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Candice Lin’s Sycorax’s Collections (Happiness)

…. and the Appropriation of Witch Iconography by Contemporary Female Artists.

Lucía Sciandro

Candice Lin, Sycorax’s Collections (Happiness), from the installation Sycorax’s Garden, 2012, (etching with watercolor and dried plants).

Throughout human history, the concept of ‚woman‘ has carried with it endless negative associations; from Sirens luring and deceiving men to their demise, to Eve succumbing to temptation and unleashing misery in paradise. Examples of these figurations of women as ‚other‘, as evil, weak, devious and dangerous abound, however, no other symbol is perhaps as iconic as the witch.


Candice Lin’s Sycorax’s Collections (Happiness), from 2012, takes Shakespeare’s Tempest and re-imagines the character of Sycorax, borrowing from witch iconography some of its most well-known tropes. The piece is part of the installation „Sycorax’s Garden,“ in which the Los-Angeles-based artist investigates the social and biological properties of plants, and what role these plants had in negotiating power during the Age of Empire and the witch hunts.

The work references the role of women as healers, herbalists and witches, since plant knowledge was traditionally more accessible to women than other scientific practices. In Sycorax’s Collections (Happiness), Lin appropriates many elements that conform the archetype of the old hag (her skin and nakedness, the cauldron, the cats) epitomized in such canonic works like Dürer’s Die Hexe, while simultaneously appropriating the visual language of science books and botany illustrations. She surrounds the figure of the witch with plants known for their medicinal properties, and she has her carrying sacks of laughing mouths (happiness), subverting the traditional notion of the witch as harmful and evil.

Through the appropriation and juxtaposition of these two sets of symbolic visual languages she connects science and mysticism, and reclaims the figure of the witch as a symbol of ancient knowledge and healing powers.

8. Oktober 2020 | Veröffentlicht von Leonie Rösler | Kein Kommentar »
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Gewaltdarstellungen und Geschlechterklischees in der Kunst

Maria Seefeld

Abb. 1: Artemisia Gentileschi, Tötung des Holofernes, um 1620, ÖaL.,
170 x 136 cm, Florenz, Uffizien. 

Inspiriert von Susanne von Falkenhausens Aufsatz Wie Gewalt aus der Kunst ‚spricht‘(2011) interessiert hier besonders die frühe Visualisierung von Gewaltphantasien, die sich im Fall von Gentileschi auf ein biblisches Thema, das der Tötung des Holofernes durch Judith, bezieht und die Frage, inwieweit sich bereits ab dem 17. Jahrhundert gesellschaftliche Tabus in der Kunst entfalten und geschlechtsgebundene Gewaltvorstellungen- bzw. phantasien aufgehoben werden konnten.       

Das Buch der Judith ist nur in der römisch-katholischen und orthodoxen Bibel enthalten und beruht nicht auf historischen Tatsachen. In der Erzählung tritt die tugendhafte, jüdische Witwe Judith als Heldin in Erscheinung und rettet das Volk ihrer belagerten Heimatstadt Bethulia vor der Armee der Assyrer. Sie überlistet den von Alkohol und ihrer Schönheit berauschten General Holofernes und schlägt ihm dann den Kopf ab (vgl. Chicago 2000: 46).                 

Warum soll es unter den zahlreichen Judith-Rezeptionen hier um Artemisia Gentileschis Gemälde (Abb. 1) gehen?Die Wahl fiel auf Gentileschis Rezeption zum einem, da man als BetrachterIn am Moment des Mordens teilhaben kann und zum anderen sich hier die Künstlerin selbst mit ihrer eigenen Erfahrung mit männlicher Gewalt konfrontiert. Sie wurde von ihrem einstigen Lehrer Agostino Tassi vergewaltigt. Das daraus resultierende Gerichtsverfahren wurde mehrmals in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt und machten Gentileschi zu einer „feministischen Heldin“ der späteren Frauenbewegung (Chicago 2000: 47).

Der Begriff der Weibermachtaus der Kunst- und Kulturgeschichte ist für die zeitgeschichtliche Einordnung des Werks ebenfalls von Bedeutung, da es sich hierbei wieder um ein männliches Bildkonzept zu handeln scheint. Dargestellt werden zumeist der „Triumph“ einer Frau und die Liebe über einen Mann, der durch sie alles auf Spiel setzt, sogar sein Leben. Anfang des 16. Jahrhunderts setzte sich, ausgehend von der Kirche, eine Bildkampagne durch, die sog. Weiberlistenund Liebestorheiten, gegen die Macht der Frauen. Ihnen wurde die Schuld an der mangelnden Selbstdisziplin hinsichtlich des Sexualverhaltens der Männer gegeben. Bei einer besonders negativ konnotierten Weibermacht-Serie wurde die Frau als „sündhaften Verführerin“ in Szene gesetzt (Baumgärtel 1995: 153 f.).             

 Offenbar wurde bei Gentileschi dieses frauenfeindliche Motiv der Weiberlistbzw. Weibermacht positiv umgedeutet. Die Suche nach einer starken weiblichen Identifikationsfigur könnte, neben ihrem eigenen bereits erwähnten Gewalterlebnis, ebenfalls Auswirkung auf die Gestaltung der Judith als kraftvolle Heroine und nicht als mädchenhafte Jungfrau wie bei Caravaggio (Abb. 2) gehabt haben (Baumgärtel 1995: 245 f.).                                      

Daran anknüpfend sollte auf die formale Gleichstellung von Herrin und Dienerin hingewiesen werden. Hier kommt die weibliche Perspektive, die aus der Darstellung ‚spricht‘, erneut zum Tragen. Die Frauen wirken wie eine Einheit, die ohne Reue zur Tat schreitet. (Reining o.D.: 23). Durch die ähnliche Gestaltung der beiden Frauenfiguren wird zudem eine Verbindung zum sexorientierten Gewerbe wie bei Caravaggio in der jungen, lieblichen Gestalt der Judith und ihrer alten, zerbrechlichen Dienerin (Zuhälterin) vermieden. 

Abb. 2: Michelangelo Merisi da Caravaggio, Judith und Holofernes, um 1595,
Öl auf Leinwand, 154 x 195 cm, Rom, Galeria Nazionale d’Arte Antica.

HélèneCixous Text zeigt erneut auf, wie früh gesellschaftliche Tabus, bspw. die Vergewaltigung der Persephone durch Hades aus der griechisch-römischen Mythologie, in der Kunst thematisiert werden. Sie schreibt hierzu: 

Als ich klein war, las ich die Mythologie mit Leidenschaft, ohne zu merken, dass ich Analysen, dass ich unsere eigenen Geschichten las. (…) Im Mythos gibt es eine außergewöhnliche Freiheit, man kann das Unmögliche machen.(Cixous 2018: 29 f.)

Bei den Judith-Bildern des 17. Jahrhundert wurde in erster Linie die Macht der Frau über den Mann, ihre ungezügelte Wut, ihr grausames Vorgehen und die daraus abzuleitende Bedrohung patriarchalischer Verhältnisse als Tabubruch empfunden. Wie empfinden wir eigentlich als zeitgenössische BetrachterInnen die Widergabe von Gewalt im Bild von Gentileschi?

Bei späteren Darstellungen tritt sie ebenfalls unter Einbeziehung von Liebesdingen und dem Kampf der Geschlechter, wie bei Gustav Klimt Judith I von 1901 (Abb. 3)im Typus der rachelüstigen femme fatalein Erscheinung. (Wiltschnigg 2003: 68 ff.). Ein direkter Hinweis auf den Mord an Holofernes (vgl. Fliedl 1985: 96) fehlt gänzlich. Seinen Kopf trägt sie eher beiläufig und attributhaft, um sich als Judith auszuweisen. Die „Bedrohung“, so Fliedl, geht hier von der Frau und ihrer „verzehrenden Sinnlichkeit“ selbst aus. Die Sexualisierung der Judith wird bei Klimt also nicht nur durch ihre Nacktheit, sondern auch durch ihren sinnlichen Ausdruck ins Offensichtliche gesteigert (vgl. Fliedl 1985: 109). 

Abb. 3: Gustav Klimt, Judith I, 1901, ÖaL, 84 x 42 cm, Österreichische Galerie Belvedere, Wien.

Es entsteht der Eindruck, dass die Auflösung von Geschlechterhierarchien durch das Judith-Thema, sowohl im Bild als auch in der Erzählung, nur aufgrund des erotischen Aspekts der Szene (Einsatz ihrer Schönheit) legitimiert werden konnte. Auch bei anderen in der Kunst aufgegriffenen mythischen Figuren, wie Delila oder Salome, ist der Einsatz ihrer weiblichen Körper unumgänglich, um es mit der Männergesellschaft aufzunehmen zu können (vgl. Gross 1986: 209). Man könnte meinen, dass das Judith-Thema eine eher männliche, erotisch angehauchte Gewaltphantasie in der Kunst verwirklicht.      

Tatsächlich entwickelt sich im 17. Jahrhundert, so Bettina Baumgärtel, ein neues Verständnis der Figur Judith heraus. Sie wird zur leidenschaftlich Liebenden, die sich dafür an dem Objekt der Begierde rächt. Ihre Tat wird immer mehr entpolitisiert (Baumgärtel 1995: 239 f.). Umso spannender, dass dieser Aspekt bei Gentileschi eher zurückgenommen wird, da hier keine idealisierte, weibliche Schönheit zur Schau gestellt wird, sondern mehr die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit der Akteurin(-nen) in den Vordergrund tritt.

Literatur

Baumgärtel, Bettina (Hrsg.), Die Galerie der starken Frauen. Regentinnen, Amazonen und Salondamen, Ausst.-Kat., München 1995.

Chicago, Judith/Lucie-Smith (Hg.), Der andere Blick. Die Frau als Modell und Malerin, München 2000.

Cixous, Hélène, Peintüren, in: Hackenschmidt, Sebastian, HélèneCixous. Schriften zur Kunst I, Berlin 2018, S. 4–33.

Elfriede, Wiltschnigg, Judith – von der Volks-Heldin zur femme fatale, in: Frauen und Gewalt. Interdisziplinäre Untersuchungen zu geschlechtsgebundener Gewalt in Theorie und Praxis, Würzburg 2003, S. 61–76.

von Falkenhausen, Susanne: Wie Gewalt aus der Kunst ‚spricht`, in: von Falkenhausen, Susanne (Hrsg.), Praktiken des Sehens im Felde der Macht, Hamburg 2011, S.53–78.

Fliedl, Gottfried, Das Weib macht keine Kunst, aber den Künstler, in: Berger, Renate / Hammer-Tugendhat, Daniela (Hg.), Garten der Lüste. Zur Deutung des Erotischen und Sexuellen nei Künstlern und ihren Interpreten, Köln 1985, S. 89–149.  

Gross, Friedrich, Delila, Judith, Salome, in: Hofmann, Werner (Hg.), Eva und die Zukunft. Das Bild der Frau seit der französischen Revolution, München 1986, S. 209–221.

Reining, Kathrin, Magisterarbeit zur Kunstgeschichte. Die Gestalt der biblischen Gestalt in der Kunst des 19. Jahrhundert – von der Heldin zur femme fatale, in: https://asw-verlage.de/getmedia.php/_media/201409/12270v0-orig.pdf (letzter Zugriff am 02.07.2020) 

8. Oktober 2020 | Veröffentlicht von Leonie Rösler | Kein Kommentar »
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