Eindrücke von einem Workshop an der British Library
Die Bezeichnung „Library Lab“ hat sich offenbar etabliert. Prominente Beispiele wie Harvard Library Lab, ETH Library Lab oder British Library Labs scheinen dies zu belegen. Auch wenn die Auffassungen im Detail von einander abweichen mögen, lässt sich mit diesem Sammelbegriff durchaus ein allgemeiner Trend fassen: Ein Arbeits- und Experimentierraum, der es ermöglicht, die von Bibliotheken zugänglich gemachten digitalen Dokumente bzw. Sammlungen nicht nur zu betrachten, sondern mit digitalen Werkzeugen und Techniken so zu bearbeiten, dass neue Erkenntnisse (und neue Daten) entstehen.
An der British Library fand am 13. und 14. September 2018 im Rahmen des Projektes „British Library Labs“, gefördert von der Andrew W. Mellon Foundation, der Workshop „Building Library Labs“ statt, an dem 76 VertretererInnen aus mehr als 40 internationalen Einrichtungen teilnahmen. Neben vielen Nationalbibliotheken (z.B. Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Lettland, Litauen, Norwegen, Österreich, Quatar, Schottland, USA) und Universitätsbibliotheken (nicht zuletzt die der Humboldt-Universität, vertreten durch das FuReSH-Projekt) waren darunter auch Staatsbibliotheken, öffentliche Bibliotheken und natürlich digitale Bibliotheken wie die Europeana.
Mehrere TeilnehmerInnen äußerten sich erstaunt darüber, dass weltweit so viele Bibliotheken mit dem Aufbau sogenannter Library Labs befasst sind. Der Londoner Workshop bot daher eine passende Gelegenheit gemeinsame Themenfelder und Infrastrukturentwicklungen zu identifizieren. In einem im Vorfeld erhobenen Survey (n = 40) unter den TeilnehmerInnen wurden zunächst die primären Aktivitäten und Ziele erhoben, die mit einem bereits gegründeten oder geplanten Library Lab angestrebt werden. Dabei steht der Zugang zu digitalen Sammlungen an erster Stelle, gefolgt von der Schaffung und Aufbereitung neuer digitaler Inhalte. Bereits an dritter Stelle steht die Komptenzvermittlung von digitalen Methoden und Werkzeugen, wie sie im Fokus des FuReSH-Projektes stehen.
In einer Reihe von Blitzvorträgen wurden zahlreiche solcher digitalen Werkzeuge vorgestellt. Das Spektrum reichte von 3D-Imaging für chinesische Orakelknochen (British Library) über das Tool „SMURF“ mit dem die Sprachentwicklung in dänischen Zeitungen seit dem 18. Jahrhundert visualisiert werden kann (Dänische Königliche Bibliothek) bis hin zu einer kuratierten Kollektion historischer Examensprüfungen aus Schottland (National Library of Scotland).
Über die Frage, ob ein Library Lab neben einem digitalen Webauftritt hinaus auch über einen physischen Raum verfügen sollte, herrschte Uneinigkeit. Dem Survey kann man entnehmen, dass ziemlich genau die Hälfte einen solchen physischen Raum in der Konzeption vorsieht. Bei den Zielgruppen ergab sich ein buntes Bild, das neben den obligatorischen Forschenden auch das Bibliothekspersonal, SoftwareentwicklerInnen, Entrepreneure, KünstlerInnen sowie die allgemeine Öffentlichkeit mit einbezieht. Damit bestätigt der Workshop den bereits in den FuReSH-Interviews gewonnenen Trend, dass Library Labs – wie sie mit der Idee der Scholarly Makerspaces konzeptioniert werden – vor allem auch außerakademische Zielgruppen erschließen können und sollten.