Forschungsreise trotz Pandemie – Ein Erfahrungsbericht aus Kapstadt

Als ich nach meinem Bachelorstudium drei Monate in Südafrika verbracht hatte, fasste ich bereits im Flieger nach Deutschland den Entschluss, im Rahmen meines Masterstudiums für einen zweiten Aufenthalt zurückzukehren. Mit der Corona-Pandemie, die gegen Ende meines ersten Mastersemesters beginnen sollte, wurde aber schnell klar, dass Auslandssemester und Praktika erstmal nicht wie gewohnt stattfinden können. Mit dem Förderungsprogramm PROMOS des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) werden jedoch auch Forschungsaufenthalte im Rahmen von Abschlussarbeiten finanziert. Unter diesem Thesis-Programm hat man noch gute Chancen, auch in pandemischen Zeiten studienbedingt ins Ausland zu reisen – zumindest, solange die Partner*innen und Institutionen vor Ort einen noch empfangen können und dürfen und die lokalen Einreisebestimmungen eine Reise zulassen. Für die Forschung meiner Masterarbeit passte das gut, mein Thema der queeren Performing Arts in Südafrika mit den Schwerpunkten Spoken Word Poetry, Tanz (speziell Vogueing) und Performance Art ließ mich von Universitäten und Institutionen weitgehend ungebunden forschen. Da ich mein Thema auf das heutige Südafrika beziehe, strebte ich für meine Forschung den direkten Austausch mit Akteur*innen der Szene vor Ort an.

Meine Motivation war es also, mit verschiedenen Künstler*innen in Kapstadt in Kontakt zu treten und diese mithilfe von Leitfadeninterviews zu ihren Erfahrungen, Erfolgen und Kämpfen zu befragen, die sie als queere Personen erleben und durch ihre Kunstform zum Ausdruck bringen. Dabei wollte ich unter anderem erfahren, ob und warum sie ihre Kunst als politisch verstehen, wie ihre queere Identität mit ihrer Kunst zusammenhängt und was ihre persönlichen Beweggründe als Künstler*innen sind. Nachdem mein grobes Konzept samt Fragenkatalog stand, fragte ich die ersten Personen für Interviews an. Mein Wunsch war es möglichst intersektional zu arbeiten, ich wollte ein breites Spektrum von Menschen interviewen, um in viele verschiedene Perspektiven Einblick zu erhalten. Ich musste mir jedoch schnell eingestehen, dass dies nicht so leicht umsetzbar ist. Südafrikanische queere Tänzer*innen, Poet*innen und Performancekünstler*innen, die der Interviewanfrage zustimmten, ließen sich erstaunlich leicht finden – durch meinen letzten Südafrika-Aufenthalt kannte ich noch einige aus der Szene und so ließ sich über Freund*innen und Bekannte schnell ein Netzwerk aufbauen. Weitere Personen fand ich über Instagram, was überaus praktisch war, da die Kommunikation dort in der Regel sehr schnell abläuft und viele Künstler*innen das Social Media Portal als Online Portfolio nutzen, sodass ich direkt einen guten Einstieg in ihre Arbeiten erhielt. Leider wurde meine Liste von Interviewpartner*innen jedoch nicht so divers, wie ich sie gerne gehabt hätte – zwar unterscheiden sich meine Interviewpartner*innen in Aspekten wie dem sozialen Hintergrund, Gender und sexueller Orientierung; was Alter und Race angeht, hatten sie jedoch alle gemeinsam, dass sie PoCs zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Ich hatte auch weiße Personen angefragt, hier jedoch Absagen erhalten. 

Nachdem die erste Liste mit Interviewpartner*innen samt Konzept fertig war, schrieb ich meine Bewerbung für PROMOS. Die HU-Beauftragte Frau König war dabei meine Ansprechpartnerin, die mir schnell und zuverlässig bei Fragen und Problemen mit der Bewerbung zur Seite stand. 

Ein Problem war beispielsweise, wie kurzfristig das Geld ausgezahlt werden konnte. Dies war der Pandemie geschuldet; da sich die pandemische Lage inklusive eines eingeschränkten Flugverkehrs täglich ändern kann, warteten wir ab, bis es ersichtlich war, dass ich überhaupt nach Südafrika einreisen konnte. So kam es, dass ich keine zwei Wochen vor Ankunft in Kapstadt meine Flüge und Unterkunft buchte.

Bei der Wahl meines Fluges achtete ich darauf, flexibel umbuchen zu können. Eine Unterkunft ließ sich für Kapstadt leicht selber organisieren. Ich wählte ein kleines Apartment im CBD von Kapstadt, um zentral gelegen zu sein und mich flexibel im relativ sicheren inneren Stadtteil bewegen zu können. 

Die Durchführung der Interviews war eine spannende Erfahrung, die bis auf die eine oder andere spontane Termin- oder Ortsänderungen meiner Interviewpartner*innen problemlos ablief. Tatsächlich war ich sogar positiv überrascht, wie hilfsbereit die interviewten Personen waren. Oftmals haben sie mich an andere Künstler*innen weitervermittelt, mir interessante Werke und Orte gezeigt, mich auf Performances mitgenommen, mir Veranstaltungen empfohlen und mir wichtige Tipps und Hinweise auch in Fragen der persönlichen Sicherheit als queere Person in Südafrika gegeben, wofür ich sehr dankbar bin.

Neben den Interviews habe ich in meiner Freizeit das kulturelle Angebot Kapstadts wahrgenommen, wie beispielsweise die First Thursdays, ein Kunstevent am ersten Donnerstag des Monats, an dem zahlreiche Galerien in der Church und Bree Street kostenlos öffnen und sich die Stadt abends zum Ausstellungs-Hopping trifft. Das noch relativ neue Kunstmuseum Zeitz Museum of Contemporary Art Africa an der Waterfront ist auch ein Muss, ebenso die Stevenson Gallery, in der Zanele Muholis fantastische Kunst ausgestellt wird. 

Die derzeitige Pandemie hatte aber natürlich auch Einfluss auf meinen Aufenthalt. Kurz vor meiner Abreise erkrankte ich selbst, zum Glück jedoch nur recht leicht, sodass ich eine Quarantäne-Unterkunft problemlos organisieren konnte und die weiteren Schritte einzuleiten wusste. Im Nachhinein denke ich, dass es sinnvoll gewesen wäre, schon vor Beginn der Reise eine Art Notfallplan zu erstellen, um dann besser handeln zu können. Ich denke, jede*r sollte sich bewusst sein, dass Reisen, speziell Fernreisen, während einer Pandemie ein Risiko mit sich bringen, von einer möglichen Erkrankung, plötzlich eintretenden Flugverboten, bis hin zu erschwerten Arbeitsweisen. Ich hatte ursprünglich auch einen Kurztrip von Kapstadt nach Johannesburg für weitere Interviews organisiert. Nachdem genau in der Provinz von Gauteng die neue Virusvariante Omikron entdeckt wurde, plante ich jedoch schnell um, sagte die Präsenzinterviews dort ab und wechselte mit diesen Personen auf ein Online-Format, was natürlich sehr schade war. Bei Forschungsreisen in diesen Zeiten halte ich es jedoch für notwendig, diese Flexibilität zu haben und ein paar Schritte vorauszudenken – was tue ich, wenn Veranstaltungen spontan abgesagt werden müssen, Reisen innerhalb des Landes verboten werden oder eine große Zahl meiner Interviewpartner*innen krank werden oder in Quarantäne sind? In meiner Arbeit hatte ich durch die Interviewform die Möglichkeit, Termine innerhalb meines Aufenthaltes zu verschieben oder im Notfall online zu legen, dies musste ich zum Glück nur bei den Interviews mit den Johannesburger Künstler*innen wahrnehmen. Dass ich alle Interviews in Kapstadt vor Ort durchführen konnte, war ein großes Glück und riesiges Privileg, was ich sehr zu schätzen weiß. 

Mein Forschungsaufenthalt in Kapstadt ist definitiv ein prägendes Highlight meines Masterstudiums, an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an PROMOS, den DAAD und an Frau König aus der Vermittlungsstelle der HU. Es war eine lehrreiche Erfahrung, selbstständig meine Arbeit zu organisieren, mit spannenden Personen in den Dialog zu treten und meine Forschung zu vertiefen. Dementsprechend wünsche ich jeder Person, die einen solchen Aufenthalt gerne absolvieren möchte, die Chance dazu.


Über die Autorin: Elena Schaetz ist Studentin der Afrikawissenschaften (MA) an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Literatur, Kultur, Gender und Queerness in südafrikanischen Regionen.

9. Januar 2022 | Veröffentlicht von
Veröffentlicht unter Allgemein

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