Aufgrund häufigerer Anfragen und auch als Vorbereitung des FuReSH-Workshops am 27.02.2019 stellen wir in diesem Blogbeitrag eine kurze Übersicht zur Idee der Scholarly Makerspaces anhand von drei für das Konzept maßgeblichen Aspekten vor. Rückmeldungen und Anmerkungen sind selbstverständlich sehr willkommen.
Herausforderungen
Die besonders durch das Feld der “Digital Humanities” getriebene Entwicklung digitaler Forschungs-, Kommunikations- und auch Lehrpraxen in den Geisteswissenschaften führen unbestreitbar zu einer Transformation der wissenschaftlichen Arbeit. Diese stellt wie jede Transformation eine erhebliche Herausforderung für die betroffenen Bereiche dar
Drei Felder spielen dabei aus unserer Sicht eine besondere Rolle:
- Methodologische Verschiebungen (Forschungstheorie)
- Werkzeug- und Technologiebindung (Forschungspraxis)
- Datafizierung des Forschungsmaterials (Forschungsdaten)
Diese drei Bereiche stehen notwendig in Wechselwirkung zueinander.
Als Folge sind konkrete Veränderungen auch auf dem Feld der Forschungsagenden und damit zusammenhängend der Forschungsfragen und Erkenntnisziele einerseits und der wissenschaftlichen Kommunikation andererseits zu beobachten
Für die von dieser Transformation berührten Bereiche der Wissenschaft, zu denen die Fachkulturen, die Lehre sowie die Wissenschaftsinfrastrukturen und dabei insbesondere das wissenschaftliche Bibliothekswesen gehören, müssen auf verschiedenen Ebenen Lösungen gefunden werden, um den Gestaltungsanspruch einlösen zu können. Bei diesen geht es in der Regel um eine Integrierbarkeit der neuen digitalen Facetten in der Wissenschaftspraxis mit den bestehenden Strukturen und akademischen Handlungsformen bzw. -zielen. Vier Aspekte scheinen uns dabei besonders wichtig:
- wissenschaftliche Kommunikation – Es zeichnet sich ab, dass die etablierten und sich als sehr stabil erweisenden Kommunikationsstrukturen der wissenschaftlichen Communities kaum mit einem Forschungsoutput in Übereinstimmung bringen lassen, wie er für die digitale Forschung typisch, teils auch wesentlich ist. (strukturierte Daten, Enhanced Publications, Mikropublikationen, offene Publikationen)
- Wissenschaftsorganisation – Organisationsstrukturen der Wissenschaft, beispielsweise auch innerhalb der Hochschulen, unterstützen bisher häufig nicht die Durchlässigkeit, organisatorische Flexibilität und Interdisziplinarität, die im Zuge der Transformation erforderlich werden und die für deren gezielte Gestaltung und Steuerung notwendig erscheinen.
- wissenschaftliche Anerkennung – Forschungsformen insbesondere der Digital Humanities können oft nur schwer mit bestehenden Reputationszuschreibungsstrukturen der Fachdisziplinen harmonisiert werden. Häufig ist ein zusätzlicher Übersetzungs- und Anpassungsschritt erforderlich, der jedoch im Gegenzug die Potentiale digitaler Forschung weitgehend abschwächt bis ausblendet.
- Lehre – Studierende werden in der Regel nicht oder nicht systematisch mit den Anforderungen und Möglichkeiten digitaler geisteswissenschaftlicher Forschung vetraut gemacht. Eine Auseinandersetzung mit digitalen Forschungsmethoden erfolgt daher nur punktuell und ist häufig vor allem aus einem individuellen Interesse Studierender und Lehrender motiviert.
Lösungsansatz
Wir schlagen das Konzept der Scholarly Makerspaces vor, um die oben benannten Herausforderungen zu adressieren und damit einen so niedrigschwelligen wie wirksamen Gestaltungsansatz für die Transformation im der digitalen Forschung in den Geisteswissenschaften anzubieten. Die Scholarly Makerspaces werden als Erweiterung der Angebote einer Hochschulbibliothek verstanden. Im Kern stehen die Prinzipien der Zugänglichkeit, der Systematisierung und der Vernetzung
Zugänglichkeit bedeutet, dass die Scholarly Makerspaces ein offener Raum für alle Nutzer*innen der Universitätsbibliothek, also vor allem Studierende, Lehrende, Forschende, mit der Hochschulorganisation befasste sowie zum Teil auch externe Interessierte (Stichwort Bürgerwissenschaft) sein sollen. Die allgemeine Nutzung ist nicht an Auflagen oder konkrete Zielstellungen gebunden und betont explorative Ansätze und das Konzept der Serendipität. Die Scholarly Makerspaces werden als physischer Raum mit Workstations, Kommunikations- und Schulungsmöglichkeiten, als Kontakt- und Beratungsstelle sowie als digitale Materialsammlung angeboten.
Die Systematisierung bezieht sich auf den inhaltlichen Kern des Angebotes. In einem auf Verfahren des Wissensmanagements und der bibliothekarisch-dokumentarischen Erschließung aufsetzenden Ansatz werden alle Kompenenten der digitalen geisteswissenschaftlichen Forschung erfasst, erschlossen und vermittelt, also rezipierbar präsentiert. Dies umfasst Zugänge
- zum Material,
- zu Verfahren und Werkzeugen zur Organisation des Materials (z.B. als Forschungsdatenmanagement,
- zu Methoden,
- zu methodologischen Grundlagen,
- zu Analyse- und Verarbeitungswerkzeugen und Nutzungskompetenzen,
- zu Aufbereitungs- und Darstellungslösungen für Forschungsergebnisse und -materialien,
- zu Weiterbildungs- und Schulungsmöglichkeiten,
- zu Publikationsstrukturen,
- zu Peers und anderen Akteuren.
Das Angebot wird als navigier- und erweiterbare Wissensbank mit kuratorischer und redaktionaller Aufbereitung geplant. Es wird digital bereitgestellt und soll ausdrücklich eigenständig als Orientierungshilfe, Nachschlageangebot und zur Weiterbildung genutzt werden können. Bestehende Angebote werden erschlossen, verknüpft, vermittelt und nach Möglichkeit integriert.
Dies leitet auf das Prinzip der Vernetzung hin. Scholarly Makerspaces sollen lokale Anlaufpunkte für die digitale geisteswissenschaftliche Forschung und Lehre sein. Sie werden daher selbst aktiv und dienen den unterschiedlichen Stakeholdern – Nutzer*innen, Fachcommunities, Publikationswesen etc. – als Verknüpfungspunkt und als Schnittstelle zwischen den lokalen Aktivitäten und denen im übergeordneten Feld der digitalen geisteswissenschaftlichen Forschung. Damit wird es auch den entsprechenden Forschungscommunities und Akteuren ermöglicht, bei Bedarf über diese Schnittstelle in die lokalen Communities zurückzuwirken. Zugleich können lokale Erfahrungen systematischer in einen übergreifenden Diskurs zur digitalen Geisteswissenschaft eingebracht werden.
Warum lokal?
Die Einrichtung eines entsprechenden Anlaufspunktes, Kompetenzzentrums und Arbeitsbereiches innerhalb einer Hochschulbibliothek ergibt sich aus den benannten Grundprinzipien der Scholarly Makerspaces. Es soll auf der Ebene der einzelnen Einrichtung ein direkter Anschluss an die Lehre und Forschung vor Ort sowie lokale Anforderungen und Bedarfe ermöglicht werden. Die Scholarly Makerspaces bündeln dabei auch entsprechende Beratungsmöglichkeiten z.B. zum fachspezifischen Forschungsdatenmanagement, elektronischen Publizieren, Einbindung digitaler Elemente in die Lehre oder auch der Vorbereitung und Unterstützung von Förderanträgen und Forschungsplanungen.
Darüberhinaus sind Hochschulbibliotheken traditionell Kompetenzzentren für die Bereitstellung von Forschungsmaterial. Dazu unterstützt sie bereits jetzt beispielsweise im Bereich der Open-Access-Beratung Publikationsaktivitäten. Mit den Scholarly Makerspaces kann dies von der organisatorisch-konzeptionellen Ebene auch auf die der technischen Kompetenzen erweitert werden. Während traditionell die Vermittlung von Publikationen und wissenschaftlicher Kommunikation im Mittelpunkt stand, wird dies nun auch auf Forschungsdaten, Werkzeuge sowie Nutzungs- und Verständniskompetenzen, also in Richtung Data- und Tool-Literacy ausgedehnt. Je spezifischer die Ansprüche, desto wichtiger wird es, Vermittlungsstrategien in Kooperation mit den jeweiligen Fächern, also den Instituten und Fakultäten und abzustimmen. Mit den Scholarly Makerspaces ergeben sich dadurch Möglichkeiten einer verstärkten Wechselwirkung zwischen Lehre, Forschung und Bibliothek im jeweiligen konkreten Hochschulzusammenhang.
Gerade über die Integration mit der Lehre wird ein übergreifende Kompetenzvermittlung zum Verständnis und der Beurteilungsfähigkeiten in Bezug auf digitale Forschung angestrebt. Die Scholarly Makerspaces zielen ausdrücklich nicht etwa nur auf unmittelbare Nutzungsfähigkeiten für bestimmte Werkzeuge, sondern zugleich betont auch auf die Vermittlung von Metawissen und die Anregung methodologischer Reflexion bei den Studierenden, Promovierenden und Lehrenden sowie wo nachgefragt und sinnvoll auch Forschenden und Akteuren der Hochschulorganisation. Beides ist für ein erfolgreiches Navigieren und Entscheiden im Zuge der beschriebenen Transformation notwendig und hilft im Idealfall, entsprechende Entwicklungen der digitalen Wissenschaft systematisch und damit wissenschaftsadäquat hochschulweit und auch darüber hinausreichend zu fördern und zu prägen
(Berlin, 19.02.2019)