Die erste Vorlesung innerhalb der Ringvorlesung „Humboldts Fußabdruck. Forschen für Nachhaltigkeit“ am Donnerstag, den 23. April, gab einen ersten Einblick in das weite Feld der Nachhaltigkeitsforschung und stellte besonders stark die Notwendigkeit für Analysen und Innovation in diesem Themengebiet heraus. Unter dem Titel „Nachhaltigkeit – schillernder Begriff oder Paradigma für einen neuen Forschungsmodus“ brachte Geographin Prof. Antje Bruns den Studierenden den Begriff Nachhaltigkeit, seine Verwendung und verschiedene wissenschaftliche Ansätze näher.
Globale Mega-Trends, wie demographischer Wandel und rapide Urbanisierung, treiben die steigende Ressourcennutzung massiv an. Gleichzeitig herrscht neben dem Druck auf die Natur durch Ressourcenausbeutung allerdings auch zunehmende soziale Spannungen durch globale Ungleichverteilung und Ungerechtigkeit. Nachhaltige Entwicklung ist für diesen Problemkomplex ein vielversprechendes Ziel. So sollen beispielsweise die Sustainable Development Goals der UN Armut bekämpfen und gleichzeitig die natürliche Lebensgrundlage der Menschen erhalten (https://sustainabledevelopment.un.org/topics/sustainabledevelopmentgoals).
Diese lebensermöglichende Basis durch Funktionen der Ökosysteme wird beispielsweise im Millennium Ecosystem Assessment analysiert (http://www.unesco.de/wissenschaft/biosphaerenreservate/biologische-vielfalt/mea.html). Der Bericht folgt dabei dem Konzept der Ökosystemdienstleistungen, wobei der Nutzen, den die Menschen aus den Ökosystemen ziehen, in verschiedenen Kategorien ermittelt wird. Dieser Ansatz kann beispielsweise auch ein höheres Bewusstsein für die Zerstörung von Ökosystemen schaffen, da den Ökosystemdienstleistungen monetäre Werte zugeschrieben werden können. So ist es möglich sich den tatsächlichen Kosten eines zerstörten oder degradierten Ökosystems zu nähern und mentale Wertsteigerung zu initiieren.
Ein Ansatz wie der von Ökosystemdienstleistungen ist dabei bei Herangehensweisen der „starken Nachhaltigkeit“ einzuordnen. Er geht von einer Unersetzbarkeit von Naturkapital aus und vertritt eine ökozentrische Sichtweise. Klassische Modelle wie das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit bzw. das Dreieck der Nachhaltigkeit berücksichtigen hingegen die Ebenen Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichermaßen. Die Kritik, die sich diese Sichtweise stellen muss, ist jedoch, dass sie Substituierbarkeit der Elemente suggeriert. Die Degradierung der natürlichen Lebensgrundlage ist allerding in vielen Fällen schwerwiegend oder sogar irreversibel.
So ist es eine große Herausforderung für die Nachhaltigkeitsforschung, Wege hin zu sozialer Gerechtigkeit und Stabilität der Ökosysteme aufzuzeigen. Dazu müssen die komplexen Dynamiken in Mensch-Umwelt-System sowie die Interaktionen von globalen Prozessen in ökologischen und sozialen Dimensionen begriffen, analysiert und bewertet werden. Gleichzeitig stellen diese Prozesse auf verschiedenen Skalen sowie die Wechselwirkungen zwischen den Skalen eine große Aufgabe hinsichtlich der Nachfrage nach Prognosen und Projektionen für die Zukunft dar.
Wie verschiedene Disziplinen sich diesen Herausforderungen mit ihrer Fachexpertise, eventuell aber auch durch inter- und transdisziplinären Ansätze stellen, werden wir in Laufe der Vorlesungsreihe von den einzelnen RednerInnen erfahren.
[Constanze Werner]