Archiv für Kategorie Blog zu „Humboldts Fußabdruck“

Humboldts Fußabdruck: Rückblick auf den Blick nach vorn.

In den vergangenen Wochen fanden unter dem Titel „Humboldts Fußabdruck. Forschen für die Nachhaltigkeit“ eine Ringvorlesung statt. Veranstaltet wurde diese Vorlesungsreihe von den Studierenden der Themenklasse „Nachhaltigkeit und Globale Gerechtigkeit“, dem (ebenfalls studentischen) Nachhaltigkeitsbüro der Humboldt-Universität und Antje Bruns, Professorin für Klimawandel und nachhaltige Entwicklung. Es handelte sich dabei um die erste Veranstaltung im Rahmen des Studium Oecologicum, einem Wahlmodul, das au Studentischer Initiative basiert.

Dem Namen und den Verantwortlichen der Veranstaltung kann entnommen werden, dass es dabei um Nachhaltigkeit ging, ein Begriff, der in den letzten Jahren politisch und gesellschaftlich viel Verwendung und Aufmerksamkeit findet. Obwohl „Nachhaltigkeit“ bereits seit 1915 im Duden zu finden ist, wird der Begriff heute noch heiß diskutiert sehr unterschiedlich ausgelegt und angewendet. Zwar stammt der Begriff ursprünglich aus der Forstwirtschaft und hatte eine rein ökologische Bedeutung, jedoch wurde sich der Begriff „Nachhaltigkeit“ von vielen Bereichen der Wissenschaft angeeignet und hat heute ebenso viele Bedeutungen. Diese Vielfalt der Nachhaltigkeit wurde im Rahmen der Ringvorlesung erkundet und diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass es keine „richtige“ oder „falsche“ Auslegung des Begriffes gibt. Alle Definitionen der Nachhaltigkeit befassen sich mit dem Prinzip der Langfristigkeit und anhaltender Wirkung, je nach Kontext weist die Betrachtung jedoch völlig unterschiedliche Gesichtspunkte auf. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit gibt es zum Beispiel auch Prinzipien philosophischer und politischer Nachhaltigkeit, Wirtschaftliche Nachhaltigkeitskonzepte und sozialwissenschaftliche Ansätze wie nachhaltige Generations- und Geschlechtergerechtigkeit. Ein zusammenführender Nachhaltigkeitsbegriff kann daher nicht aus einem Wissenschaftsbereich stammen, sondern muss eine Synthese aller Nachhaltigkeitsaspekte sein.

Die Mammutaufgabe, nicht nur gemeinsame Theorien, sondern auch gemeinsame praktische Ansätze der Nachhaltigkeit zu entwickeln, kann nur interdisziplinär angegangen werden. Das Integrative Research Institute on Transformations of Human-Environment Systems (IRI THESys) der Humboldt-Universität verfolgt dieses Ziel auf interdisziplinärem Wege seit 2013 unter dem Motto „Joining minds for sustainable pathways“. Die Zusammenarbeit der Themenklasse, den Nachhaltigkeitsbüro und dem IRI THESys bildet die neuste Brücke der Interdisziplinarität: die Verbindung zwischen Studentischer und institutioneller Forschung und Praxis.

Dank des Tutoriums, das die Vorlesungen begleitete, konnten sich auch Studierende außerhalb der Themenklasse und des Nachhaltigkeitsbüros interdisziplinär vernetzten und hatten eine gemeinsame Plattform, um Nachhaltigkeit zu verstehen, zu diskutieren und eigene Ideen zu entwickeln. Die Studierenden arbeiteten daran Nachhaltigkeitsbegriffe zusammenzuführen, ergänzten die Inhalte der Ringvorlesung mit eigenem Input und entwarfen eigene Handlungsansätze. Die Veranstaltung endete mit der Präsentation der studentischen Ergebnisse aus dem Tutorium. Die Veranstaltungsreihe „Humboldts Fußabdruck“ und die weiterführende Auseinandersetzung im begleitenden Tutorium zeigten auf, wie vielversprechend fach- und generationsübergreifende Zusammenarbeit sein kann und selbst die Mammutaufgabe wie „Nachhaltigkeit“ angegangen werden kann. Für das Studium Oecologicum hätte es kaum einen besseren Auftakt geben können. Es bleibt zu hoffen, dass es sich bei der Veranstaltungsreihe nicht um eine einmalige Gelegenheit gehandelt hat, sondern es an der Humboldt-universität (und darüber hinaus) noch zu weiterer Zusammenarbeit rund um Nachhaltigkeit kommen wird.

[Arne Zebski]

28. Juli 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Vom Schwarzbrot ökologischer Überlebenskunst

Der letzte Vortrag der Ringvorlesung wurde aus der Perspektive der Ethnologie auf nachhaltige Handlungsweisen gehalten. Eingeleitet hat Frau Scholze-Irrlitz mit einem kleinen Einblick in die Geschichte der Ethnologie an sich, wobei sie hier auf eine Ausstellung über Rousseau verwies, der von Lévi-Strauss, einem Ethnologen, als der Begründer der Disziplin beschrieben und gelobt wurde.

Darauf folge eine Erläuterung zum Begriff „sustineo“, (sustainability, Nachhaltigkeit). Dieser hat sowohl einen zeitlichen Aspekt, als „zeitlicher Ablauf“, als auch einen räumlichen, im Sinne von „standhalten“.

Danach ging es um die Idee der „Wiederherstellung eines Gleichgewichts“ vom Lebenszyklus des Menschen und der Natur, wobei dieses Gleichgewicht kulturell und regional anscheinend verschieden ist und es immer wieder zu einer Aushandlung dieser Balance kommen muss/sollte. Die Frage die sich hier stellt: Gibt oder gab es überhaupt einen solchen Zustand und muss er wieder hergestellt oder bewahrt werden?

Daran schloss sich eine Überlegung zum komfortablen Leben an, dass anscheinend nur möglich ist durch dauerhaftes Wachstum, welches erhalten werden muss. Wachstum wird damit auch als personeller Wachstum betrachtet, mit dem man sich heute identifiziert und damit einer Gruppe zuordnet. Diese Perspektive des dauerhaften Wachstums ist jedoch eine eher lineare Sichtweise, in der wertvolle soziale Erfahrungen keine Beachtung finden.

Nach dieser Einführung wurden zwei Beispiele aus der historischen Ethnologie genannt. Ersteres handelte von der Veränderung der landwirtschaftlichen Nutzung/Technik im nordöstlichen Oderbruch vor 200 Jahren. Hier spielten zwei Frauen, Mutter und Tochter von Friedland, eine tragende Rolle. Beide beschäftigten sich mitunter mit der Fruchtwechselwirtschaft. Dies geschah in einer Zeit, als die Bevölkerung anstieg, was eine Nachfrage nach Nahrung mit sich zog und somit die landwirtschaftlichen Techniken einer Optimierung bedurften, um diesen Bedarf zu decken.

Ein Fortschritt bestand mitunter darin, dass die Frauen die Feudallasten auf ihrem Gut abschafften, die damals noch als üblich galten und weit verbreitet waren. Die Mutter veränderte die Landschaft im Oderbruch gezielt und passte den Anbau an den Standort an. Ziel war es, letztendlich Nahrung für alle zu sichern. Die Mutter führte außerdem einen regen Briefwechsel mit Thaer, der sehr wahrscheinlich vor ihrem Schaffen große Achtung hatte, da er die Briefe sammelte und sie später an folgende Generationen weitervererbt wurden.

Vielleicht könnte man Nachhaltigkeit bei diesem Beispiel darin sehen, dass man alte Normen und Werte überdenkt, so wie die beiden Frauen es mit ihren neuen Ideen zur landwirtschaftlichen Nutzung eines bestimmten Raumes getan haben, um das Leben der Menschen zu verbessern, indem sie aber außerdem das Gleichgewicht der Natur nicht zu stören versuchten.

Als zweites Beispiel wurde Herr R. Thurnwald genannt, der eine Bevölkerungsgruppe in Papua Neuguinea erforschte und dabei das Reziprozität – Prinzip „entdeckte“. Ich verstand dies folgendermaßen: Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit bzw. das Gabeverhältnis in Beziehungen und sozialen Organisationen, ist die Voraussetzung für ein effektives Miteinander über einen längeren Zeitraum.

Vielleicht sollten wir daher die Vergangenheit nicht außer Acht lassen und sie als Inspiration, Warnung und wertvolles Wissen betrachten.

[Ina Fischer]

15. Juli 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Die Grenzen von Populationen

Ein Kommentar zum Vortragsthema „Humanökologie – Mensch und Umwelt ” von Prof. Dr. Liliane Rueß

Populationen verschiedenster Spezies besiedeln die Erde seit Jahrmillionen. Die mittlerweile große Population der Menschen ist erst seit einem Wimpernschlag der Erdgeschichte vertreten, setzt sich jedoch als Ausnahmespezies über einige Regeln der Natur hinweg und gestaltet sich den Erdball neu. Auf einige Veränderungen wird in diesem Kommentar eingegangen.

Eine Population ist eine Gruppe von Individuen der gleichen Art, die in einem Ökosystem auftreten und leben. Jede Spezies auf der Erde besiedelt ein bestimmtes Ökosystem in einer ökologischen Nische unter Artgenossen. Doch die Population der Menschen muss sich an keine Nischen mehr anpassen. Barrieren wie Meere oder Gebirge haben wir dank der Technik überwunden und erreichen alle Orte des Planeten in kürzester Zeit. Natürliche Selektion gibt es kaum noch, ebenfalls aufgrund der fortschreitenden Entwicklung der Technik und Medizin.

Unsere Population wächst schnell. Die naturgegebenen Grenzen dieses Wachstums sind die terrestrischen Flächen unseres Planeten. D.h. die Kontinente und die darauf wachsenden Pflanzen geben vor, wie viele Menschen hier leben und davon ernährt werden können. Bei einer Weltbevölkerungszahl von 7,3 Milliarden Menschen ist das Limit noch nicht erreicht. Eine größer werdende Menge an Menschen bedeutet vermehrte Siedlungen und größere Städte. Dies bedingt die Erweiterung der Landwirtschaft um Anbauflächen. Welche Folgen hat diese Ausbreitung für die anderen Organismen auf der Erde?

Die Fragmentierung von Lebensräumen beispielsweise, die durch Straßenbau oder dichter werdende Siedlungsräume geschehen, führen für große Wirbeltiere wie Raubkatzen oder Wild zu Problemen. Der Verlust der genetischen Vielfalt durch zu geringe Populationszahlen oder Konkurrenzkämpfe auf zu kleinen Territorien sind die Folge. Um dem entgegen zu wirken, werden den Tieren Grünbrücken angeboten, um deren Wanderung über Autobahnen zu ermöglichen. Somit werden Populationen vereint, die einzeln zu klein wären um sich über längere Zeiträume zu erhalten. Die Minimale überlebensfähige Populationsgröße beschreibt die kleinste Anzahl an Individuen einer Population, die es ermöglicht auch noch in 1000 Jahren zu einer Wahrscheinlichkeit von 99 % zu bestehen. Bei vielen Arten ist der Bestand schon stark geschrumpft und diese Wahrscheinlichkeit gesunken. Wenn die Individuenzahlen für bedrohte Arten wieder stiegen, stellt sich die Frage ob sich die Populationen trotzdem halten können. Denn jede Spezies hat einen bestimmten Minimallebensraum, der sich aus dem Produkt von Flächenbedarf und Individuenzahl ergibt. Durch Habitatverkleinerung und die Zerstörung von Lebensräumen können Minimallebensräume für minimale überlebensfähige Populationsgrößen nicht mehr gewährleistet werden.

Die durch den Menschen verursachte Einschleppung invasiver Arten in fremde Ökosysteme ist auch ein Grund von Artensterben. Invasive Pflanzenarten beispielsweise, die in Ökosysteme eingeführt werden, in denen sie konkurrenzfrei wachsen können, verdrängen heimische Arten. Des Weiteren bilden sie neuen Lebensraum für, die in ihrem Ökosystem vorkommenden Insekten und anderen Tiere, welche wiederum die heimischen Arten verdrängen. Die menschenbedingte Erwärmung des Klimas der Erde verursacht weitere Veränderungen. Schwesterarten, wie der Grizzlybär und der Eisbär können sich aufgrund von schmelzenden Eismassen, die bisher eine natürliche Barriere darstellten, begegnen und kreuzen. Auf diese Weise entstehen Hybride, die keiner der beiden Arten zugeordnet werden können.

Naturschutzgebiete stellen einen sicheren Lebensraum für gefährdete Arten da. In kleineren Schutzprogrammen ist die Artenvielfalt oft erhöht. In großen Schutzgebieten, die mehrere Habitate vereinen, sind umfangreichere Populationen geschützt, die Biodiversität im Vergleich jedoch geringer. D.h. ein Wechsel aus kleinen und großen Naturschutzgebieten auf der Landkarte kann vielen Arten helfen, sich zu erholen.

Möchte man eine bedrohte Art schützen, muss man auch ihren Lebensraum und alle Teile der Nahrungskette bewahren, in der sie involviert ist. Um eine Population aufrecht zu erhalten, genügt es nicht einzelne Individuen zu schützen, sondern eine minimale Anzahl von Individuen in ihrem Lebensraum stabil zu etablieren. Es stellt sich die Frage, wie viel Platz, welchen Populationen dieser Erde zusteht oder ausreicht. Gibt es für den Menschen, als Ausnahmespezies, ein Recht auf mehr Lebensraum? Und können Naturschutzgebiete eine ausreichende Lösung darstellen?

[Fanni Thrum]

9. Juli 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Philosophische Überlegungen zum Wert der Natur

Ein Blogeintrag zu der Vorlesung von Kirsten Meyer

Die Bechsteinfledermaus verhindert den Bau von Windparks. Sie gilt als Verantwortungsart und steht deshalb unter Naturschutz. Gleichzeitig ist der Ausbau von Windkraftanlagen elementar für den Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung. Was also tun, wenn sich Arten- und Umweltschutz als falsche Freunde entpuppen?

Die den Tierschutz legitimierende ethische Position folgt der Prämisse, Tiere hätten einen moralischen Status. Ferner gilt es, das Leiden der Tiere moralisch zu berücksichtigen. Sie dürfen folglich nicht sinnlos gequält werden.

Peter Singer und andere Anhänger des utilitaristischen Ansatzes schlagen das Prinzip der unparteiischen Interessenabwägung vor. Das utilitaristische Postulat, der Mehrung allen Glücks und Minderung allen Leids, dürfe nicht durch eine speziesistische Perspektive verletzt werden. Die Garantie auf unveräußerliche Rechte muss folglich von Menschen auf Tiere ausgedehnt werden. Wenn also das Nettoglück aller Wesen das höchste Gut ist, folgt dann daraus, man müsse eine Antilope vor dem Angriff einer Löwin schützen, um dieser dann ein weniger leidverursachendes Mahl vorzusetzen? Ist das moderner Tierschutz? Zur Rechtfertigung industrieller Fleischproduktion reichen diese Fragen natürlich nicht, denn hier wird der Genuss des Einen gegen das Leben des Anderen abgewogen, aber zumindest scheint es Situationen zu geben, die den Tod mit dem Argument der Natürlichkeit in Kauf nehmen.

Inwiefern kann man aber den Maßstab der Natürlichkeit an den Menschen anlegen, ohne dass dieser zum zynischen Freifahrtschein für jegliches moralisch verwerfliche Handeln wird? Überlegungen hinsichtlich der Duldung menschlicher Opfer zum Schutz auch tausender (Säuge-)Tiere gelten im gesellschaftlichen Diskurs als Tabu. Entscheidend seien die verlorengehenden potentiellen Möglichkeiten, meint Tom Regan, die bei einem Tier im Normalfall niedriger sind als bei einem gesunden Menschen.

Der US-amerikanische Philosoph Carl Cohen argumentiert sehr klar, der Rechtsbegriff sei nur auf Menschen anwendbar. Schließlich kann nur durch die Beschränkung auf eine Gruppe von Wesen, die in der Lage sind, moralische Überlegungen anzustellen, eine plausible Position hergestellt werden. Ein Tier ist nun mal nicht in der Lage, seinen Rechtsanspruch einzufordern. Angewendet auf beispielsweise Kleinkinder führt auch dieser Ansatz ins Absurde.

Beim Artenschutz hingegen geht es nicht um das Leid eines fühlenden Wesens, sondern um die Störung resilienter Ökosystemzustände sowie den Erhalt der genetischen Vielfalt. In Bezug auf diese wird oft vom intrinsischen Wert ganzer Arten gesprochen. Es sei „an sich” gut, wenn es eine Art gibt und „an sich” schlecht, wenn sie ausstirbt. Der Umweltphilosoph J. Baird Callicott bietet hierzu eine subjektivistische Betrachtungsweise: kein Wert ohne Wertschätzer. Dabei ist nicht die Rede vom instrumentellen Wert für uns oder ein Ökosystem, sondern vom intrinsischen Wert – die Achtung vor jeder Art wegen dessen bloßer Angehörigkeit zu unserer biologischen Gemeinschaft, selbst wenn die Quelle des Werts beim Betrachter liegt. Demgegenüber steht wiederum die Überlegung von Tom Regan, der argumentiert, jedem kommt die Rolle des Subjekts seines eigenen Lebens zu, unabhängig davon, ob es von einem externen Wesen wahrgenommen wird. Der Wert ergibt sich also aus der (gegenseitigen) Anerkennung jeden Subjekts-eines-Lebens damit letztlich kollektiv für diese gesamte Art.

Was bedeuten diese Überlegungen für unseren Fall Bechsteinfledermaus versus Windrad? Was nun das höchste Gut ist, Umwelt-, Arten- oder Tierschutz vermögen diese Diskussionen nicht zu beantworten. Wahrscheinlich deshalb, weil ein Vergleich von Äpfel und Birnen zum Scheitern verurteilt ist. Die Anliegen bewegen sich auf unterschiedlichen Skalen, also müssen wir wohl oder übel jedes Mal mühselig abwägen und die globalen Vorhaben zum Schutz der lokalen modifizieren.

[Jannik Rade]

25. Juni 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Geschlechterspezifische Lohnungleichheit auf dem Arbeitsmarkt

Am 11. Juni 2015 hielt Frau Christine Bauhardt einen Vortrag zum Thema Nachhaltigkeit aus politikwissenschaftlicher Perspektive. In Ihrem Beitrag mit dem Titel „Green Growth oder Degrowth? Feministisch-ökonomische Perspektiven auf gesellschaftliche Naturverhältnisse“ thematisierte sie die Endlichkeit natürlicher Res-sourcen und deren Ausbeutung durch die moderne kapitalistische Produktionsweise. Als Vertreterin der feministischen Ökonomiekritik fokussiert sie im Besonderen die von Frauen geleistete Verantwortungs- und Fürsorgearbeit in der Gesellschaft und deren selbstverständliche Aneignung als quasi- natürliche Ressource durch das kapitalistische System ohne die entsprechende Wertschätzung.

Drei kritische Positionen zu den krisenhaften Entwicklungen des Kapitalismus wurden auf deren implizites Gehalt über Geschlechterforderungen und Forderungen über Geschlechtergerechtigkeit untersucht sowie auf mittel- und langfristige Sicht qualitativ beurteilt.

Themen der anschliessenden Debatte waren unter anderem die stereotypischen Rollenbilder- und Hirarchien in der Gesellschaft und die unbezahlte, zumeist von Frauen geleistete Hausarbeit, die im kapitalistischen System trotz ihrer enormen Wichtigkeit kaum die nötige Anerkennung findet. Zudem wurden verschiedene Meinungen dazu geäussert, wiso auf dem moderenen Arbeitsmarkt nach wie vor eine enorme Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern besteht und wo denn die Ursache dafür liegt. Da ich mir zu diesem Thema öfters schon Gedanken gemacht habe und die Ansichten in der Disskussion stark auseinanderliefen, habe ich in wissenschaftlichen Berichten recherchiert und einige Erklärungsansätze und Forschungsstandpunkte zusammengestellz zu der Frage:

Wie kommt die Lohnungleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeits-markt zustande und durch welche Umstände in der gesellschaftlichen Ordnung wird sie verursacht?

In der Soziologie werden geschlechterspezifische Lohnunteschiede vor der genaueren Analyse oft in einen erklärbaren und einen nicht erklärbaren Teil zerlegt; Durch Verfahren wie die „Blinder-Oaxaca- Dekomposition“ (Blinder 1973, Oaxaca 1973) wird festgelegt, welcher Teil sich durch produktionsrelevante Merkmale wie Bildung und Berufserfahrung erklären lässt und welcher Teil durch das Fehlen solcher Merkmale auf verschiedene Arten von Lohndiskriminierung zurückzuführen ist.

Eine mögliche Erklärung für die Entstehung solch einer Lohndiskriminierung liefert Gary Becker mit der „Taste-based discrimination“ (Becker 1957). Nach diesem Ansatz entsteht Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt dadurch, dass Arbeitnehmer, Arbeitgeber, andere Angestellte und Kunden mehr oder weniger grosse Vorurteile gegenüber Frauen haben. Folglich ist ein diskriminierender Arbeitgeber nur dann dazu bereit, in seinem Unternehmen eine Frau einzustellen, wenn der entsprechende Lohn für die geleistete Arbeit tiefer liegt als bei einem Mann. Aus der Verteilung dieser Diskriminierungspräferenzen und dem Anteil von Frauen auf dem Arbeits-markt ergibt sich bei gleicher Produktivität ein Gleichgewichtslohn für Frauen, der deutlich unter jenem der Männer liegt.

Die monopsonistische Diskriminierung erklärt geschlechterspezifische Lohnunter-schiede weniger durch Vorurteile als viel mehr durch Hinweise aus der empirischen Literatur, die betonenen, dass das Arbeitsangebot von Frauen wesentlich weniger lohnelastisch ist als das von Männern. Gründe für diese geringe Lohnelastizität lassen sich aus der weilblichen Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ablesen. Beispiels-weise werden Jobs bevorzugt, die sich gut mit der Familie vereinbaren lassen. Ausserdem erigbt sich ein erhöhteter Konkurrenzdruck, da sich Frauen auf weniger Berufe konzentrieren als Männer oder weniger mobil sind. Durch die geringe Lohnelastizität erhalten rationale Unternehmen mehr Spielraum für Lohn-diskriminierung und können weiblichen Angestellten weniger Lohnerhöhungen gewähren als männlichen Angestellten, ohne dass die Frauen das Unternehmen verlassen.

Bei der statistischen Diskriminierung (Aigner/Cain 1977) wird davon ausgegangen, dass Arbeitgeber begründete oder unbegründete Vorstellungen über durch-schnittliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern haben. Da die Produktivität einer Person im Bewerbungsverfahren nicht vollständig beobachtbar ist, greifen Arbeitgeber zur Beurteilung Ihrer Kantiaten/Kandidatinen auf Stereotype zurück. Ein Arbeitgeber erwartet beispielsweise, dass eine Frau ein Unternehmen aufgrund von Familienplanung oder Schwangerschaft schneller wieder verlässt oder dass sich durch familiäre Pflichten mehr Absenzen ergeben als bei männlichen Mitarbeitern. Dementspechend entstehen für weibliche Bewerberinnen schlechtere Anstellungs-chancen und tiefere Lohnangebobe. Dieser Prozess kann zudem zu einer selbst-verstärkenden Dynamik führen, wenn eine Frau in diesem Szenario aufgrund schlechterer Jobangebote tatsächlich zugunsten der Familie das Unternehmen verlässt.

Nach Erklärungssätzen der beruflichen Segregation wird die geschlechterspezifische Lohnungleichheit dadurch geschaffen, dass sich Männer und Frauen auf unter-schiedliche Berufe spezialisieren, die ihrerseits unterschiedliche Lohnnniveaus auf-weisen. Zwei grundsätzlich unterschiedliche Positionen stehen sich unter dieser An-nahme gegenüber:

  1. Frauen suchen sich in Antizipation Ihrer späteren Familienverpflichtungen bereits diejenigen Berufe aus, welche sich besonders gut mit den späteren familiären Verpflichtungen vereinbaren lassen oder bei denen Erwerbsunterbrechungen weniger problematisch sind. (Becker 1985, Polacheck 1979, 1981).
  2. Frauen spezialisieren sich auf andere Berufszweige als Männer und das „Weibliche“ wird schlichtwegganzheitlich abgewertet.

(Kilbourneetal.1994).

Meiner Ansicht nach kann sich die geschlechterspezifische Lohnungleichheit aus sehr vielen verschiedenen Gründen so eingependelt haben, wie sie momentan ist und muss jeweils im Einzelfall und nicht als ganzes Phänomen mit exakt gleicher Ursache und Kausalität beurteilt werden. Voraussetzung für jegliche Arten der Lohn-diskriminierung ist aber die Auffassung, dass die Frau als Haupternährerin zwangs-läufig an die Familie gebunden ist und implitzit für die häuslichen Pflichten verant-wortlich gemacht wird. Um eine Basis für faire und gleiche Löhne innerhalb des kapitalistischen Systems zu schaffen, müsste dieses stereotypische Rollenbild erst-mal aus den Köpfen der modernen Gesellschaft verschwinden.

 

Literaturverzeichniss

Aigner, Dennis, Glen Cain (1977). Statistical Theories of Discrimination in Labor Markets. Industrial and Labor Relations Review 30: 175-187.

Oaxaca, Ronald (1973). Male-Female Wage Differentials in Urban Labor Markets. International Economic Review 14(3): 693-709.

Polachek, Solomon W. (1979). Occupational Segregation among Women: Theory, Evidence, and a Prognosis. In Cynthia B. Lloyd, Emily S. Andrews, and Curtis L. Gilroy (Eds.), Women in the Labor Market (pp. 137-157). New York: Columbia University Press.

Polachek, Solomon W. (1981). Occupational Self Selection: A Human Capital Approach to Sex Differences in Occupational Structure, in: Review of Economics and Statistics 63, S.60-69.

Becker, Gary S. (1957). The Economics of Discrimination. Chicago: University of Chicago Press.

Becker, Gary S. (1985). Human Capital, Effort, and the Sexual Division of Labor. Journal of Labor Economics 3 (Supplement)(1): S33-S58.

Blinder, Alan S. (1973). Wage Discrimination: Reduced Form and Structural Estimates. The Journal of Human Resources 8(4): 436-455.

Kilbourne, B.S., G. Farkas, Beron Kurt, D. Weir, P. England (1994). Returns to Skill, Compensating Differentials, and Gender Bias: Effects of Occupational Characteristics on the Wages of White Women and Men. The American Journal of Sociology 100: 689–719.

[Simon Unternährer]

18. Juni 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Über die Tücke des Green Growths & die Rolle der Frau für eine Abkehr vom Wachstum

Ein Kommentar zur Vorlesung „Green Growth oder Degrowth? Feministisch ökonomische Perspektiven auf gesellschaftliche Naturverhältnisse“ von Prof. Christine Bauhardt

Frau Prof. Christine Bauhardts Vortrag beschäftigte sich mit der Krise des neoliberalen Kapitalismus und der Analyse dreier konkreter Lösungsansätze, dem Green New Deal, der Postwachstumsgesellschaft und der Solidarischen Ökonomie. Betrachtet wurden das Krisenverständnis dieser drei Konzepte, deren programmatischen Ziele sowie erste Lösungsansätze. Abschließend wurden die angestellten Überlegungen in den Kontext der feministischen Ökonomie gesetzt. Hierfür wurden die zentralen Bestandteile feministische Ökologie behandelt, sowie die Problemstellung und Lösungsansätze unter feministischer Sicht analysiert und bewertet.
Eine vollständige Zusammenfassung des Vortrags wurde bereits von Frau Prof. Bauhardt zur Verfügung gestellt, weshalb hier die drei Konzepte GND, PWG und SO sowie die Grundzüge feministischer Ökonomie nur kurz skizziert werden und viel eher auf zwei Aspekte der dem Vortrag gefolgten Diskussion eingegangen wird.
Unter dem Green New Deal (GND) versteht man die Forderung nach einer Rekonstruierung des Finanz- und Steuersektors sowie des Energiesektors hin zu einer ökologischen und sozialen Wirtschaft. Hauptziele sind u.a. die unabhängige Vollversorgung mit erneuerbaren Energien, eine veränderte Verkehrspolitik und eine Erneuerung des sozialen Ausgleichs zwischen Arm und Reich. Der Lösungsansatz einer Postwachstumsgesellschaft (PWG) beschäftigt sich mit der Neuinterpretation von gesellschaftlichem und individuellem Wohlstand sowie von Lebensqualität unter der Abkopplung von jeglicher ökonomischer Wachstumsdynamik. Die Solidarische Ökonomie (SO) widmet sich stärker den sozialen als ökologischen Aspekten des Wirtschaftens und sucht nach praktischer Umsetzung eines menschenfreundlichen, am direkten Nutzen orientierten, lebendigen Arbeitsbegriffs. Allen drei Aspekten ist die Orientierung an der Endlichkeit natürlicher Ressourcen sowie eine Beendigung der Investitionen in den Spekulationssektor gemein. Eine Reflektion der Krise sowie der Lösungsansätze unter feministischer Sicht findet in keinem dieser Aspekte eine konkrete Anwendung. Zwei zentrale Problemstellungen gilt es jedoch in der Debatte um alternative Wirtschaftsformen zu berücksichtigen, einerseits die Krise der sozialen Reproduktion, also der Beschäftigung im Care-Sektor (Hervorbringung, Aufrechterhaltung und Beendigung von Leben), andererseits die vorherrschende Geschlechterordnung in Wirtschaft und Gesellschaft und deren Transformation.
In der anschließenden Diskussion wurden die Interpretationen und Gedanken der studentischen Zuhörerschaft zu einigen der zentralen Punkte des Vortrags gesammelt und besprochen. Darunter fanden sich u.a. die kritische Betrachtung eines Green Growths als idealen und ausreichenden Lösungsansatz sowie die Frage nach dem Mehrwert von Care-Arbeit und deren Bedeutung für eine Abkehr von ökonomischen Wachstum.
Ersteres behandelte folgenden konkreten Gedanken:
Ist es mit der Entkoppelung und Verlagerung der Energieversorgung aus fossiler Energie auf erneuerbare Energie nicht bereits getan? Worin liegt dann noch das Problem, wofür brauchen wir dann noch Postwachstum? Es handelt sich hierbei doch um gutes Wachstum.
Die Meinungen des Plenums hierzu divergierten. Meine persönliche Antwort lautet:
Nein, damit ist es nicht getan. Der GND reduziert die ökologische und soziale Transformation unserer Wirtschaft lediglich auf eine weitere Industrieentwicklung. Zwar handelt es sich hierbei um einen progressiven Schritt hin zu einem umweltfreundlicherem Wirtschaften und Lebenswandel, gleichermaßen begreife ich diesen Ansatz aber auch als eine „Flucht nach vorne“. Das Individuum wird hierbei nicht genug mit sich selbst und der kritischen Hinterfragung seines Konsums sowie seiner ökologisch-gesellschaftlichen Verantwortung konfrontiert. Dieser Ansatz rührt viel eher her aus der Frage „Wie kann ich den ökologischen Fußabdruck meines Wirtschaftens maximal reduzieren bei minimaler Veränderung meiner Verhaltensweisen?“. Das Problem dieser Sichtweise liegt auf der Hand. Solange das Individuum sich nicht selbst als Verursacher der ökologischen Krise versteht und es nicht schafft, die Lethargie der eigenen Bequemlichkeit zu überwinden, findet nur eine oberflächliche Verlagerung der Probleme und deren Prokrastination statt. Der GND berührt nicht den Kern der Problematik – uns selbst.

Konzepte, die uns sich mehr mit uns selbst beschäftigen lassen sind die PWG und SO. Hier gilt es, eine eigene Antwort auf die Frage zu finden: „Was bedeutet eigentlich Lebensqualität für mich und wie schaffe ich es, diesen Werten gerechter zu werden?“ Unter den Indikatoren für Lebensqualität können u.a. Freundschaften, Glück, Beziehungen, Anerkennung in der Gemeinschaft, Naturverbundenheit oder das Ausleben von Kreativität sein. Es ergibt sich eine Vielfalt an Bedürfnissen und Interessen, die nicht in erster Linie in einer Beziehung mit wirtschaftlicher Kaufkraft und finanzieller Sicherheit stehen. Das Individuum befindet sich hierbei also auf der Suche nach etwas Anderem, nach einem Mehrwert unabhängig von Geld. In der Diskussion wurde festgestellt, dass besonders die Care-Arbeit durch Erfahrungen mit solchen Mehrwerten geprägt ist. Einerseits erscheint es somit schlüssig, dass die Konzepte der PWG und SO eine Fokussierung und Stärkung der Care-Arbeit anstreben, andererseits offenbart sich hierdurch noch eine andere wichtige Begebenheit. In der Care-Arbeit sind bisweilen überwiegend Frauen tätig. Das legt die Vermutung nahe, dass Frauen allgemein gesprochen erfahrener im Umgang mit denen in der PWG und SO gesuchten Mehrwerten sind als auch bereits einen Zielsektor dieser Lösungswege dominieren. Das impliziert ein enormes Potential in zweierlei Richtungen: Zum einen sind für eine Entwicklung hin zur PWG oder SO bereits essentielle Kompetenzen vorhanden, die eine solche Transformation beachtlich fördern und tragen können, zum anderen bietet sich hierin gleichermaßen eine große Chance für die Frau zu einer nachhaltigen Emanzipation und einer entscheidenden Veränderung der Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft.
Aus diesem Grunde ist die Initiative der Frau für eine erfolgreiche Entwicklung hin zu einer Postwachstumsgesellschaft oder einer Solidarischen Ökonomie und somit hinaus aus der Krise des neoliberalen Kapitalismus unentbehrlich.

[Luca Kunz]

17. Juni 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Alternativen zur Wachstumsökonomie aus feministischer Perspektive

Christine Bauhardt ist Professorin für Gender und Globalisierung und ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich von gesellschaftlichen Naturverhältnissen und Geschlechterverhältnissen, Feministischer Ökonomiekritik, Migration und Stadtentwicklung.

Der Kapitalismus als Wirtschaftssystem geht von einem unbegrenzten Wachstum aus und sieht es als zwangsläufige Notwendigkeit für ein funktionierendes System.

Die Endlichkeit der Ressourcen und ein drastischer Anstieg der Weltbevölkerung verhindern jedoch ein immer steigendes Wirtschaftswachstum.

Im Rahmen der Ringvorlesung „Humboldts Fußabdruck. Forschen für Nachhaltigkeit“ referierte Prof. Christine Bauhardt über Alternativen zur Wachstumsökonomie aus feministischer Perspektive.

Green New Deal, Postwachstumsgesellschaft und Solidarische Ökonomie stellen drei kritische Ansätze zur krisenhaften Entwicklungen des aktuellen Kapitalismus dar. Sie sind als Alternativen zur Wachstumsökonomie zu sehen und sie vereint der Ansatz, dass die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch das kapitalistische System gestoppt werden muss.

Der Ansatz des Green New Deal verfolgt dabei das Ziel, dass die Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger gestoppt werden und stattdessen eine Vollversorgung durch erneuerbare Energien erreicht werden muss.

Die Postwachstumsgesellschaft zielt auf eine Gesellschaft, die unabhängig von ökonomischem Wachstum ist. Hierbei ist es die Aufgabe der Politik dieses Wachstumsstreben dauerhaft zu stoppen, indem Sektoren und Institutionen dahingehend umorganisiert werden, dass sie unabhängig vom Wachstum sind.

Das Konkurrenzdenken und die Gewinnmaximierung sind die größten Kritikpunkte des Ansatzes der Solidarischen Ökonomie. Die Idee ist, dass die Ökonomie den Menschen dienen soll und nicht die Menschen der Ökonomie. Konkret steht der Nutzen eines Wirtschaftssystems im Vordergrund, nicht der Gewinn.

Prof. Bauhardt stellte in diesem Zusammenhang die These auf, dass es eine Verschränkung der Krise der sozialen Reproduktion mit der gerade angedeuteten ökologischen Krise der Endlichkeit der Ressourcen gäbe. Aus Sicht der feministischen Ökonomiekritik würde die von Frauen geleistete Verantwortungs- und Fürsorgearbeit (Reproduktionsarbeit) im Kapitalismus genutzt werden, als wäre sie eine unendlich und unentgeltlich zur Verfügung stehende Naturressource.

Aus diesem Grund müsse nun geprüft werden, inwiefern die drei Alternativansätze zur Wachstumsökonomie die Ansätze der feministischen Ökonomiekritik überhaupt miteinbeziehen.
Grundsätzlich sei festzustellen, dass in keinem Ansatz die Geschlechterordnung ausdrücklich kritisiert werde. Kein Konzept kritisiere die Geschlechterhierarchie und verfolge das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit.
In diesem Zuge stellte Prof. Bauhardt spezifische Forderungen an die jeweiligen Ansätze, um das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit stärker in den Vordergrund zu rücken.

Der Ansatz des Gren New Deal konzentriere sich demnach hauptsächlich auf traditionell männerdominierter Arbeitsplätze der Energiewirtschaft und der Bauindustrie. Es finde kein Zugang und Einfluss der unbezahlten Reproduktionsarbeit von Frauen statt. Prof. Bauhardt Forderungen bestehen darin, dass eine Gleichstellungspolitik im Arbeitsmarkt durchgesetzt werden müsse. Vor allem die Integration von Frauen in technische Berufe im Energie-, Verkehrs- und Bausektor sei besonders wichtig.

Die Postwachstumsgesellschaft führe auch keine Berücksichtigung der Geschlechterordnung mit sich. Zwar konzentriere sich der Ansatz auf einen Ausbau der Sektoren der Reproduktionsarbeit, jedoch ohne die damit verbundenen geschlechtlichen Zuweisungen zu reflektieren.
Für den Ansatz bedeute dies, dass es zu einer Aufwertung der Frauenarbeitsplätzen im Bereich der Gesundheitsvorsorge, Bildung und Erziehung kommen müsse. Genauso müsse es zu einer Aufwertung der unbezahlten Arbeit im Privaten kommen. Die Erwerbs- und Versorgungsarbeit müsse gleichverteilt werden. Nur so sei eine Geschlechtergerechtigkeit möglich.

Auch in der solidarischen Ökonomie wird Arbeit in einem umfassenden Sinne verwendet. Die Fürsorgearbeit und die Erwerbsarbeit werden nicht getrennt, sodass die prinzipielle Zuständigkeit von Frauen für Versorgung und Fürsorge auch in diesem Ansatz nicht ausdrücklich diskutiert wird. Die Forderungen für diesen Ansatz beziehen sich auf eine Abschaffung der patriarchalen Herrschaftsstrukturen und die soziale Reproduktion und Subsistenz als Alternative zum Kapitalismus.

Prof. Bauhardt tat mit ihrem Vortrag einen neuen Bereich der Frage der Nachhaltigkeit auf. Durch die Analyse der Alternativansätze, die für ein nachhaltigeres Wirtschaften plädieren, wurde gezeigt, dass für ökonomische Transformation zu mehr Umweltgerechtigkeit eine feministische Perspektive unbedingt notwendig ist.

[Tillman Schmitz]

16. Juni 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Zur Ökologie des Wissens: Permakultur

Die Ringvorlesung „Humboldts Fußabdruck. Forschen für Nachhaltigkeit“ im Zuge des Studium Oecologicum vom 4. Juli behandelte das Thema Permakultur, womit die Ökologie des Wissens verbunden ist. Wichtig dabei ist erstmal, dass nicht das Wissen der Ökologie, sondern die Ökologie des Wissens der erstrebenswerte Ansatz sei.

Der Begriff „Permakultur“ setzt sich zusammen aus den Worten „permanent agriculture“ (deutsch: dauerhafte Landwirtschaft) und ist ein Konzept zur Lebensraumgestaltung. Dabei waren zu Anfangs landwirtschaftliche Aspekte fokussiert, da eine bewusste Landwirtschaft, die nicht über, sondern neben dem Naturraum steht, eine auf längere Zeit gesehen effektivere, als auch Ressourcen schonende Methode gesehen wurde.

Es wurden jedoch mit der Zeit ebenso städteplanerische, architektonische und entwicklungspolitische Aspekte miteinbezogen. Es sollen durch einen bedachteren Umgang mit der Umwelt naturräumliche Kreisläufe entstehen, die dauerhaft selbstständig funktionieren, nachhaltig sind und dem natürlichen Ökosystem nicht in die Quere kommen. Es stehen jedoch nicht nur ökologische, und soziale, sondern genauso wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund, da nachhaltiges Handeln und ein damit verbundenes Einsparen von Ressourcen ebenso mit einer Kosteneinsparung einhergeht.

Das Prinzip umfasst das Zusammenleben von Menschen, Flora und Fauna, das so miteinander kombiniert werden soll, dass die Bedürfnisse Aller auf unbestimmte Zeit möglichst adäquat befriedigt werden können. Als Vorbild dafür dienen meist Selbstregulationsprozesse in Ökosystemen wie beispielsweise Waldabschnitten.

Das Konzept wurde in den 1970er Jahren von Bill Mollison und David Holmgren entwickelt. Beide stammen aus Australien und erkannten deshalb europäische Ansätze des Biolandbaus als Basis für einen nachhaltigen Gegenentwurf zum vorherrschendem industriellen Agrarsystem. Die Problematik bei dem in der Landwirtschaft praktizierten Anbau von Monokulturen, was Böden und Grundwasser im Zuge eines verstärkten Pestizideinsatzes verschmutzte und außerdem die Biodiversität hemmte, veranlasste Mollison und Holmgren zu diesem neuen Ansatz.

Ein Beispiel für Permakultur-Systeme sind Aquakulturen, wo in einem Teich zum Beispiel mehrere Fischarten gemeinsam leben, angepasste Pflanzen zum Einsatz kommen und die Fische damit in einem selbstständigen Organismus leben, der nicht extern durch Futterzugabe beeinflusst werden muss.

[Tim Bosch]

11. Juni 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Climate Policy – a Social Dilemma?

Karen Pittel is the Director of the Ifo Center for Energy, Climate and Exhaustible Resources in Munich, and also a Professor of Economics and the University of Munich. Her talk was about her work which seeks to explain why countries follow the climate policies they do, and which dilemmas face them.

The general case of a Social Dilemma is this: how do we prioritise resource use? We must decide on allocation between the short term and the long term. Individuals must choose whether to cooperate for the good of the group, or to defect for personal gain. This is called a free-rider problem and refers to the situation where people in group benefit from the efforts of others, but contribute nothing themselves.

Tragedy of the commons: grazing problem. People usually just get what they can. (my view: only in an anonymous system – not ones where they’ll be socially punished.)

Climate change can be considered to be a social dilemma in this sense. The common resource is the climate. To cooperate in order to protect it is a choice for individual countries; there is no global enforcement mechanism. However in countries that choose to legislate to protect the climate it works because they do have enforcement within their borders.

Canada is an example of a country that chose to defect for national financial gain, when it became clear they would not meet their emissions targets due to the exploitation of tar sands oil.

Pittel suggests that the rational choice for a country is to free-ride. So she asks, “why are some countries not just hoping others will do heavy lifting? Is voluntary cooperation rational?”

Game Theory says, if number of players is large, voluntary cooperation to reach substantial contribution is less likely. Don’t expect too much, in other words! However if the number of players is small, cooperating is more profitable than the other options.

For an example of a real-world small game, she points to the recent US-China agreement, which has a good chance of working because it’s two countries. It’s “too small to fail” in the words of the Economist.

It seems to work. Although world emissions have increased by 50% on 1990, China’s emissions didn’t rise last year. The climate is an increasingly important consideration for that government. Since 1990 emissions from the USA and EU have both declined.

The rationality of Voluntary Mitigation can be considered as a case of the fundamental utility maximization problem of a rational individual from classical economics. Mathematically this is expressed as an integral over time of a utility function containing variables that represent consumption, leisure, etc, integrated over time.

Is EU action rational? There are pros and cons to mitigation. It may result in a short term reduction in domestic growth and income. It may incentivize other countries to do less for climate change, if they see us doing more. But it also could reduce damages to Europe as a result of climate change later.

Pittel is interested in exploring and quantifying indirect benefits in her mathematical utility function. She spoke of an altruistic “warm glow” that individuals get from mitigating (such as choosing a green electricity supplier), which may also work for policymakers.

Pittel entered into an analysis of social dilemmas using game theory. Different types of social dilemmas can be modeled using different types of game and numbers of players. The Chicken Game is a good representation of climate change because in the case of universal inaction, the consequences are catastrophic. She also gave an example of two people playing the Prisoner’s Dilemma game. She represented the game using matrices to simply illustrate different scenarios. In this game we can integrate social norms: these give a higher cost to non-cooperation. Social norms increase the prospects of cooperation.

The perception of fairness plays a major role in the context of climate negotiations. There is however a problem: no general agreement about fairness principles. Some principles are agreed upon: the polluter pays, and exemptions for the poorest countries. Fairness perception depends on the situation of each player, and influences their behavior. That is, if they feel fairly treated. EU usually seen as fair in negotiations compared to other developed and emerging major countries. This influences the poorer countries to more cooperative behavior.

In this analysis, Rabin introduced a “kindness” function in 1993: this measures how kindly one player treats another. Players tend to pursue strategies that punish/reward others for breaking/following social norms. For negotiators from developing countries, historical emissions play a much bigger role in fairness perception than current emissions.

If developing countries see rich countries taking responsibility for their history, their resentment is lower. On the other hand being expected to take too much responsibility reduces the chance of rich countries continuing to cooperate, so a balance must constantly be struck.

Thus, deliberately increasing the perception of fairness is a rational strategy for the EU. Which is the most strategic option to increase fairness perception? Spending for mitigation or adaptation in developing countries?

If we finance mitigation you’re helping these countries and yourself. However if the spending is seen to be financing mitigation in poor countries in order to avoid more financially and politically expensive mitigation decisions at home, the effect on perception of fairness is unclear. And it probably increases resentment on their part.

On the other hand, giving money for adaptation is very good for fairness perception on the part of poor countries. There’s no clear profit motive for the rich countries, so appears to be irrational on the surface, but actually pays off in terms of long term cooperation, because it is an example of taking historical responsibility. At COP16 countries including Germany pledged $100 billion for adaptation measures in poor countries.

Pittel then discussed other possible measures to increase prospects for cooperation: Punishment of non-cooperative countries by increasing customs taxes. Technology development and transfer to poorer countries shows good intentions. Increasing public awareness to strengthen social norms.

However problems for this research remain. Voluntary cooperation is happening, but not enough to reach the 2 degree goal set in Copenhagen. Basically we need to find the indirect benefits of these measures to prove that they are rational.

[Ian Clotworthy]

4. Juni 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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Klimapolitik – Wer rettet die Welt?

Als Teil der Ringvorlesung „Humboldts Fußabdruck. Forschen für Nachhaltigkeit“ stellte uns im Rahmen der IRI THESys Lecture Prof. Karen Pittel ihr Thema „Climate Policy – A Social Dilemma?“ vor.

Prof. Karen Pittel leitet die Abteilung Energie, Umwelt und erschöpfbare Ressourcen am ifo Institut und ist Professorin der Wirtschaft an der Universität München. Sie sammelte in ihrer Laufbahn internationale Erfahrungen und legt ihre Schwerpunkte dabei besonders auf die Ressourcen-, Energie- und Klimawirtschaft.

„Climate Policy – A Social Dilemma ?“ – Zu Beginn ihres Vortrags stellte sie eine treffende Definition vor: „ Social Dilemma [is] a group of individuals that must decide how to share a common ressource while balancing short-term self-interests against long-term group-interests.“.

Im Laufe des Vortrags wurde sich der Frage gewidmet, ob Klimapolitik ein soziales Dilemma darstellt, das heißt welche Schwierigkeiten von Entscheidungen Akteure in Bezug auf den Klimawandel bewältigen müssen. Dabei muss entschieden werden, wie die Ressource Klima gemeinsam genutzt werden kann, um ebenfalls ein Gleichgewicht zwischen Einzel- und Gruppeninteresse zu erhalten.

Spezialisiert auf den Wirtschaftsbereich präsentierte Prof. Karen Pittel verschiedenste ökonomische Modelle zur Kooperations- und Handlungsfähigkeit von Akteuren, wie zum Beispiel die Game Theory und das Prisoners Dilemma. Als Studenten aus einem anderen wissenschaftlichen Fachbereich ermöglichte uns dies einen neuen Blickwinkel auf die Thematik. Hierbei erwies sich als besonders interessant, dass die Umsetzungen von Handlungen zur Klimawandelbewältigung mehrere ökonomische, aber auch soziale Schwierigkeiten bergen.

Das liegt daran, dass zum einem Entscheidungen ein hohes Maß an Komplexität aufweisen. Diese werden meist durch viele Faktoren wie zum Beispiel soziale Normen, Aberglaube, „Warm Glow“ und direkte, wie auch indirekte wechselseitige Beziehungen beeinflusst. In der Forschung existieren deshalb eine Vielzahl von Modellen, die versuchen den Prozess der Entscheidungsfindung darzustellen. Dabei ergibt sich ein Problem, da diese davon ausgehen, dass die Entscheidung rein rational getroffen wird. Da dies in der Realität nicht der Fall ist, erweist sich die Umsetzung der Modelle als schwierig.

Unserer Meinung nach ist in Bezug auf den Klimawandel die rationale Entscheidungsfindung besonders problematisch, da der Faktor des Verantwortungsgefühles eine besondere Rolle spielt. Zusätzlich besteht zwischen Verantwortungsgefühl und tatsächlicher Handlung eine große Disparität, die überwunden werden muss.

Erschwerend kommt hinzu, dass es viele verschiedene heterogene Akteure gibt, die in unterschiedlichem Ausmaß handeln. Dabei ist die gemeinsame globale Zusammenarbeit gegen den Klimawandel meist zu gering und schwer umzusetzen. Daher wäre es wünschenswert einen globalen Entscheidungsträger, wie beispielsweise eine Institution oder eine Art ‚Klimagremium‘ zu entwickeln um effektiver gegen den Klimawandel vorzugehen und diesen komplexen Prozess zu vereinfachen. In Anbetracht der Heterogenität der Nationen erweist sich dieses Szenario leider als sehr unwahrscheinlich. Nur mit der Freiwilligkeit zum Handeln aller Nationen ist dies umzusetzen.

[Anna Wenzel & Katharina Csillak]

30. Mai 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero | Kein Kommentar »
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