Vom Schwarzbrot ökologischer Überlebenskunst

Der letzte Vortrag der Ringvorlesung wurde aus der Perspektive der Ethnologie auf nachhaltige Handlungsweisen gehalten. Eingeleitet hat Frau Scholze-Irrlitz mit einem kleinen Einblick in die Geschichte der Ethnologie an sich, wobei sie hier auf eine Ausstellung über Rousseau verwies, der von Lévi-Strauss, einem Ethnologen, als der Begründer der Disziplin beschrieben und gelobt wurde.

Darauf folge eine Erläuterung zum Begriff „sustineo“, (sustainability, Nachhaltigkeit). Dieser hat sowohl einen zeitlichen Aspekt, als „zeitlicher Ablauf“, als auch einen räumlichen, im Sinne von „standhalten“.

Danach ging es um die Idee der „Wiederherstellung eines Gleichgewichts“ vom Lebenszyklus des Menschen und der Natur, wobei dieses Gleichgewicht kulturell und regional anscheinend verschieden ist und es immer wieder zu einer Aushandlung dieser Balance kommen muss/sollte. Die Frage die sich hier stellt: Gibt oder gab es überhaupt einen solchen Zustand und muss er wieder hergestellt oder bewahrt werden?

Daran schloss sich eine Überlegung zum komfortablen Leben an, dass anscheinend nur möglich ist durch dauerhaftes Wachstum, welches erhalten werden muss. Wachstum wird damit auch als personeller Wachstum betrachtet, mit dem man sich heute identifiziert und damit einer Gruppe zuordnet. Diese Perspektive des dauerhaften Wachstums ist jedoch eine eher lineare Sichtweise, in der wertvolle soziale Erfahrungen keine Beachtung finden.

Nach dieser Einführung wurden zwei Beispiele aus der historischen Ethnologie genannt. Ersteres handelte von der Veränderung der landwirtschaftlichen Nutzung/Technik im nordöstlichen Oderbruch vor 200 Jahren. Hier spielten zwei Frauen, Mutter und Tochter von Friedland, eine tragende Rolle. Beide beschäftigten sich mitunter mit der Fruchtwechselwirtschaft. Dies geschah in einer Zeit, als die Bevölkerung anstieg, was eine Nachfrage nach Nahrung mit sich zog und somit die landwirtschaftlichen Techniken einer Optimierung bedurften, um diesen Bedarf zu decken.

Ein Fortschritt bestand mitunter darin, dass die Frauen die Feudallasten auf ihrem Gut abschafften, die damals noch als üblich galten und weit verbreitet waren. Die Mutter veränderte die Landschaft im Oderbruch gezielt und passte den Anbau an den Standort an. Ziel war es, letztendlich Nahrung für alle zu sichern. Die Mutter führte außerdem einen regen Briefwechsel mit Thaer, der sehr wahrscheinlich vor ihrem Schaffen große Achtung hatte, da er die Briefe sammelte und sie später an folgende Generationen weitervererbt wurden.

Vielleicht könnte man Nachhaltigkeit bei diesem Beispiel darin sehen, dass man alte Normen und Werte überdenkt, so wie die beiden Frauen es mit ihren neuen Ideen zur landwirtschaftlichen Nutzung eines bestimmten Raumes getan haben, um das Leben der Menschen zu verbessern, indem sie aber außerdem das Gleichgewicht der Natur nicht zu stören versuchten.

Als zweites Beispiel wurde Herr R. Thurnwald genannt, der eine Bevölkerungsgruppe in Papua Neuguinea erforschte und dabei das Reziprozität – Prinzip „entdeckte“. Ich verstand dies folgendermaßen: Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit bzw. das Gabeverhältnis in Beziehungen und sozialen Organisationen, ist die Voraussetzung für ein effektives Miteinander über einen längeren Zeitraum.

Vielleicht sollten wir daher die Vergangenheit nicht außer Acht lassen und sie als Inspiration, Warnung und wertvolles Wissen betrachten.

[Ina Fischer]

15. Juli 2015 | Veröffentlicht von nachhaltigkeitsbuero
Veröffentlicht unter Blog zu "Humboldts Fußabdruck"

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