„HU – wie nachhaltig willst du sein?“ – zur Diskussion dieser Frage lud die studentische Initiative Nachhaltigkeitsbüro an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) gemeinsam mit dem netzwerk n am 14. Dezember 2017 ein. Fünf Podiumsgäste aus unterschiedlichen Universitätsbereichen, darunter auch die Präsidentin der HU Prof. Dr. Sabine Kunst, haben gemeinsam mit dem Publikum über Projekte, Ideen und Strukturen für eine Kultur der Ermöglichung zum Thema Nachhaltigkeit debattiert. Dabei standen folgende Fragen besonders im Fokus: Wie hat sich die HU in den letzten Jahren im Themenfeld Nachhaltigkeit entwickelt? Welche Visionen lassen sich für eine zukünftige Entwicklung des Themas in den Bereichen Lehre und Betrieb zeichnen? Welche strukturellen Verankerungsmöglichkeiten sollten implementiert werden, um einen solchen Transformationsprozess zu stützen? Und auf welche Weise kann dabei das wichtige studentische Engagement unterstützt werden, um mit dessen Potential und Ideen aktiv den Gestaltungsprozess hin zu einer nachhaltigeren Uni fortzuführen?
Diese Fragen beschäftigen eindeutig nicht nur die etwa zehn aktiven Mitglieder der studentischen Initiative Nachhaltigkeitsbüro – im Auditorium des Grimm-Zentrums, in dem die Veranstaltung stattfand, blieb kaum ein Platz leer. Über 120 Besucher_innen waren anwesend um mitzuhören – und mitzudiskutieren. Denn während der gesamten Veranstaltung bestand für das Publikum die Möglichkeit, auf zwei zusätzlichen Stühlen auf dem Podium Platz zu nehmen und sich von dort aus aktiv in die Debatte einzumischen.
Kernbestandteil der Diskussion stellte das durch unsere studentische Initiative Nachhaltigkeitsbüro erarbeitete „Konzeptpapier für eine strukturelle Verankerung von Nachhaltigkeit an der Humboldt-Universität zu Berlin“ dar, in welchem Visionen für eine nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Lehre, Forschung, Betrieb und Governance gezeichnet sowie konkrete Umsetzungsschritte vorgeschlagen und zur Diskussion gestellt werden. Zugleich werden innerhalb des Papiers auch erste erfolgreiche Projekte und vielversprechende Ansätze vorgestellt, ob von Studierenden oder Mitarbeitenden der Universität. Dabei wird deutlich: Auch wenn unsere Universität, was das Thema Nachhaltigkeit angeht, erst am Anfang steht – sie fängt nicht bei Null an. Beispielsweise werden seit nunmehr viereinhalb Jahren Deutschlandstipendien in der Themenklasse „Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit“ vergeben, innerhalb derer im Laufe eines Jahres Projekte umgesetzt werden, welche aus einer Forschungsperspektive die HU hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und Aspekten globaler Gerechtigkeit in den Blick nehmen. Betreut wird diese Themenklasse vom IRI THESys, einem interdisziplinären Forschungsinstitut, das sich mit der Erforschung von Mensch-Umwelt-Beziehungen beschäftigt und damit Nachhaltigkeit als wichtiges Thema adressiert. Ein Blick in die Projektsammlung unserer Initiative zeigt des Weiteren, wie viel Kreativität und Stunden studentischen Engagements bereits in eine Vielzahl von Projekten geflossen sind, die „im Sinne der Nachhaltigkeit“ die Transformation einer riesigen Universität von verschiedenen Punkten angehen. Beispielsweise wird seit drei Jahren jeweils im Sommersemester eine Ringvorlesung durch unsere Initiative organisiert, zu der verschiedene Wissenschaftler_innen aus unterschiedlichen Disziplinen Vorlesungen halten und Diskussionen anregen. Jedes Jahr aufs Neue werden diese Ringvorlesungen von Studierenden verschiedenster Fachrichtungen gut besucht. Die Nachfrage ist groß, und mehr Lehrveranstaltungen in dieser Form zu organisieren, die zusammen ein Modul im überfachlichen Wahlpflichtbereich ergeben, ist ein großes Ziel unserer Initiative.
Sowohl im Zuge des Inputs unseres Initiativenmitglieds Rebecca Geyer wie auch in der anschließenden Diskussionsrunde bestätigte sich, dass es bereits auf Seiten von Studierenden und Mitarbeitenden der Universität vielversprechende Ansätze an der Humboldt-Universität zu Berlin gibt.
Neben der Präsidentin Sabine Kunst, über deren Kommen wir uns sehr gefreut haben, konnten die weiteren Podiumsgäste verschiedenste Perspektiven in die Debatte einbringen. Johannes Geibel, Vorstandsmitglied des netzwerk n und Mitglied der Nationalen Plattform Bildung für Nachhaltige Entwicklung, brachte seine Erfahrung aus der Arbeit an studentischen Nachhaltigkeitsprojekten verschiedener Universitäten in die Debatte ein und zeigte damit, dass Nachhaltigkeit auch in größeren Maßstäben implementierbar ist. Auch Andreas Wanke, Leiter der Stabsstelle Nachhaltigkeit und Energie der Freien Universität Berlin, konnte einiges über erfolgreiche universitäre Projekte zum Thema Nachhaltigkeit berichten. Die voranschreitenden Nachhaltigkeitsbestrebungen an einer ähnlich großen Universität wie der HU liefern ein gutes Beispiel dafür, wie eine große Bildungs- und Forschungsinstitution die mit ihrer Vorbildfunktion einhergehende Verantwortung in die Tat umsetzt und dabei sogar monetär wie physisch einiges an Ressourcen einspart. Josef Kaiser, Masterstudent der Geografie, setzt sich seit der Geburtsstunde des Nachhaltigkeitsbüros vor etwa viereinhalb Jahren dafür ein, dass das Projekt Nachhaltigkeit auch an der HU Berlin nicht nur ein ferner Traum bleibt, sondern unter der Beteiligung der Studierendenschaft wie auch der Mitarbeiter_innen Wirklichkeit im Universitätsalltag wird. Genau wie er ist auch Professorin Kirsten Meyer Mitglied des vom vorherigen Präsidenten Jan-Hendrik Olbertz und unserer Initiative initiierten, statusgruppenübergreifenden „Forums Nachhaltige Universität“. Jenes Forum tagte in der Vergangenheit regelmäßig, um eine Nachhaltigkeitsstrategie für die HU zu entwickeln, wurde jedoch leider nach dem Amtsantritt von Sabine Kunst im Mai 2016 zum letzten Mal im Dezember 2016 einberufen. Ein Ergebnis der Arbeit bis Mai 2016 war jedoch die Einstellung eines Energiemanagers, um so über die kommenden Jahre hinweg ein Monitoring aufzubauen und mögliche Einsparpotentiale auszumachen.
Ein Schwerpunkt der Diskussion lag auf dem Studium Oecologicum nach dem Tübinger Vorbild, für welches die bereits genannte Ringvorlesung einen wichtigen Startpunkt darstellt. Die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen sowie deren Bewerbung und Anrechnung kostet jedoch viel Zeit und Mühe. Um ein umfassendes Lehrprogramm auf die Beine zu stellen, braucht es zusätzlich zum studentischen Engagement die Unterstützung der Universität, nicht zuletzt durch die Finanzierung von Stellen – ein Anliegen, das auf dem Podium ausführlich und leidenschaftlich diskutiert wurde. Leider konnte und wollte Sabine Kunst keinerlei Zusagen zu einer möglichen finanziellen Unterstützung machen. Dennoch wurde das Ziel festgehalten, eine Implementierung weiter voranzutreiben – auch durch einen engen Kontakt zwischen dem Vizepräsidium für Studium und Lehre, unserer Initiative und weiteren interessierten Akteuren.
Einen zweiten Schwerpunkt stellte die in den letzten Monaten fehlende Gesprächsbereitschaft des Präsidiums hinsichtlich der Schaffung fester Strukturen für das Thema Nachhaltigkeit dar. Sabine Kunst versprach jedoch diesbezüglich, eine konkrete Ansprechperson seitens des Präsidiums im Januar 2018 zu benennen, sodass weitere Gespräche wie auch eine Fortführung des Forums Nachhaltige Universität möglich ist. Außerdem sicherte sie ein gemeinsames Treffen im Januar oder Februar 2018 zu.
Insgesamt bewerten wir die perspektive n als vollen Erfolg – zeigte sich doch gerade durch das offene und partizipative Format, wie viele Ideen und wie viel positiver Wille bei vielen Universitätsangehörigen vorhanden ist. Besonders freuen wir uns, dass sich Sabine Kunst an dieser Diskussion beteiligt hat, wenngleich das Thema Nachhaltigkeit ihrer Ansicht nach aktuell leider keine hohe Priorität besitzt. Frau Kunst sieht an der HU zur Zeit nur geringe Entwicklungsmöglichkeiten und eine erschwerte Umsetzbarkeit, da „die Bäume an der HU nicht in den Himmel wachsen“. Von unserer Seite möchten wir jedoch ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass das Vorhandensein verschiedener weitere Baustellen an der HU angesichts von Klimawandel, Biodiversitätsverlusten und globaler Ungerechtigkeit kein Grund sein darf, die Vision einer zukunftsfähigen und nachhaltigen HU nicht zu konkretisieren. Unsere Universität besitzt als Impulsgeberin eine wichtige Verantwortung innerhalb unserer Gesellschaft. Für eine solche Konkretisierung werden wir uns in der kommenden Zeit mit ganzer Kraft einsetzen. Dazu möchten wir alle Universitätsangehörigen und besonders auch die Universitätsleitung zu einem stetigen Dialog aufrufen, um gemeinsam diese Vision auszugestalten und reichlich vorhandenen Potentiale zu aktivieren. Denn sicherlich sind wir uns bezüglich des Abschlussstatements von Johannes Geibel alle einig: „Die HU Berlin muss aufpassen, dass sie nicht die Äste absägt, auf denen sie sitzt“.