersetzung mit der Frage nach der Wissenschaftskommunikation in der Zukunft geht De Roure sogar über die Idee des Enhancement hinaus und prognostiziert generell das Ende des wissenschaftlichen Artikels. Der Grund dafür liegt, mittlerweile kaum mehr überraschend, in der ubiquitären Digitalität, die massiv auch in die Wissenschaft hineinwirkt. De Roure spricht von einem „hybrid physical-digital sociotechnical system of enormous and growing scale”, also einem Beziehungsrahmen von Mensch und Maschine, in dem soziale Netzwerke in einer Form und unter dem Einfluss von Big Data repräsentiert werden, so dass man auch von „Sozialen Maschinen“ (social machines) sprechen kann.

Es gibt demnach einen allgemeinen Trend in der Wissenschaft zur datengetriebenen und datenintensiven Forschung, wobei De Roure als Referenz ausgerechnet ein Sammelband der Microsoft Research dient, der kontextgemäß einen, zurückhaltend formuliert, sehr spezifischen Blick auf die Entwicklung spiegelt.

Inwieweit das dort abgebildete Szenario eines vierten Paradigma (die Zahl vier spiegelt sich ja auch in der vierten Revolution, die Luciano Floridi der ubiquitären Rolle von Information zuschreibt, vgl. Floridi, 2014) repräsentativ und die Entwicklung derart geradlinig und zielstrebig ist, wie auch das Schaubild (De Roure, 2014b) suggeriert, muss an anderer Stelle reflektiert werden.

Hier kann immerhin vermerkt werden: Die Tendenzen zu einer sehr intensiv von Rechentechnologien und entsprechenden Datenverarbeitungswerzeugen geprägten Wissenschaft sind an sich gegeben und unstrittig. Offen bleiben die Intensität und Qualität. Spekulativ bleibt, was in zehn Jahren sein wird. Es dürfte allerdings ebenfalls unstrittig sein, dass die Ausweitung des Digitalen in der Wissenschaft zwangsläufig methodologische Folgen hat, wie De Roure betont. Und epistemologische, wie De Roure leider nicht erwähnt, dürften damit auch anstehen.

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Das Fu-PusH-Weblog

Wenn ein Projekt in seiner Beschreibung vermerkt:

„Mit dem beantragten Vorhaben sollen die Anforderungen an ‚future publications’ in den Geisteswissenschaften ermittelt werden, die sich nicht mehr am Vorbild und an der Wertschöpfung gedruckter Formate orientieren, sondern denen die originären Potenziale digitaler Medien zugrunde liegen.“ (Fu-PusH, 2014)

dann sollte es selbstverständlich selbst seine Aktivitäten im Sinne einer Kommunikation mit der Community nicht nur in traditionellen und erfahrungsgemäß für Projektrhythmen auch etwas behäbigen, formalisierten Publikationsformen wie zum Beispiel Zeitschriften- oder Konferenzbeiträgen sichtbar machen. Die Nutzung von begleitenden Publikations- und Kommunikationsmitteln aus dem Umfeld des vor etwa einem Jahrzehnt etablierten Web 2.0 ist heute in vielen solchen Zusammenhängen fast als Standard zu betrachten. Für Fu-PusH gibt es diesbezüglich konkret einerseits einen Twitter-Stream – @fupush – den wir twitter-typisch als Kurznachrichten- und Vernetzungsmedium benutzen werden. Und anderseits dieses Weblog.

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13. Oktober 2014 | Veröffentlicht von Ben Kaden