UB Blog

# 3 Bücherwege: Zeugnisse einer behördeninternen Säuberung im Nationalsozialismus – Bücher und Broschüren aus der Bibliothek des Polizeiinstituts für Technik und Verkehr

Am 19. Oktober 1933 akzessionierte die Universitätsbibliothek der Friedrich-Wilhelms-Universität einen kleinen Bestand von belletristischen Werken und staatspolitischen Schriften unter dem Lieferanteneintrag „Vom Leiter des Landesamts f. Luftschutz auf Ministerialerlass v. 14.6.33. – II F. 88 b. Nr. 7/3.–“.

Von den einstmals zehn Titeln sind heute noch neun im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums vorhanden. Wie in anderen Fällen beschlagnahmter Literatur existiert im Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu der Schenkung des Landesamts für Luftschutz ein Schriftwechsel. Er enthält unter anderem eine Angebotsliste. Wie die Notizen auf dem Schreiben zeigen, wählte die Universitätsbibliothek aus dieser Titel aus, die sie noch nicht besaß oder in einem zweiten Exemplar besitzen wollte.

Abb. 1 und 2: Angebotsliste des Leiters des Landesamts für Luftschutz, Technik und Verkehr an die Universitätsbibliothek Berlin, 6.10.1933.

Wenige Tage nach Erhalt des Angebotsschreibens bat Otto Leunenschloss, der stellvertretende Direktor der Universitätsbibliothek, um die Zusendung der gekennzeichneten Werke.

Abb. 3: Schreiben der Universitätsbibliothek an den Leiter des Landesamts für Luftschutz mit der Liste der erwünschten Literatur, 11.10.1933.
Abb. 4: Stempel des Polizeiinstituts für Technik und Verkehr mit Standortnummer (Sign: FB 447-7)

Mit einer Ausnahme findet sich in den Büchern oder Broschüren ein runder Besitzstempel mit der Umschrift „Polizeiinstitut für Technik und Verkehr. Berlin. Bücherei“, in der Mitte ein nicht bekrönter auffliegender preußischer Adler, der in dieser Gestalt auf zahlreichen Behördenstempeln der 1920er Jahre erscheint.

Leider kann im Rahmen der Provenienzforschung der Frage, in welchem Verhältnis das Polizeiinstitut zum Landesamt für Luftschutz stand, nicht weiter nachgegangen werden. Ein Blick in die Berliner Adressbücher gibt immerhin Aufschluss darüber, welche Einrichtungen sich an der Golßener Straße in Berlin-Kreuzberg befanden: Für 1933 ist hier das Polizeiinstitut für Technik und Verkehr eingetragen; in der Ausgabe für 1934 erscheinen stattdessen die Technische Polizeischule und die Luftschutz- und Luftpolizeischule. Dass eine Umstrukturierung stattgefunden hatte, von der die technische Ausbildungsstätte der Berliner Polizei betroffen war, bezeugt ebenfalls der Briefkopf der in den Akten der Universitätsbibliothek enthaltenen Schreiben. Die Zeile des Absenders ist teilweise ausgeixt und überschrieben. So wurde aus dem Absender „Präsident des Polizeiinstituts für Technik und Verkehr“ der „Leiter des Landesamts für Luftschutz, Technik und Verkehr“. Es ist anzunehmen, dass diese Veränderungen Auswirkungen auf die Bibliothek des Polizeiinstituts hatten.

Abb. 5: Begleitschreiben des Leiters des Landesamts für Luftschutz, Technik und Verkehr bei der Zusendung der gewünschten Bücher an die Universitätsbibliothek, 17.10.1933. Briefkopf.

Wie oben erwähnt, vermerkte die Universitätsbibliothek in der Lieferantenspalte des Akzessionsjournals nicht nur den Schenkgeber, das Landesamt für Luftschutz, sondern gab darin auch die Rechtsgrundlage der Schenkung an. Der „Ministerialerlass v. 14.6.33. – II F. 88 b. Nr. 7/33.–“ des Preußischen Ministeriums für Justiz ist im Wortlaut dem archivierten Schriftwechsel mit dem Landesamt für Luftschutz beigefügt. Demnach war es schon vor dem 14. Juni 1933 zu ungeregelten Eingegriffen in die Bibliotheksbestände der Polizeibibliotheken gekommen. Unter der Überschrift „Büchereien der Schutzpolizei“ verpflichtete der Runderlass nunmehr die jeweiligen Dienststellenleiter zu einem einheitlichen Vorgehen. Grundlegend war dabei die Unterteilung der Polizeibibliotheken in Fachbüchereien – Offiziers- und Lehrerhandbibliotheken – und sogenannte Wohlfahrtsbüchereien. Letztere durften ohne Zugangsbeschränkungen von den gewöhnlichen Polizeibeamten aufgesucht werden. Diese behördeninternen, allgemein genutzten Wohlfahrtsbüchereien galt es, laut Erlass, „frei von Schund […], der die nationale Grundhaltung und die Sitten ungünstig beeinflusst,“ zu halten „und mit dem gehaltvollen Kulturgut der nationalen Bewegung auszubauen“. Die auf diesem Wege ausgeschiedene Literatur sollte zunächst daraufhin geprüft werden, ob sie in die Fachbüchereien, auch anderer Dienststellen, in die Bibliothek des Ministeriums der Justiz oder in die Höhere Polizeischule in Eiche übernommen werden konnte. Wenn dies nicht der Fall war, sollte „der verbleibende Restbestand“ den zuständigen Universitätsbibliotheken in Preußen angeboten und bei Ablehnung vernichtet werden. Der Umgang mit verbotener Literatur in den Polizeidienststellen wies durchaus Parallelen zu den Eingriffen in den Bestand öffentlicher Bibliotheken auf.

Ein Blick auf die Angebotsliste verdeutlicht, welche Ziele das NS-Regime mit dem Erlass vom 14. Juni 1933 verfolgte. Aus den Polizeibibliotheken sollte die Literatur jüdischer, politisch missliebiger und pazifistischer Autoren, die bislang zur Bildung und zur anspruchsvollen Unterhaltung in den Polizeibibliotheken bereitgestanden hatte, eliminiert werden. Ebenso sollten politische Bücher und Broschüren, die in Loyalität zur Weimarer Republik verfasst worden waren, aus der Reichweite der Polizeibeamten entfernt werden. Schriften, in denen die Funktionsweise des demokratischen Staats erläutert und die Aufgaben, die der Polizei in diesem zukamen, definiert wurden.

Abb. 6: Roland Dorgelès: Die hölzernen Kreuze. Übers. von Tony Kellen u. Erhard Wittek. Horw-Luzern, Stuttgart, Leipzig: Montana-Verl., [1930]. Innenseite des vorderen Buchdeckels mit Klebeetikett und Klappentext (Akzessionnummer D1933.238 / Signatur Xz 25311’18’).

#Bücherwege – Provenienzforschung an der UB

Die Universitätsbibliothek untersucht derzeit ihre zwischen 1933 und 1945 zugegangenen Bücher auf Erwerbungskontexte, die auf beschlagnahmte, geraubte und erpresste Bestände in der NS-Zeit hinweisen. Die Verdachtsmomente werden flächendeckend erfasst, indem die erhaltenen Originalbestände und Erwerbungsakten systematisch durchgesehen werden. Ziel ist es, unrechtmäßige Erwerbungen zu dokumentieren und an die Anspruchsberechtigten und ihre Nachkommen zurückzugeben. Das Projekt wird bis 2024 durchgeführt und vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste gefördert.

________________________

Quellen

________________________

Verfasst von: Dr. Cornelia Briel

Workshop “Open Access und wissenschaftliches Publizieren für Forscher:innen”

Die Universitätsbibliothek und Berlin Universities Publishing laden ein zu einen eintägigen Workshop am 10.07.2023, auf dem Forscher:innen Aspekte rund um das wissenschaftliche Publizieren und Open Access lernen und vertiefen können. Es werden Themen wie die Umsetzung von Open Access in der Praxis, Förderung und Finanzierung, Publikationsprozesse, Qualitätssicherung, Urheberrecht und Lizenzen, Sichtbarkeit und Renommee vermittelt. Der Workshop findet am 10.07.2023 von 9:00 bis 17:30 Uhr im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Eine vorherige Registrierung ist erforderlich. Mehr über den Workshop erfahren und anmelden : https://www.berlin-universities-publishing.de/termine/2023-07-10-ttr-workshop.html

2. Juni 2023 | Veröffentlicht von Dr. Ulrike Schenk | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Open Access

20 Jahre jung, zentral auf dem Campus Adlershof und Vorbild für das Grimm-Zentrum: das Erwin-Schrödinger-Zentrum

Vor 20 Jahren, am 19. Mai 2003, wurde das Erwin-Schrödinger-Zentrum (ESZ) feierlich eingeweiht: wir begehen dieses Jubiläum mit einer kleinen Ausstellung im Vorraum der Zweigbibliothek Naturwissenschaften.

Nachdem schon 1998 mit der Informatik das erste Institut nach Adlershof gezogen war und in den folgenden Jahren die Mathematik, Chemie und Physik nach Adlershof kamen, markierte die Eröffnung dieses zentralen Hauses einen wichtigen Meilenstein für diesen Campus. Zum Wintersemester war der Campus Adlershof dann mit dem Umzug von Geographie und Psychologie für die Humboldt-Universität vorerst vollständig.

Der Festakt am 19. Mai 2003 mit Grußworten aus Politik, von Wista und IGAFA, dem Festvortrag des Nobelpreisträgers Klaus von Klitzing und unter Beisein von Ruth Braunizer, einer Tochter von Erwin Schrödinger und seine Nachlassverwalterin, trug diesem Meilenstein Rechnung.

Service aus einer Hand – nach diesem Leitbild wurde das Erwin-Schrödinger-Zentrum als erster Neubau in Deutschland errichtet, der die Integration der Servicedienstleistungen von Bibliothek und Rechenzentrum, dem Computer- und Medienservice der HU (CMS), in einem öffentlichen Bereich zum Ziel hatte. Die Thesen des Kolloquiums “Die Bibliothek der Zukunft – Planungen zu einem Informations- und Kommunikationszentrum in Adlershof”, das am 11. Oktober 1995 die konzeptionelle Grundlage für das Erwin-Schrödinger-Zentrum und später auch für das Grimm-Zentrum legte, haben kaum ihrer Bedeutung nachgelassen: die umfassende Informationsversorgung auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen und technischen Lösungen ist und bleibt die zentrale Aufgabe von Bibliotheken und Rechenzentren.

6 in 1 – die Gründung einer neuen Bibliothek

Nicht nur die Zusammenarbeit mit dem CMS war für die Bibliothekslandschaft der HU eine Innovation, auch die Zusammenlegung kleiner Bibliotheken zu größeren Standorten begann mit der Zweigbibliothek Naturwissenschaften. Die Zweigbibliotheken Chemie, Geographie, Mathematik und Informatik, Physik, Psychologie und die Zentrale Fachbibliothek für Umwelt der IGAFA wurden im Laufe des Jahres zu einer großen Bibliothek zusammengeführt. Die Vorbereitungen liefen schon über viele Jahre vorab, z.B. durch die Etablierung eines einheitlichen Signaturensystems und gipfelten während des Umzugs darin, dass die Mitarbeitenden der Umzugsfirma die Bücher und Zeitschriften nicht nur von einem Standort zum nächsten bringen mussten, ohne die Reihenfolge zu verändern, sondern die Bestände ineinander sortierten. Mancher Mitarbeiter der Umzugsfirma war am Ende der Arbeiten souveräner im Umgang mit den Signaturen als die Kolleg:innen der Bibliothek: die Stellkontrolle vor Öffnung der Bibliothek korrigierte nur wenige Buchstandorte.

Technisch aktuell, immer serviceorientiert

In den letzten 20 Jahren konnte das Haus immer seinem Anspruch treu bleiben, als zentrales Gebäude auf dem Campus Adlershof ein Ort des Austausches, der Kommunikation und der Wissensvermittlung zu sein. Unzählige Lehrveranstaltungen, Konferenzen und Weiterbildungen haben hier stattgefunden, das Café ist beliebter Aufenthaltsort und die Angebote von UB und CMS ergänzen sich zu einer umfassenden Informationsversorgung. Während beim Bau des Hauses eine umfangreiche Ausstattung mit Arbeitsplätzen für das digitale Arbeiten noch das Ideal vieler Bibliotheken war, wandeln sich die Ansprüche der Nutzenden beständig. Waren die Stehrechner im Foyer und der Cafeteria in den ersten Jahren so beliebt, dass sich in den Pausen oftmals kleine Schlangen bildeten, wurde ihre Funktion inzwischen fast vollständig von Smartphones und privaten Laptops und Tablets übernommen. Der PC-Pool wird kaum noch als regelmäßiger Arbeitsort von Personen ohne eigenen PC benötigt und ist daher umgerüstet worden, um digitale Prüfungen zu ermöglichen. Auch die fünf Gruppenarbeitsräume können den Bedarf in den Prüfungsphasen kaum noch decken. UB und CMS arbeiten daher an mehreren Projekten, die noch im Jubiläumsjahr viele Arbeitsplätze und Räume weiter an die aktuellen Bedürfnisse anpassen.

Ausstellung: Kurioses und Überraschendes: Objekte aus 20 Jahren ESZ

Die technische Entwicklung in den letzten 20 Jahren ging rasend voran: wissen Sie (noch), was eine PCMCIA-Karte ist und warum sie von der Benutzerberatung des CMS in den ersten Jahren an Laptop-Nutzer:innen verliehen wurde? Oder dass schwere Elektromagneten für die Buchausleihe und -rücknahme benötigt wurden? Dass die Möglichkeit, eine DVD zu brennen, zu den technischen Highlights gehörte und noch Disketten als Beilage zu Büchern verliehen wurden? Wieviele Einkaufswagenchips die Bibliothek hatte und warum sie sie verliehen hat?

Diesen und vielen anderen Erinnerungen aus 20 Jahren Erwin-Schrödinger-Zentrum geht eine Ausstellung im Vorraum der Bibliothek nach, die am 19. Mai eröffnet wird. Kommen Sie vorbei und staunen Sie über Fakten, Kurioses und Objekte aus 20 Jahren.

Und wenn Sie sich darüber hinaus für die Entwicklung von Adlershof interessieren: die Dauerausstellung “10 Luftbilder aus 20 Jahren” im PC-Saal und dem Lesesaal nimmt Sie mit auf eine Zeitreise zwischen 1994 und 2014.

Willkommen zum Sommersemester 2023

Wir begrüßen alle Studierenden, die zum Sommersemester an der Humboldt-Universität ein Studium aufnehmen.

Das Grimm-Zentrum, der größte Standort der Universitätsbibliothek, bietet Ihnen zu Semesterbeginn die Möglichkeit, eine Führung vor Ort zu besuchen und sich mit den örtlichen Begebenheiten und den Nutzungsmodalitäten vertraut zu machen.

Besuchen Sie auch gerne unsere Workshop- und Webinarangebote zu Recherche-Themen und Literaturverwaltungsprogrammen. Vor allem für einige Erstsemester dürfte auch unser Workshop „Meine erste Hausarbeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften“ interessant sein. Bei Interesse bitte schnell sein – die Teilnehmerzahl ist limitiert, da der Workshop vor Ort stattfindet.

Sollten Sie sich für Führungs- und Schulungsangebote an anderen Bibliotheksstandorten interessieren, prüfen Sie bitte die jeweiligen Angebote vor Ort unter „Führungen/Schulungen“.

Wer lieber auf eigene Faust und zeitlich unabhängig unsere Standorte kennenlernen möchte, kann dies mittels der App Actionbound machen. Für fünf UB-Standorte – das Grimm-Zentrum, den Campus Nord, die Zweigbibliotheken Fremdsprachliche Philologien, Naturwissenschaften und Musikwissenschaft – haben wir sogenannte „Bounds“ im Angebot.

Jeden Mittwoch um 13:00 Uhr finden ab dem Semesterstart auch wieder unsere kurzen virtuellen Coffee-Lectures statt, in denen Sie sich ganz bequem per Zoom zu Themen rund um das wissenschaftliche Arbeiten und den universitären Alltag informieren können.

Vor Ort stehen wir Ihnen zu den Servicezeiten für Auskünfte zur Verfügung. Gerne können Sie uns auch telefonisch kontaktieren unter 2093-99370 oder per Mail an info@ub.hu-berlin.de.

Wir wünschen einen guten Semesterstart und ein erfolgreiches Sommersemester 2023!

Ihre Universitätsbibliothek

Abb.: Sabine Tschorn
17. April 2023 | Veröffentlicht von Dr. Ulrike Schenk | Kein Kommentar »

Eingeschränkter Betrieb der Fernleihe

Aufgrund einer technischen Umstrukturierung in der KOBV-Zentrale ist vom 28.03. bis einschließlich 04.04.2023 keine Fernleihe möglich. Der KOBV wird für diese Zeit abgeschaltet sein.
Das heißt, in dieser Woche können keine Neubestellungen aufgegeben und auch keine Fernleihen oder Aufsatzbestellungen bereitgestellt werden.
ACHTUNG: Medien, für die Sie bereits eine Bereitstellungs-E-Mail erhalten haben, können Sie wie gewohnt an der Servicetheke abholen.

Sollten Sie dringend Literatur oder Aufsatzkopien benötigen, haben Sie jedoch weiterhin die Möglichkeit, den externen Dienstleister Subito zu nutzen.
Beachten Sie hier bitte auch unsere Angebote für HU-Mitarbeitende:
https://www.ub.hu-berlin.de/de/nutzung-und-services/fernleihe-und-dokumentlieferung/dokumentlieferdienst-subito

Bei Fragen können Sie uns gerne kontaktieren: fernleihe@ub.hu-berlin.de

15. März 2023 | Veröffentlicht von Dr. Ulrike Schenk | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Dokumentlieferung/Fernleihe

#2 Bücherwege: Provenienzforschung an der UB

Die Angebote der Ortspolizeibehörden an die Universitätsbibliothek – beschlagnahmte Literatur im Geschäftsgang

In der zweiten Hälfte des Jahres 1934 und zu Beginn des Jahres 1935 erhielt die Universitätsbibliothek der Friedrich-Wilhelms-Universität – heute Humboldt-Universität – von nachweislich sechs preußischen Ortspolizeibehörden das Angebot, in deren Besitz befindliche beschlagnahmte Literatur zu übernehmen. In den Gemeinden war es jeweils der Bürgermeister, der als Ortspolizeibehörde fungierte. Die Universitätsbibliothek der Berliner Universität profitierte hier von einem Erlass des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934. Dieser Erlass regelte die Abgabe und Verteilung von Literatur, die bei den gewaltsamen Übergriffen der Nationalsozialisten auf ihre politischen Gegner geraubt oder aufgrund der im Frühjahr und Sommer 1933 erlassenen Gesetze über den Einzug kommunistischen und sogenannten volksfeindlichen Vermögens beschlagnahmt worden war.

Zehn Monate zuvor, am 24. Mai 1933, hatte der Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, Hugo Andres Krüß, aus einen Artikel im Berliner Tageblatt erfahren, dass große Mengen sogenannter Zersetzungsliteratur bei der Berliner Polizei lagerten und in Bälde vernichtet werden sollten. Um das Interesse der Preußischen Staatsbibliothek an dieser Literatur geltend zu machen, wandte er sich umgehend an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Als Bibliothek mit einem universalen Sammelspektrum sollte die Preußische Staatsbibliothek Belegexemplare aus der Menge der zur Vernichtung bestimmten Druckerzeugnisse beanspruchen dürfen. Ihre Erwerbungsabteilung erhoffte sich, auf diesem Weg in den Besitz von Grauer Literatur, also von Literatur, die nicht in einem Verlag erschienen war, zu gelangen, da ihr Pflichtexemplarrecht sich naturgemäß nicht auf diesen Bereich erstreckte. Im Fall, dass die Titel in den Beständen der Preußischen Staatsbibliothek schon vorhanden waren, sollten die Polizeibehörden ihre Angebote an die nächstgelegene Universitätsbibliothek weiterleiten. Als die Regelungen im Frühjahr 1934 vom Preußischen Finanzministerium erlassen wurden (am 16. Juli 1934 wurde der Erlass noch einmal abgeändert), war jedoch ein großer Teil der geraubten Bücher und Druckschriften bereits an der NS-Hierarchie nahestehende Interessenten verteilt, makuliert oder verbrannt worden.

Dementsprechend sind auf den Angebotslisten der Ortpolizeibehörden jeweils nur wenige Titel verzeichnet. Im Universitätsarchiv befinden sich fünf solcher Schriftwechsel mit lokalen Polizeibehörden, und zwar mit jenen in Cottbus, Königs Wusterhausen, Hennigsdorf, Reetz in der Neumark und Falkenberg (Mark). Für den Zugang aus der Gemeinde Gassen in der Niederlausitz existiert kein Schriftwechsel, sondern nur eine Eintragung im Akzessionsjournal Dona (Geschenke) 1934.

Drei der Absender – die Amtsvorsteher in Königs Wusterhausen, Hennigsdorf und Falkenberg – beschied die Bibliotheksleitung negativ. Die angebotenen Druckschriften waren bereits vorhanden oder kamen für die Universitätsbibliothek nicht in Frage, heißt es in den Antwortscheiben. Mit der abschlägigen Antwort wurden auch die Titellisten zurückgeschickt, so dass die darin aufgeführten Schriften noch weiteren Bibliotheken angeboten werden konnten.

Von den acht angeforderten und in den Akzessionsjournalen Dona 1934 und Dona 1935 verzeichneten Werken sind heute noch sieben im Bestand des Grimm-Zentrums vorhanden; lediglich der 1923 erschienene und von Arnold Zweig eingeleitete Band mit den poetischen Schriften Georg Büchners aus Gassen musste als Verlust benannt werden. Von den  sieben erhaltenen Werken lassen sich einzig die von der Ortspolizeibehörde in Cottbus zugesandten »Spartakusbriefe« aufgrund des Stempels »Kommunistische Partei Deutschlands. Ortsgruppe Cottbus« einer bestimmten Organisation zuordnen. Zwei weitere Bücher, eines aus Cottbus und eines aus Reetz, sind mit einem Namenszug gekennzeichnet. Recherchen dazu stehen noch aus. Die übrigen tragen keinen Besitzvermerk.

Meist, aber nicht immer, ist bei den beschlagnahmten Werken ein thematischer Bezug zu den linken politischen Parteien oder Organisationen gegeben. So ist, obwohl die SPD in dem Anschreiben des Bürgermeisters von Reetz nicht erwähnt wird, aufgrund der Titel zu vermuten, dass die Besitzer der Werke der SPD angehörten oder zumindest nahestanden.

Schreiben des Bürgermeisters von Reetz (Neumark) als Ortspolizeibehörde an die Universitätsbibliothek der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, 17.1.1935, Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin, UB 01, Nr. 667.

Wie die Bleistiftvermerke in der Liste zeigen, wurde bei jedem Titel geprüft, ob die Bibliothek bereits ein entsprechendes Exemplar besaß.

Ausschnitt aus dem Schreiben vom 17.1.1935 mit den Signaturen
der in der Universitätsbibliothek bereits vorhandenen Titel.

Daraufhin forderte der Direktor der Bibliothek Gustav Abb die noch nicht im Bestand vorhandenen Titel an.

Antwortschreiben von Gustav Abb an den Bürgermeister von Reetz, 1.2.1935, Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin, UB 01, Nr. 667.

Eine Woche später waren die nunmehr zugesandten Schriften in den Bestand aufgenommen.

Ausschnitt aus dem Akzessionsjournal der Universitätsbibliothek der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin Dona/Pflicht/Tausch für das Haushaltsjahr 1934, Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin.

Sofern sie als verbotene Literatur galten, wurden sie, wie der rote Klebezettel auf dem Schutzumschlag von „Das Jungbanner“ erkennen lässt, in einem gesonderten Abschnitt des Magazins aufgestellt und waren von der allgemeinen Benutzung ausgeschlossen.

Schutzumschlag von D 1934.875 mit rotem Klebeetikett, das auf die gesonderte Aufstellung im Magazin verweist.
Umschlag des Donums D 1934.875.

Der Vorgang um die beschlagnahmten Schriften aus Reetz veranschaulicht, dass die Universitätsbibliothek Berlin mit beschlagnahmter Literatur ebenso verfuhr wie mit anderen eingehenden Geschenken. Wenn die angebotenen Titel noch nicht vorhanden waren und in das Sammelspektrum passten, wurden sie als willkommene Ergänzung des Bestands aufgenommen. Mit Zweitexemplaren belastete sich die Bibliothek ungern, es sei denn, dass sie als Tauschexemplare von Nutzen sein konnten.

#Bücherwege – Die Universitätsbibliothek untersucht derzeit ihre zwischen 1933 und 1945 zugegangenen Bücher auf Erwerbungskontexte, die auf beschlagnahmte, geraubte und erpresste Bestände in der NS-Zeit hinweisen. Die Verdachtsmomente werden flächendeckend erfasst, indem die erhaltenen Originalbestände und Erwerbungsakten systematisch durchgesehen werden. Ziel ist es, unrechtmäßige Erwerbungen zu dokumentieren und an die Anspruchsberechtigten und ihre Nachkommen zurückzugeben. Das Projekt wird bis 2024 durchgeführt und vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste gefördert.

Quellen

  • Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin, UB 01, Nr. 667.
  • Akzessionsjournale der Universitätsbibliothek (https://www.digi-hub.de/viewer/image/1455693378356/48/)
  • Sören Flachowsky: Die Bibliothek der Berliner Universität während der Zeit des Nationalsozialismus, Berlin 2000.
  • Cornelia Briel: Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet. NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945, Berlin 2013.

Verfasst von: Dr. Cornelia Briel

6. März 2023 | Veröffentlicht von Sabine Tschorn | Kein Kommentar »

Lange Nacht der Hausarbeiten 02.03.2023 – Aufschreiben statt Aufschieben

Nach den Klausuren zum Semesterende beginnt für viele auch immer die Zeit der Seminar- und Hausarbeiten und die nächsten Deadlines stehen bevor.

Um Sie dabei zu unterstützen, veranstaltet die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität am Donnerstag, den 02. März von 17-22 Uhr die „Lange Nacht der Hausarbeiten“. Mit einem vielfältigen Angebot an den Standorten Grimm-Zentrum und Campus Nord wollen wir Ihnen helfen, mögliche Stolpersteine, die einem beim Abfassen einer wissenschaftlichen Arbeit im Weg liegen können, zu überwinden.
In verschiedenen Workshops und Schulungen können Sie sich Input holen zu den Themen Schreibblockaden, Struktur und roter Faden, erhalten Tipps zur effizienten Literaturrecherche, erfahren, wie man richtig zitiert und wie einem Literaturverwaltungsprogramme das Leben erleichtern können.

Zusätzlich bieten wir die Möglichkeit, im Rahmen einer Schreibzeit unter Verwendung der Pomodoro-Methode konzentriert an Ihrem Schreibprojekt zu arbeiten.

Gerne beantworten wir Ihre Fragen und sorgen mit einem Tässchen Kaffee für das nötige Durchhaltevermögen.

Die Teams am Campus Nord und im Grimm-Zentrum freuen sich auf Sie!

Das Programm sowie die genauen Veranstaltungsorte finden Sie auch auf unserer Webseite unter: https://link.ub.hu-berlin.de/lange-nacht

22. Februar 2023 | Veröffentlicht von Sabine Tschorn | 2 Kommentare »
Veröffentlicht unter Allgemein, Schreiben, Veranstaltung

Love Data Week 2023 – für alle, die sich für Forschungsdaten interessieren!

Vom 13. bis zum 17. Februar 2023 findet wieder die internationale Love Data Week statt und nicht nur die Humboldt-Unversität, sondern Einrichtungen aus ganz Deutschland beteiligen sich mit einem bunten Programm.

In dieser Woche dreht sich alles um den Umgang mit Forschungsdaten. Erfahren Sie z.B. mehr über den Umgang mit Datenmanagementplänen, die Software OpenRefine oder die unterschiedlichen FDM-Service-Angebote an der HU.

Begleiten Sie Professor Torsten Hiltmann bei einer Live-Aufzeichnung des Podcast “Wie die Geschichte digital wird” oder lernen Sie mit Lego® spielerisch mehr über reproduzierbare Forschung (ohne eigene Steine zu benötigen).

Logo der Love Data Week in Deutschland. Text: Love Data Week in den Farben Grau, Schwarz, Rot, Gold. Das "o" in "Love" ist als rotes Herz gestaltet.

Viele Einrichtungen aus Berlin, Brandenburg und deutschlandweit bieten zusammen ein abwechslungsreiches Angebot –  von kompakten Coffee Lectures zu Expertenvorträgen bis hin zu interaktiven Workshops.

Das Programm richtet sich an alle Interessierten, meist sind keine Vorkenntnisse nötig.

Falls Sie das neugierig gemacht hat, dann schauen Sie doch vorbei – fast alle der fast 90 Veranstaltungen bundesweit werden online angeboten.

Das gesamte Programm finden Sie unter: hu.berlin/lovedataweek23

Das Programm in Berlin und Brandenburg: https://fdm-bb.de/love-data-week-2023/

Das deutschlandweite Programm: http://love-data-week.de

P.S.: Keine Zeit? Die Kolleg:innen der HU-Forschungsdatenmanagement-Initiative beraten das ganze Jahr über und bieten verschiedene Informationsveranstaltungen und Schulungen zu Forschungsdatenmanagement an.

Zur Übersicht der Schulungen gelangen

Text: Love Data Week 2023 in Berlin und Brandenburg und deutschlandweit. 13.-17. Februar. Darunter die Logos der teilnehmenden Einrichtungen.
7. Februar 2023 | Veröffentlicht von Anja Herwig | 1 Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein, Forschungsdaten, Veranstaltung

Statt Amazon und Co.: Fernleihe und Dokumentlieferung an der Humboldt-Universität

Vielleicht ist es Ihnen auch schon einmal passiert: Sie benötigen Literatur für Ihre Hausarbeit und das Buch ist nicht in der Universitätsbibliothek vorhanden. Oder für die Forschungsarbeit braucht es nur noch eine Quellenangabe, doch die Zeitschrift ist nur im Ausland nachgewiesen. Vielleicht haben Sie auch einen Hinweis auf den wichtigen Aufsatz für Ihre Lehrveranstaltung bekommen, aber der Sammelband ist nicht aufzufinden. Was nun?

Bevor Sie das Buch selbst kaufen, bieten wir Ihnen diverse Optionen.

Eine Möglichkeit wäre zunächst, zu versuchen, das Buch per Anschaffungsvorschlag für die Bibliothek kaufen zu lassen. 

Für alles Weitere ist das Team der Dokumentlieferung für Sie da. Literatur, die Sie nicht an der Humboldt-Universität finden, bestellen wir für Sie aus anderen Bibliotheken – wenn nötig sogar weltweit. Egal ob ganze Bücher, Teilkopien oder Aufsätze aus Zeitschriften … Wir bemühen uns um eine schnelle Lieferung.

Was müssen Sie dafür tun?

Zunächst recherchieren Sie selbstständig im Verbundkatalog KOBV (Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg) nach Ihrem Titel. Hier finden Sie sämtliche Bestandsnachweise der Bibliotheken in Berlin und Brandenburg, sowie alle weiteren Verbünde Deutschlands.

KOBV: https://www.kobv.de/

Gibt es einen Treffer, können Sie über den Verbund Ihre Bestellung aufgeben. Hierfür müssen Sie in der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität registriert sein. Hinzu kommt eine Bearbeitungsgebühr von 1,50 EUR.[1]

Sobald der Titelwunsch bei uns eingeht, bemühen wir uns nach Kräften, Ihre Bestellung zügig zu bearbeiten. Die Lieferzeit (i.d.R. 1-2 Wochen) ist dabei abhängig vom Status des gewünschten Mediums sowie der Bearbeitungszeit der Lieferbibliothek. Sofern das Buch oder der Aufsatz geliefert werden kann, wird die Literatur für Sie in der Bibliothek bereitgestellt.

Eine Alternative zur Fernleihe bietet der externe Dienstleister Subito. Innerhalb von drei Werktagen liefert der Dokumentlieferdienst Zeitschriftenaufsätze sowie Teilkopien aus Büchern direkt zu Ihnen nach Hause, sowohl per E-Mail, Fax oder über den Postversand. HU-Mitarbeitende haben die Möglichkeit, kostenfrei über ein sog. „Subkonto“ Zeitschriftenaufsätze zu bestellen. Alle weiteren Informationen zu den Kosten und der Bestellung sowie das Antragsformular für das Subkundenkonto finden Sie auf unserer Website:

https://www.ub.hu-berlin.de/de/nutzung-und-services/fernleihe-und-dokumentlieferung/dokumentlieferdienst-subito 

Wir sind stets daran interessiert Ihre Wünsche zu erfüllen. Nicht immer ist dies möglich. Sollten Sie hier Nachfragen haben oder Hilfe bei der Bestellung benötigen, können Sie uns gerne kontaktieren.

Wir unterstützen Sie bereits bei der Recherche und helfen Ihnen, wenn Sie nicht sicher sind, wie die gewünschte Literatur zu beschaffen ist. Auch zu bereits getätigten Bestellungen geben wir Ihnen gerne Auskunft. Sie können uns entweder per E-Mail oder telefonisch erreichen. Möchten Sie lieber direkt mit uns sprechen, bieten wir Ihnen zwei Mal pro Woche eine Sprechstunde an, sowohl vor Ort als auch online.

Alle Informationen dazu finden Sie auf unserer Website:

https://www.ub.hu-berlin.de/de/nutzung-und-services/fernleihe-und-dokumentlieferung

Bild: Pixabay

[1] Diese Gebühr wird immer erhoben, selbst wenn die Bestellung nicht geliefert werden kann. Wir empfehlen eine umfassende Recherche vor jeder Bestellung.

Natalie Schlottke

17. Januar 2023 | Veröffentlicht von Dr. Ulrike Schenk | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Dokumentlieferung/Fernleihe

Frohes Fest und ein gesundes Neues Jahr wünscht Ihnen die Universitätsbibliothek

2022 war das Jahr der Bescherung für Open Access
Mit Berlin Universities Publishing ging der neue Universitätsverlag der vier Einrichtungen der Berlin University Alliance an den Start, der sich gänzlich Open Access verschrieben hat. Der Open-Access-Preis der Humboldt-Universität zu Berlin, der vor zwei Jahren von der UB ins Leben gerufen wurde, hat sich mit der erneuten Vergabe und Ausschreibung etabliert. Das formulierte Ziel von 60% Open Access haben die Berliner Universitäten inzwischen erfolgreich erreicht – über die zwei Wege des Open-Access-Publizierens mittels Erstveröffentlichungen und Zweitveröffentlichungen – auch bekannt unter den Farben Gold und Grün, die themengerecht unsere diesjährige Weihnachtskarte schmücken. Auch der Ausblick ins kommende Jahr lässt uns frohlocken, werden uns doch im September 2023 die in Berlin stattfindenden Open-Access-Tage bereichern.

Wir wünschen Ihnen frohe Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr!

Bitte beachten Sie, dass alle Standorte der Universitätsbibliothek vom 24.12.2022 bis 01.01.2023 geschlossen bleiben.

Layout: Zeynep Sayman
22. Dezember 2022 | Veröffentlicht von Dr. Ulrike Schenk | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Open Access