Katholizismus als Hoffnung?
Die Einstellungen eines Mitgliedes der katholischen Jugend zu Klima, Natur und Umwelt unterstützt durch auto-ethnographische Überlegungen
Hanna Schwarz[1]
Based on an interview conducted with a member of the Catholic youth community from the Marienkirche Cottbus, an attempt was made to address the questions of what attitudes this member of the Catholic youth community has towards climate, nature and the environment. In addition, auto-ethnographic considerations were conducted, since I have personal experiences in this field.
„Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.“
Die Bibel, Altes Testament, Genesis, 1.Mose 1,26
Dieses Bibelzitat zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen hörte ich persönlich schon als Kind im Gottesdienst. Erst viel später wurde mir bewusst, worum es dabei überhaupt ging. Ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen und regelmäßig sonntags in die Kirche gegangen. Dabei wurde viel gepredigt, wovon ich das meiste nicht verstand. Als ich älter wurde, interessierte ich mich sehr für Klimaschutz und Umweltbewusstsein und bezog dieses Interesse aber nie auf meine katholische Erziehung. Erst in dem Seminar „Vorstellungen von Natur und Klima in religiösen, spirituellen und sozialen Bewegungen“ der Berliner (Europäischen) Ethnologin Inga Scharf da Silva stellte ich mir die Frage, ob mein Interesse nicht doch auf Grund meines religiösen Hintergrundes ausgelöst oder zumindest unterstützt wurde, denn Bibelstellen wie 1 Mose 1:26 liefen mir im Laufe von Religionsstunden und Themenabenden immer wieder über den Weg. Um dieser Frage genauer auf den Grund zu gehen, wollte ich auch andere junge Menschen befragen, die der katholischen Kirche angehören.
Die Eingliederung dieser Thematik in die vorhandene wissenschaftliche Forschung fällt schwer, da kaum passende Forschung dazu vorhanden ist. Christine Aka begründet dies damit, „dass Religiosität in der Volkskunde bisher ein Dasein als Nischenthema gefristet habe und erst durch das gestiegene Medieninteresse wieder in den Fokus gerückt sei“ (Radermacher 2014:387). Diese Lücke in der Forschung entstand laut Rademacher durch die Skepsis, ob Spiritualität Auswirkungen für kulturelle oder soziale Verhaltensweisen mit sich bringt (ebd.). Genau diese Aussage wird versucht in diesem Beitrag zu behandeln und somit zu der Forschung beizutragen.
Meine Vorgehensweise, um diesem Thema zu begegnen, setzt sich aus einer autoethnographischen Herangehensweise im Rahmen einer kulturanthropologischen Feldforschung und einem geführten Interview mit einem Mitglied der katholischen Jugend, in dem die Methode des öffentlichen Bilder Analysierens angewandt wurde, zusammen (vgl. Falk 2014:212 ff.).
Bilder sind für die Forschung im Allgemeinen ein sehr ergiebiges Untersuchungsfeld. Dabei gibt es vor allem zwei Wege, anhand von Bildern Forschung zu betreiben: Entweder können eigene Bilder zum Forschungszweck hergestellt werden oder bereits vorhandene Bilder analysiert bzw. sie von Proband*innen analysiert werden lassen (ebd.:212). In meiner hier beschriebenen Feldforschung wird die zweite Methode verwendet. Demnach habe ich einer Probandin Bilder gezeigt und sie diese in einem bestimmten Kontext interpretieren lassen. Die Forschung mit Hilfe von Bildern kann sowohl qualitativ als auch quantitativ geschehen. Ich habe mich für die qualitative Form entschieden, da diese mir für meine kulturanthropologische Feldforschung und mein Thema passender erschien. Die Auswahl der Methode sollte immer nach dem Erkenntnisinteresse an dem jeweiligen Forschungsthema gewählt werden (ebd.). Eine Methode der Bildanalyse ist die Ikonologie.
„Bei der ikonologischen Analyse stellt sich die Frage, vor welchem Hintergrund und mit welchem Erkenntnisinteresse etwas verglichen wird, ob dieser vergleichende Blick berechtigt ist und was für Gefahren sich dabei ergeben können. Sie kann aber auch das Auge schärfen für wirkmächtige Bildtraditionen, welche die Wahrnehmung eines Bildes oft unbewusst prägen.“ (Francesca Falk 2014:214)
Dabei ist zu beachten, dass unsere Wahrnehmung immer kulturell und sozial geprägt ist. In meiner Forschung wird einem Mitglied der katholischen Jugend Bildern des Klimawandels und der Zerstörung der Natur gezeigt. Die Interpretation bzw. die Reaktion auf diese Bilder ist durch ihr Aufwachsen, ihr Umfeld und ihre im Laufe des Lebens gesammelten Erfahrungen geprägt. Dies muss der interviewenden Person bewusst sein. Dabei gilt dies nicht nur für bildliche Quellen. Auch schriftliche Quellen können von jeder Person auf Grundlage ihres Hintergrundes unterschiedlich interpretiert werden (ebd.:216).
Außerdem sollte die Intention der Produzent*innen solcher Bilder beachtet werden. In meinem Fall kann gegebenenfalls Mitleid durch ein Bild mit einem Eisbären bei der betrachtenden Person für die Tiere und ihre Situation ausgelöst werden. Dabei ist es jedoch wichtig, welchen Wissensbestand die Rezipient*innen besitzen, um dieses Bild nach der Intention der Produzent*innen interpretieren zu können. Wenn in meinem Fall die interviewte Person noch nie etwas vom menschengemachten Klimawandel gehört hat, würde diese das Bild ganz anders interpretieren als es die Intention der Produzent*innen und meiner im Interview war. Somit muss man sich in der Forschung immer auf das gegenüber einlassen und flexibel in den verwendeten Methoden bleiben (ebd.)
Interview
Das Interview wurde am 24. Januar 2022 mit einem Mitglied der katholischen Jugend der Gemeinde zum Guten Hirten in Cottbus geführt. Dabei wurde zunächst zur Einleitung das Bibelzitat 1 Mose 1:26 vorgelesen und damit zur Frage hingeführt, was das Herrschen über die Welt für den Menschen mit sich bringt.
„Naja, also zum Beispiel manchmal bringt es gute Sachen mit sich, aber manchmal finde ich es auch ein bisschen…naja blöd, dass wir über die Tiere bestimmen und sie manchmal nicht so gut behandeln wie auch die Natur und so.“ (Teilnehmer 1, Cottbus, 24.1.2022)
Diese Äquivalenz der Rolle des Menschen für die Welt zieht sich durch das gesamte Interview. Mit Hilfe von drei Abbildungen, welche die interviewte Person zuerst beschreiben und dann ihren Stadtpunkt zu den Bildern darstellen sollte, wurde das Interview geführt, in dem sich Beschreibungen für die drei Bilder von der interviewten Person ergaben:
1. Bild
„Also im gesamten sieht man erstmal einen Berg und einen Baum und dann den Himmel; aber auf der linken Seite des Bildes. Also das Bild ist so ein bisschen getrennt, sieht man den Baum, der ganz verdorrt ist und der Berg, wo auch keine Wiese ist, wo alles ausgetrocknet ist und schlechtes Wetter so, mit Wolken und dann auch so Gewitter oder so was könnte ich mir vorstellen. Auf der rechten Seite ist halt die schöne Wiese, ein schöner Baum, der gesund aussieht und schöne strahlende Sonne.“ (Teilnehmer 1, Cottbus, 24.1.2022)
2. Bild
„Also man sieht: Der im Vordergrund hat sehr viel Eis und auch im Hintergrund man sieht das Wasser. Man sieht halt drei Eisbären. Eine Mama, denke ich mal. Und zwei kleine.“ (Teilnehmer 1, Cottbus, 24.1.2022)
3. Bild
„Also hier sieht man erst mal den Ozean, denke ich mal, wie der voller Plastikmüll und sowas ist.“ (Teilnehmer 1, Cottbus, 24.1.2022)
Nach dem Betrachten dieser Bilder reflektiert die interviewte Person die Rolle des Menschen in diesen Szenarien. Dabei wird klar, dass die Menschen außer durch die Regulierung des Wildbestandes nach der Meinung der interviewten Person negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben. Dabei wird die Massentierhaltung, die Ausrottung und das Aussterben von verschieden Tierarten angesprochen, genauso wie die Abholzung der Wälder, der menschengemachte Klimawandel und die Verschmutzung der Meere durch Plastikproduktion. Die interviewte Person stellt sich eine Welt ohne Menschen wie folgt vor:
„Wenn keine Menschen auf der Welt gelebt hätten, würde halt die Welt den Tieren gehören und der Natur und nichts würde kaputt gehen, nichts wäre der Klimawandel. Den Klimawandel würde es nicht wirklich geben. Irgendwie, alles wäre, alles würde wuchern und schön aussehen. Die Wälder wären nicht abgeholzt, da könnten noch Tiere leben und so.“ (Teilnehmer 1, Cottbus, 24.1.2022)
Diese Einstellungen und Aussagen wurden immer in Bezug auf alle Menschen getätigt. Die Beeinflussung dieser Einstellung mit Hinblick auf die Mitgliedschaft in der katholischen Jugend wurde dadurch noch nicht ermittelt.
Auf die Frage, ob katholische Menschen auf Grundlage ihrer Religion umweltbewusster oder klimafreundlicher leben, wurde von der interviewten Person zum einen geantwortet, dass durch die Regeln in der Kirche die Menschen noch einmal darauf hingewiesen werden, wie die Natur behandelt werden soll, was bei den Atheist*innen nicht der Fall ist. Zum anderen war die interviewte Person der Meinung, dass trotz Mitgliedschaft in der katholischen Kirche die Menschen nicht grundsätzlich umweltfreundlicher sind.
„Ich finde Menschen sind Menschen. Das hat doch nicht so viel mit der Religion zu tun. […] Es gibt Menschen, die das halt machen. Menschen, die das halt nicht machen. Das ist dann egal, ob sie Atheisten oder Katholiken sind. Auch wenn es in der Bibel steht, dass das so ist. Es ist vom Menschen abhängig, was die für Richtungen haben und so, wie sie es finden.“ (Teilnehmer 1, Cottbus, 24.1.2022)
Diese Wortwolke entstand aus den Antworten der interviewten Person nach dem Ausblenden von Binnenwörtern wie „und“ oder Artikeln wie „die“. Dabei fällt auf, dass das Personalpronomen „ich“ am häufigsten verwendet wurde. Dies kann der Tatsache geschuldet sein, dass bei dem Interview vor allem nach der persönlichen Meinung der Probandin gefragt wurde. Im Hinblick auf die behandelte Beziehung zwischen Menschen und Natur bzw. Umwelt kann das Personalpronomen „ich“ auch als Symbol gesehen werden, dass der Mensch sich selbst im Mittelpunkt der Welt sieht.
Persönlicher Kommentar
Auf Grund meiner eigenen katholischen Erziehung setzte ich mich gleichfalls mit den im Interview gestellten Fragen auseinander und versuchte meine persönliche Einordung in einem Kommentar darzustellen.
Ich denke, dass es zwischen unterschiedlichen religiösen/spirituellen und sozialen Gruppen sowohl Unterschiede als auch Ähnlichkeiten in den Vorstellungen über Natur und Klima gibt.
Durch eine Erziehung in den unterschiedlichen religiösen/spirituellen und sozialen Gruppen kann das Verhältnis zu Natur und Klima früh geprägt werden. Meist glauben religiöse/spirituelle Gruppen an eine Verbundenheit mit der Erde oder daran, dass ihnen aufgetragen wurde, über die Erde zu herrschen und sie zu pflegen. Dadurch müssten eigentlich viele Menschen, die diesen Gruppen angehören, sich für die Erde und was mit ihr geschieht verantwortlich fühlen und sich somit auch umwelt- bzw. klimafreundlich verhalten. Ich denke, dass es bei vielen Menschen auch der Fall ist. Andererseits sind Mitglieder solcher Gruppen auch normale Mitglieder der allgemeinen Gesellschaft und sind somit wie alle anderen auch allen vorhandenen Reizen ausgesetzt. Daher gibt es meiner Meinung nach auch Menschen dieser Gruppen, die sich nicht umwelt- bzw. klimafreundlich verhalten. Ich denke, dass verschiedene Gruppen eine Richtung in Bezug auf Ansichten und Verhaltensweisen zu verschiedenen Themen weisen können, die Mitglieder entscheiden aber immer noch selbstständig wie ausgeprägt sie dieser Richtung folgen.
(Hanna Schwarz, 12.12.2021. Dieser Text wurde im Hinblick auf die im Folgenden dargestellten Fragen als erste Hypothese verfasst, die am Anfang des Seminars „Vorstellungen von Natur und Klima in religiösen, spirituellen und sozialen Bewegungen“ gestellt wurde: Gibt es Ähnlichkeiten oder gibt es Unterschiede in den Vorstellungen über Natur und Klima in religiösen/spirituellen und sozialen Gruppen im zeitgenössischen Kontext in Berlin? Oder gibt es Überschneidungen in den Imaginationen? Was für Argumente könnte es dafür geben? Berufen sie sich auf gleiche oder ähnliche oder gänzlich unterschiedliche Quellen?)
Fazit
In diesem Beitrag wurde versucht, eine Variante darzustellen, wie sich die katholische Religion auf Einstellungen bezüglich des Klimas, Natur und Umwelt auswirken kann. Dabei wurde festgestellt, dass es auf den einzelnen Menschen ankommt und wie dieser sich in welchem Ausmaße beeinflussen lässt unabhängig von der Religion.
Selbstverständlich ist dies nur eine kleine Forschung, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat. Dennoch wurde eine legitime Auffassung eines Mitgliedes der katholischen Kirche zu Klima, Natur und Umwelt dargestellt und versucht einzuordnen. Die Utopievorstellung der Probandin, von einer Welt ohne Menschen, in der alles wuchern und schön aussehen würde, erinnert an das christliche Paradies und ist vielleicht wieder die Zukunft der Welt, wenn der Mensch sich selbst auf Grund von umwelt- und klimaschädigenden Verhalten von der Welt vertreibt.
Literatur:
Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. (2017). Deutsche Bibelgesellschaft.
FALK, Francesca (2014): „Öffentliche Bilder analysieren“. In: Bischoff, Christine / Oehme-Jüngling, Karoline / Leimgruber, Walter (Hg.): Methoden der Kulturanthropologie. Bern: Haupt, Seite 212-222.
RADERMACHER, Martin (2014): „Volksfrömmigkeit im Gewand moderner Esoterik? Problematisierung volkskundlicher und religionswissenschaftlicher Begriffsfelder“. In: Schöne, Anja / Groschwitz, Helmut (Hg.): Religiosität und Spiritualität. Fragen, Kompetenzen, Ergebnisse. Münster: Waxmann, S. 387–403.
[1][1] Hanna Schwarz studiert Sachkunde, Deutsch und Mathematik auf Lehramt für Grundschulen an der Humboldt Universität zu Berlin.