Meine Menstruation, mein Studium

Beitrag & Bild von Kathrin Mengis

Ich versuche zu studieren, aber es fällt mir unglaublich schwer, fühle mich körperlich schwer. Möchte einfach nur schlafen, die Decke über den Kopf ziehen und auf Pause drücken. Gleichzeitig ist der innere Kritiker gerade besonders laut und schreit mich an, wenn ich mich ausruhen möchte. Von einem Tag auf den anderen habe ich mit unglaublich vielen Ängsten zu kämpfen. Bin unzufrieden mit meiner Leistung und mache mir Sorgen über meine berufliche Zukunft, meine Beziehungen, meine Äußerlichkeiten. Alles wird infrage gestellt. Seufzend beuge ich mich wieder über meine Lektüre und frage mich, warum plötzlich so wenig Energie und dafür so viel Traurigkeit und Sorge in mir steckt.

Dankbarkeit überkommt mich, dass ich mittlerweile älter bin und Antworten auf diese Fragen gefunden habe. Dass ich durch die Universität, Kunst, Menschen, Bücher, Medien so viel über  mich und meinen Zyklus gelernt habe.

Manchmal macht es mir Angst, wie sehr mein Zyklus und damit meine Hormone meine Laune beeinträchtigen können. Doch schlimmer war die Angst vor dem Ungewissen, vor dem Unverständnis gegenüber den körperlichen und emotionalen Veränderungen. Es hat lange gedauert bis ich verstanden habe, dass die Veränderungen mit meinem Eisprung und somit mit meiner zweiten Zyklushälfte einhergehen. Als ich das erste Mal von PMS, dem Prämenstruellen Syndrom, gehört hatte, war ich unglaublich erleichtert. Da sich nach einem Eisprung äußerlich nichts in meinem Leben änderte, war ich ratlos gegenüber den innerlichen Veränderungen. Ich war nicht verrückt und das Monster in meinem Kopf hatte einen Namen. Mit dem erhöhten Bewusstsein kam die Bildung. Gerade in Skandinavien wird zu dem Thema Menstruation viel Bildungsarbeit geleistet. Das Ziel ist, das Thema zu enttabuisieren und Vorurteile mit Wissen zu ersetzen. Umso besser man den eigenen Körper und die eigenen Bedürfnisse versteht, kann man danach handeln. Mittlerweile trage ich mir meine Periode in meinen Kalender ein und versuche bewusst die Woche vor meiner Menstruation nicht komplett zu verplanen, um Raum für Ruhepausen zu haben.

In Vorbereitung auf diesen Text stöberte ich durch mein E-Mail-Postfach und erinnerte mich an eine Mail, die ich während meines Studiums kurz vor meiner Menstruation verfasste:

Am 20.11.2018 um 11:24 schrieb Kathrin Mengis (über HU-Moodle):
Liebe/r X,
leider ging es mir körperlich und emotional die letzten Tage nicht gut, sodass ich weder das Lesetagebuch hochgeladen habe, noch an der Sitzung am Montag teilnehmen konnte. Ich bitte dies zu entschuldigen und werde selbstverständlich die Lektüre und die Sitzung bis nächste Woche Nacharbeiten.
Vielen Dank für das Verständnis und bis nächste Woche,
Kathrin

Liest man diese Zeilen, wirken die Worte sehr abgeklärt. Trotzdem fühle ich mich verantwortlich, wenn ich durch meine Menstruation Termine nicht wahrnehmen kann. Das liegt nicht an meinem verständnisvollen Umfeld, sondern viel mehr an mir selbst. Ich möchte funktionieren, ich möchte etwas leisten. Muss ich das? Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass menstruierende Personen jeden Monat bluten und manchmal mehr, manchmal weniger emotionale und physische  Schmerzen haben. Dann sollte es doch auch eine Selbstverständlichkeit sein, dass man offen darüber redet, was einem in diesen Tagen nicht möglich ist, aber auch was einem hilft.

Während dem Schreiben dieser letzten Worte halte ich inne. Sollte es nicht unabhängig von der Menstruation eine Selbstverständlichkeit sein, dass man offen über Bedürfnisse und Probleme spricht? Schließlich können nur so Veränderungen geschehen und Unterstützung erfolgen. Doch es fällt schwer, so ehrlich zu sein, sich so verletzlich zu zeigen. Meine Erfahrungen haben mir jedoch gezeigt, dass es sehr hilfreich sein kann, den inneren Konflikt nach außen zu tragen, sich gegenseitig zu öffnen. Vielleicht möchte es jemand von euch ja mal versuchen?

(25.05.21)

21. Februar 2022 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied
Veröffentlicht unter Archiv 2021
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