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Was uns Bücher nicht erzählen – Der lange Weg der Bibliothek der Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden

von Laura Steinbrück

Wie es sich angefühlt haben muss, als am 11. November 1938 die Büroräume der „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ (kurz: „Gesellschaft“) von Nationalsozialisten gestürmt und demoliert wurden, kann man heute kaum mehr nachempfinden. Für die „Gesellschaft“ war das Ereignis im Rahmen der Novemberpogrome einschneidend und sollte eine Vorahnung auf die kommenden Jahre liefern. Schon zuvor hatte die Vereinigung der „Deutschen Christen“ ihre ablehnende Haltung gegenüber der Judenmission deutlich gemacht. Die „Gesellschaft“ setzte sich aber genau für diese ein. In der Messiaskapelle in Prenzlauer Berg wurde noch lange nach der Machtübergabe an Adolf Hitler Taufunterricht angeboten und Juden:Jüdinnen der Eintritt in das Christentum ermöglicht. In den Räumen der Gesellschaft befand sich auch eine umfassende Bibliothek, die für den Unterricht genutzt wurde. [1] Die Verfügung zur Schließung des Vereins und zum Einzug des gesamten Vermögens überraschten die „Gesellschaft“ als Folge nicht. Trotzdem waren die Konsequenzen gravierend: Im Frühjahr 1941 besetzte die Gestapo die Geschäftsstelle und beschlagnahmte jegliches Inventar.[2] Die dazugehörige Verfügung zum Einzug des Vermögens geht von einem Bibliotheksbestand der „Gesellschaft“ von ca. 2.000 Büchern aus.[3]

Möglicherweise habe der Einspruch des damaligen Pfarrers Wilhelm Knieschke dazu beigetragen, die Staatspolizei davon abzuhalten, diese Bücher auf dem direkten Weg zu vernichten.[4] In den folgenden Jahren blieb die Kapelle geschlossen, dem Pfarrer Knieschke wurde die Arbeit verboten.

Doch was passierte mit der Bibliothek? Noch lange Zeit nach dem Ende des Krieges ging der wiedergegründete Verein von einem Verlust der Bibliothek aus. Die Bücher galten als verschwunden. War diese Befürchtung berechtigt?

Tatsächlich wurden die Bücher nicht verbrannt, sondern an die Preußische Staatsbibliothek zu Berlin übergeben. Zynischerweise wurden dort in der Annahmestelle am 19. Juni 1941 die ersten Bücher der „Gesellschaft“ von den Archivar:innen im Zugangsbuch für „Geschenke“ vermerkt – dabei handelte es sich jedoch lediglich um 40 Titel. Beinahe ein ganzes Jahr später, im März 1942, folgten 320 weitere Exemplare. Das lag daran, dass die Staatsbibliothek von der Anzahl der eingehenden Bücher überlastet war, da sie zur zentralen Verteilstelle für alle beschlagnahmten Bücher des Reiches aufstieg.[5] Gleichzeitig hatte auch das fortschreitende Kriegsgeschehen Auswirkungen auf die Arbeit der Annahmestelle. Bestände wurden auseinandergerissen, Bücher an scheinbar sicherere Orte gebracht oder einfach an andere Institutionen weitergegeben.[6] So verlor sich auch der Rest der Bibliothek aus der Messiaskapelle im Kriegsgewirr – in der Staatsbibliothek wurden die Bücher nie offiziell angenommen. Die verzeichneten Bücher der „Gesellschaft“ in der Staatsbibliothek verblieben dort erst einmal, ohne dass sie Beachtung fanden. Und das nicht nur bis zum Ende des Krieges, sondern weit darüber hinaus. Erst in den 2000er-Jahren begann die Staatsbibliothek, sich systematisch mit ihren Beständen auseinanderzusetzen, um mögliches NS-Raubgut ausfindig zu machen. Im November 2007 wurde dafür vor Ort eine Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und -forschung eröffnet. Die dortigen Provenienzforscher:innen stießen in diesem Zusammenhang auf genau jene Vermerke im Zugangsbuch der Staatsbibliothek, die 65 Jahre zuvor dort verzeichnet wurden und auf den ursprünglichen Besitzer der Bücher die „Gesellschaft“ verweisen. Im September 2010 erfolgte die Restitution der ausfindig gemachten Bücher an das Berliner Missionswerk der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der offiziellen Rechtsnachfolge der „Gesellschaft“, die nach ihrer Wiedergründung im Jahr 1948 noch bis 1982 bestand.[7] Im selben Jahr veröffentlichte Michaela Scheibe als damals stellvertretende Leiterin der Abteilung Historische Drucke einen Artikel über den Restitutionsprozess im Bibliotheksmagazin. Durch den Artikel wurde auch die Landes- und Universitätsbibliothek in Hamburg auf die Zwangsschließung und Beschlagnahmung der Bücher der Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden aufmerksam.[8]

Auch in der Universitätsbibliothek Hamburg werden seit 2010 Überprüfungen der Bestände in Hinblick auf ihre Provenienz vorgenommen. Und tatsächlich wurden die Archivar:innen im Oktober 2010 auf vier Bücher aufmerksam, die ebenfalls den Stempel der „Gesellschaft“ auf ihren Titelseiten verzeichneten. Die entdeckten Bücher hatten bereits einen langen Weg hinter sich: Von der Annahmestelle der Staatsbibliothek waren diese anscheinend noch während des Krieges an die „Reichstauschstelle“ für Bücher weitergegeben worden. Diese war 1926 als Teil der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ gegründet worden, jedoch seit 1934 als eigenständige Dienststelle tätig. Die Reichstauschstelle war damit beauftragt, Bibliotheken im Deutschen Reich beim Erwerb verloren gegangener oder durch den Krieg beschädigten Bücher zu unterstützen. Ihr Bestand setzte sich aus meist angekauften Büchern aus den Ostgebieten,[9] aber genauso aus beschlagnahmten Büchern von Einzelpersonen und Bibliotheken zusammen. Viele Bibliotheken nutzten das Angebot der Reichstauschstelle, so auch die Landesbibliothek in Hamburg. Von dort waren die vier betreffenden Bücher 1943 in die Bestände der Universitätsbibliothek gelangt. Im Juni 2011 wurden auch diese an das Berliner Missionswerk übergeben.

Zuletzt wurden im August 2016 fünfzehn weitere Bücher an das Missionswerk restituiert. Diese waren während des Krieges an das „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ weitergegeben worden. Seit 1936 besaß das Reichsinstitut eine Forschungsabteilung zur „Judenfrage“, welche vor allem nationalsozialistisches, pseudowissenschaftliches Propagandamaterial herausgab. Nach Ende des Krieges kamen die betreffenden Bücher erst 1982 zurück in den Besitz der Staatsbibliothek.

Die ca. 400 restituierten Bücher stehen heute im Magazin der gemeinsamen Bibliothek der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und des Berliner Missionswerks in Berlin Friedrichshain. Der Großteil jedoch gilt als verloren, wurde wahrscheinlich im Kriege zerstört, zumindest aber auseinandergerissen und weit über das Land verteilt.[10] Mit dem Verlust der Bibliothek ist auch viel Wissen über die damalige Vereinigung und ihre Arbeit verloren gegangen. Durch die Bestände der Bibliothek ließe sich ablesen, mit welchen Themen sich die „Gesellschaft“ befasste, welche Schwerpunkte sie in ihrer Arbeit setzte, aber auch, welche Inhalte sie außerhalb der Judenmission beschäftigte. So überrascht noch heute die Diversität der verbliebenen Bestände. Sie zeigt auf, dass sich die „Gesellschaft“ auch mit der politischen Lage der Juden:Jüdinnen in Europa auseinandersetze, zeitgenössische Abhandlungen über das Juden- und Christentum und philosophische und praktische Auseinandersetzungen mit dem Zionismus besaß. Darüber hinaus beschäftigte sie sich auch mit Palästina als religiöser Heimatstädte für Juden:Jüdinnen und Christen:Christinnen. Der Bestand beeindruckt auch heute noch mit umfangreichen Materialien für die Judenmission, so sticht zum Beispiel ein Neues Testament heraus, welches auf Jiddisch übersetzt wurde. Auch umfasst die Bibliothek Lehrbücher, die extra für den Taufunterricht jüdischer Taufanwärter:innen verfasst wurden. Dass der Verein die Restitution einiger seiner Bibliotheksbestände nicht mehr miterlebte, zeigt auf, wie langwierig solche Verfahren sein können. Gleichzeitig beteht aber auch Hoffnung, dass in Zukunft noch weitere Bücher der ehemaligen Messiaskapelle entdeckt werden können. Da die „Gesellschaft“ heute nicht mehr besteht, kann sie auch ihren Verlust der Bibliothek nicht mehr anklagen und auch keine weiteren Recherchen zum Verbleib der Bücher anstellen. An dieser Stelle ist der Einsatz von engagierten Einzelpersonen und Institutionen gefragt, um nicht zuletzt das bis ins 21. Jahrhundert bestehende Unrecht aus der Zeit des Nationalsozialismus aufdecken und im möglichen Umfang beseitigen zu können.

Dieser Blogbeitrag ist im Rahmen der X-Student Research Group „Gedenkort Messiaskapelle – ein Rechercheseminar zur Kirche in der NS-Zeit, Nachgeschichte und Erinnerungspolitik“ entstanden und thematisch an dieses gekoppelt.


[1] Der genaue Umfang dieser Bibliothek kann heute nicht mehr ermittelt werden. Allerdings kann nachvollzogen werden, dass die „Gesellschaft“ in den Jahren 1888 bis 1892 jährlich mindestens 1.000 Mark für die Anschaffung neuer Publikationen vorsah. Vgl. evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin, bisher online nicht aufgelistete Akten der „Gesellschaft“, die 2010 an das Archiv restituiert wurden.

[2] Der genaue Zeitpunkt der Schließung ist unklar. Das evangelische Landeskirchliche Archiv in Berlin und Michaela Scheibe verweisen auf den 23. Januar. Die Verfügung der Geheimen Staatspolizei und auch Pfarrer Wilhelm Knieschke nennen den 18. April 1941. Ein möglicher Erklärungsansatz für die unterschiedlichen Zeitangaben ist, dass bereits im Januar die Räumlichkeiten der Kapelle durch die Gestapo geschlossen wurden, eine offizielle Verfügung aber erst Monate später folgte. Vgl. Scheibe, M.: NS-Raubgut in der Erwerbungspolitik der Preußischen Staatsbibliothek nach 1933 – eine Zwischenbilanz. In: Gesellschaft für Exilforschung (Hrsg.): Bibliotheken und Sammlungen im Exil. Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch, 29/2011. edition text + kritik, S. 188 und Knieschke, W.: Nathanael, S. 13.

[3] Verfügung der Gestapo vom 18. April 1941 aus dem Archiv der ev. Landeskirche in Berlin, ELAB 1/1113: „Zu den eingezogenen Vermögen gehören insbesondere: […] e) Die Bibliothek mit ca. 2000 Büchern“.

[4] Allerdings war Kniesches Einspruch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ausschlaggebend für die Übergabe der Bücher an die Staatsbibliothek. Vielmehr war es auch eine Anordnung des Reichsministeriums für Finanzen, beschlagnahmte Schriften, insbesondere jüdische und hebräische Literatur, an die Staatsbibliothek zu übergeben. Dabei dürfte auch die räumliche Nähe der Büroräume der Gesellschaft zur Annahmestelle der Staatsbibliothek begünstigend auf die Übergabe eingewirkt haben. Vgl. Knieschke, W.: Nathanael. Ein kleiner Bericht zur Missionsarbeit am Volke Israel, S. 13. und Bödeker, H.; Bötte, G.-J. (Hrsg.): NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek. Vorträge des Berliner Symposiums am 3. und 4. Mai 2007. K. G. Saur 2008, S. 2f.

[5] Vgl. Scheibe, M.: NS-Raubgut in der Erwerbungspolitik der Preußischen Staatsbibliothek nach 1933 – eine Zwischenbilanz, S. 182.

[6] Vgl. Ebd. S. 188.

[7] Noch lange nach 1945 hielten große Teile der evangelischen Kirche am Konzept der Judenmission fest. Erst mit den 1980er-Jahren trat die Kirche in eine neue Phase der Reflektion des Nationalsozialismus und der Shoah ein. Die Thematik blieb aber umstritten. Trotzdem dienten diese Debatten beispielsweise als Ausgangspunkt für den Synodalbeschluss „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Juden und Christen“ der evangelischen Kirche der DDR aus dem Jahr 1990. In dieser bekennt sich die Kirche zum Staat Israel, gegen den Antisemitismus und gegen das Konzept der Judenmission. Vgl. Pavlush, T.: Kirche nach Auschwitz zwischen Theologie und Vergangenheitspolitik. Die Auseinandersetzung der evangelischen Kirchen beider deutschen Staaten mit der Judenvernichtung im „Dritten Reich“ im politisch-gesellschaftlichen Kontext. Peter Lang 2015, S.107.

[8] Informationen aus direktem Kontakt mit Anneke de Rudder, Arbeitsstelle Provenienzforschung – NS-Raubgut, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg.

[9] Der „Ankauf“ von Büchern und Bibliotheken war meist auch von einem Zwang geprägt, den die Staatspolizei auf „Verkäufer“ ausübte. In der Provenienzforschung stellt sich daher auch die Frage, inwiefern solche „Kaufverträge“ heute rechtmäßig sind. Vgl. Bödeker, H.; Bötte, G.-J. (Hrsg.): NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek, S. 1.

[10] Vgl. Bödeker, H.; Bötte, G.-J. (Hrsg.): NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek, S. 158.

[11] Die Standortbezeichnung „Judenmission“ stammt noch aus der historischen Systematik, welche bei Entstehung der Bibliothek erarbeitet wurde und auf den Sonderbestand der restituierten Bücher hinweist. Eine Überarbeitung der Archivsystematik mit ihren Bezeichnungen ist bereits vom aktuellen Bibliotheksleiter angedacht.

Über die Autorin

Laura Steinbrück studiert Interdisziplinäre Antisemitismusforschung an der TU Berlin.

Was geschah im Hinterhof?                          

von Kristina Schnürle

Wenn man die Kastanienallee entlanggeht, kann man über der Haustür des Gebäudes mit der Nummer 22 eine Inschrift in altertümlichen Lettern lesen: „Messiaskapelle“. Zwischen Nagelstudio und Klettergeschäft, in dem belebten Stadtteil Berlin-Prenzlauer Berg, weist nichts auf eine Kapelle oder sonst einen besonderen Ort hin.

Foto: Kjell Pommerening

Seit Oktober 2023 gibt eine Stolperschwelle Auskunft über Menschen, die hier getauft und z. T. später deportiert und getötet wurden. Bis heute wissen die wenigsten, dass es im Nationalsozialismus Christen gab, die aus rassistischen Gründen verfolgt und ermordet wurden.

Foto: Johan Wagner

Aber was ist die Messiaskapelle?

Leider ist zurzeit ein Blick hinter das äußere Tor in den Hinterhof für die allgemeine Öffentlichkeit nicht möglich. Dort würde man auf eine kunstvoll mit Monden und Kreuzen verzierte Tür stoßen. Und im Innern ein Raum, der an einen Versammlungsort einer religiösen Gemeinschaft erinnert. Besonders fällt die hebräische Inschrift des hebräischen Gottesnamen, des Tetragramms auf. Wer hat sich dort wann versammelt? Was geschah an diesem Ort im Hinterhof?

Foto: Johan Wagner

Foto: Johan Wagner

Wie alles begann

Durch das Emanzipationsedikt 1812 waren die preußischen Juden rechtlich zu „Einländern und preußischen Staatsbürgern“ geworden. König Friedrich Wilhelm III. selbst wandte sich aber schon 3 Jahre später gegen die bürgerliche Gleichstellung seiner jüdischen Untertanen. Doch eine Gesellschaft zur Judenmission war ganz in seinem Sinne, da er dadurch hoffte, ausschließlich „christliche Untertanen“ zu bekommen.

Foto: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/juedisches-leben/504517/19-jahrhundert/

1822 wurde die „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter Juden“, die Berliner Judenmission, gegründet.  Der Verein entstand aus der pietistischen Bewegung des 19. Jhs., entsprechend der Mission unter „Heiden“. Während die Heidenmission allgemein anerkannt war, hatte die Judenmission mit antisemitischen Vorurteilen zu kämpfen. Aber auch das alte Volk Israel habe, so die Vertreter der Judenmission, ein Recht auf Heil und das Evangelium – jetzt, da die gesellschaftlichen Schranken zwischen Juden und Christen gefallen waren und Juden qua Gesetz gleichberechtigt waren, umso mehr. Zusätzlich solle der Lebenswandel der Christen missionarisch wirken. Da die Aufgabe der Mission nicht von einzelnen Christen geleistet werden könne, sei es nötig, diese an Vereine zu delegieren, bzw. diese dabei zu unterstützen. (So im grundlegenden Aufsatz „Recht und Pflicht der Judenmission“ im „Nathanael“, so der Titel der Zeitschrift der Gesellschaft ab 1885).

Schon 1827 hat Friedrich Wilhelm III. die Erlaubnis eines besonderen Gottesdienstes für die „Juden“ in Berlin gegeben, aber es fehlte lange an einem geeigneten Ort. 1902 konnte schließlich die Messiaskapelle in der Kastanienallee 22 eingeweiht werden. Sie bot Platz für 100 Menschen.

Es handelte sich dabei nur um einen kleinen Kreis im Rahmen der Landeskirche. Denn die Mehrheit der Deutschen, auch der kirchlichen Kreise, war an einer Begegnung oder gar dem Dialog mit Juden nicht interessiert. Darum wurden die „getauften Juden“ immer mehr zu einer Sondergruppe, an deren Integration in die christliche Gemeinde kaum jemandem gelegen war.

In den Räumen in der Messiaskapelle wurde sonntäglich Gottesdienst gefeiert

Foto: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/NQM4DO6J6QI6NJOYZF2EQOHDVXY53I5L

Aber daneben spielte die Soziale Arbeit an konvertierten oder am Christentum interessierten Juden eine große Rolle. Seit Mitte des 19. Jhs. kamen viele junge Juden aus Osteuropa oder dem russischen Zarenreich nach Berlin, häufig ohne Geld und familiären Rückhalt. Sie waren oft auf Unterstützung angewiesen und waren dadurch, dass sie sich im „fortschrittlichen Berlin“ ihrem jüdischen Glauben aus dem Schtetl entfremdeten, für den christlichen Glauben aufgeschlossen.

Ein Anliegen der „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ war es außerdem, Menschen in den Gemeinden – und wenn möglich auch darüber hinaus – jüdische Bräuche und Feste zu erklären und bekannt zu machen. Damit wollte sie dem Misstrauen und der wachsenden antisemitischen Stimmung in jener Zeit entgegenwirken.

Warum ließen sich Juden taufen?

Sowohl von kirchlicher als auch politischer Seite wurde unterstellt, die Juden ließen sich „nur“ taufen, um nicht als Juden benachteiligt oder verfolgt zu werden. Berichte von Täuflingen oder ihrer Nachkommen zeigen ein Spektrum unterschiedlichster Gründe: von relativer Gleichgültigkeit gegenüber dem jüdischen oder christlichen Glauben, der Anpassung an den christlichen Partner oder die christliche Partnerin bis hin zum Versuch, durch die eigene Taufe oder die Taufe ihres Kindes bessere Chancen in der Gesellschaft zu erreichen – in der NS-Zeit sogar das Leben zu retten. Doch bilden diese äußerlichen Motive nicht alles ab. Wer wollte beurteilen, ob die Hinwendung zum christlichen Glauben „echt“, aus freien Stücken erfolgte? Der Dichter Jochen Klepper schreibt schon 1933 in sein Tagebuch, dass seine jüdische Frau Hanni sich taufen lassen wolle, aber nicht aus politischen Gründen konvertiere. Sie wisse, dass die Anmeldung zur Taufe politisch sinnlos sei. (Tagebuch „Unter dem Schatten seiner Flügel“ 13.Mai 1933). Denn von Seiten des NS-Staats war von Anfang an klar, dass die Taufe keine Auswirkung auf den „Rassenstatus“ hat: auch ein Getaufter blieb jüdisch, „nichtarisch“.

Dennoch erhielten in der Zeit zwischen 1933-41 über 700 jüdische Menschen in der Messiaskapelle Taufunterricht.

Die Taufen wurden – sicher in erster Linie aus theologischer Verantwortung, aber vielleicht auch um den Verdächtigungen vorzuwirken – nicht oberflächlich oder gar nur auf dem Papier vollzogen, sondern es gab einen mehrwöchigen Taufunterricht. Dies wird im Messiasboten, dem Gemeindebrief, ausführlich beschrieben.

Foto: Laura Steinbrück

Der Messiasbote, so der Titel der Zeitschrift der Gesellschaft im Nationalsozialismus, gibt auch Zeugnis davon, wie die Verkündigung an Juden aussah: Pfarrer Knieschke knüpfte in seinen Predigten an Worte, Erzählungen und Feste des Judentums an. Er predigte im Wissen, dass Juden, anders als die Menschen, die von Missionsgesellschaften in fernen Ländern missioniert werden, schon eine gemeinsame Basis mit den Christen haben. Er nahm Verheißungen der Propheten auf und wies – wie die neutestamentlichen Apostel – darauf hin, dass diese in Jesus erfüllt seien. Im Messiasboten finden sich ebenfalls Zeugnisse von Getauften, die über ihren Weg von Judentum zum Christentum berichten. Auch wenn die Ausführungen im Messiasboten nicht mehr unserer Perspektive auf das Judentum, geschweige denn der theologischen oder homiletischen Sprache unserer Zeit entsprechen, wird die Überzeugung und Redlichkeit der Pfarrer und Mitarbeitenden sichtbar.

Im Frühjahr 1941 schloss der NS-Staat die Messiaskapelle, den Zufluchts- und Taufort so vieler Christen jüdischer Herkunft gewaltsam.

 „Allein die Tatsache, dass Christen jüdischer Herkunft in der Zeit der Verfolgung die Tür der Messiaskapelle offenstand, dass Menschen jüdischer Herkunft hier weiter getauft wurden, macht die Messiaskapelle in gewisser Weise bereits zu einem Ort der Zuflucht.“ Und den Verfolgten wurde auch noch anders geholfen.“ Diejenigen, die im Bereich der Messiasgemeinde tätig waren, haben sich nicht von den Verfolgten abgewandt. Sie haben sie nicht nur seelsorgerlich begleitet, sondern mit konkreten Hilfeleistungen unterstützt. „Aber vielen konnte nicht geholfen werden. 86 der 700 getauften Menschen jüdischer Herkunft wurden deportiert, nur 2 davon überlebten.“ (Lachenicht in: und Evangelische Kirche im Nationalsozialismus 2013. S.91f)

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Judenmission ihre Arbeit wieder auf, in der Kapelle trafen sich Überlebende und feierten Gottesdienst. Darüber ist kaum etwas bekannt und wäre es wert, weiter erforscht zu werden.

Doch die „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ hatte sich überlebt und löste sich 1982 auf. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) distanzierte sich 1990 vollständig von der Mission an Juden.

Heute ist die Messiaskapelle ein „Nichtort“, ein kaum sichtbarer, fast vergessener Ort im Hinterhof. Die evangelische Kirche Berlin sieht die Erhaltung dieses Ortes als Gedenkort nicht als drängende Aufgabe an.

Foto: Kjell Pommerening

https://www.landeskirchenarchivberlin.de/forum-fur-erinnerungskultur/forum-schwerpunkte-der-arbeit/arbeitsbereiche/christen-judischer-herkunft/gedenkort-messiaskapelle-2/

https://www.kkbs.de/messiaskapelle

„Nathanael“, die Zeitschrift der Gesellschaft und der Nachfolger, „Der Messiasbote“ sind zum Beispiel in der Staatsbibliothek zu Berlin einzusehen, allerdings ist dort eine Benutzung nur im Lesesaal möglich. Die „Permalinks“ der Staatsbibliothek lautet:

https://stabikat.de/Record/16759074X („Nathanael“)

https://stabikat.de/Record/167606131 („Der Messiasbote“)

Mittlerweile wurde auf diesem Blog ein weiterer Beitrag veröffentlicht, in dem die Staatsbibliothek zu Berlin eine Rolle im Sinne der Erinnerung an die Messiaskapelle spielt: https://blogs.hu-berlin.de/kircheimns/2024/05/05/was-uns-buecher-nicht-erzaehlen-der-lange-weg-der-bibliothek-der-gesellschaft-zur-befoerderung-des-christentums-unter-den-juden/

Gedenkort Messiaskapelle – ein Rechercheseminar zur Kirche in der NS-Zeit, Nachgeschichte und Erinnerungspolitik (SoSe 2024)

Kastanienallee 22 bei openstreetmap.org – noch kein Hinweis auf die Messiaskapelle, allerdings gibt es nunmehr in der deutschsprachigen Wikipedia einen Hinweis auf die „Stolperschwelle“ vor der Kastanienallee 22: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Berlin-Prenzlauer_Berg

Das Rechercheseminar soll am Beispiel der Messiaskapelle im Prenzlauer Berg einen genaueren Blick auf den Umgang der Berliner Kirche mit der „Judenfrage“ während und nach der Shoah werfen.

Als gefördertes Projekt der Berlin University Alliance schließt es an Förderprojekte aus den vergangenen Semestern an.

AGNES-Einschreibeseite

Seminarnummer:  0212165

Interessierte Studierende der Berliner und Potsdamer Universitäten sind aufgefordert, sich beim entsprechenden Kurs der Lernplattform der Humboldt-Universität einzuschreiben. Die Inhalte werden zeitnah auf das Sommersemester 2024 aktualisiert:

https://moodle.hu-berlin.de/enrol/index.php?id=121360

Moodle-Einschreibeschlüssel: Ekbo.2023

Das Seminar wird im Sommersemester 2024 dienstags, 10-12 Uhr, im Raum 5061 (5. OG) im Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität stattfinden, Friedrichstraße 191 (FRS191).

Als Sitz der „Berliner Judenmission“ koordinierte die Amtskirche hier die christliche Missionsarbeit unter Jüdinnen und Juden. Bis zu ihrer Schließung 1941 durch die Gestapo wurde die Messiaskapelle zudem zu einem Taufort für mindestens 700 Menschen, welche das NS-Regime als „nicht-arisch“ definierte. Deutsche Täterinnen und Täter ermordeten viele von ihnen, ohne dass die Kirche dem Regime die Gefolgschaft verweigerte. Im interdisziplinären Rechercheseminar diskutieren Teilnehmende und Dozierende auf Grundlage von Originalquellen bisher unberücksichtigte Aspekte der widersprüchlichen Geschichte der Messiaskapelle während und nach der NS-Zeit. Gemeinsam spüren sie der Frage nach, warum die Erinnerung daran bis heute schwierig ist. Die Teilnehmenden begleiten dabei kritisch die Entwicklung eines Gedenkorts, wie er durch den Kirchenkreis Stadtmitte geplant ist.

Das Seminar der forschenden Lehre richtet sich an Studierende aller Erfahrungsstufen. Es kommt ohne Anforderungen an historisches Vorwissen aus. An individuellen Interessen ausgerichtet erhalten die Studierenden Einblick in historische Quellenanalyse- und Recherchetechniken, die in vielen Berufsfeldern sinnvoll sein können. Durch die gemeinsame Publikation der Rechercheergebnisse auf dem Blog (https://blogs.hu-berlin.de/kircheimns/) üben die Seminarteilnehmenden zielgerichtetes Schreiben und die Kommunikation von wissenschaftlichen Ergebnissen für ein fachfremdes Publikum.

Gedenkort Messiaskapelle – ein Rechercheseminar zur Kirche in der NS-Zeit, Nachgeschichte und Erinnerungspolitik (WiSe 2023/24)

Das Rechercheseminar soll am Beispiel der Messiaskapelle im Prenzlauer Berg einen genaueren Blick auf den Umgang der Berliner Kirche mit der „Judenfrage“ während und nach der Shoah werfen.

AGNES-Einschreibeseite

Seminarnummer: 60313
Moodle-Einschreibeschlüssel: Ekbo.2023

Der Bildschirmdruck zeigt einen Ausschnitt des Kartendienstes openstreetmap.org, bei der Kastanienallee 22 findet sich noch kein Hinweis auf die Messiaskapelle
Kastanienallee 22 bei openstreetmap.org – noch kein Hinweis auf die Messiaskapelle | Contains information from openstreetmap.org, which is made available here under the Open Database License (ODbL, https://opendatacommons.org/licenses/odbl/1-0/). JPG-Export erstellt am 5.10.2023.

Als Sitz der „Berliner Judenmission“ koordinierte die Amtskirche hier die christliche Missionsarbeit unter Jüdinnen und Juden. Bis zu ihrer Schließung 1941 durch die Gestapo wurde die Messiaskapelle zudem zu einem Taufort für mindestens 700 Menschen, welche das NS-Regime als „nicht-arisch“ definierte. Deutsche Täterinnen und Täter ermordeten viele von ihnen, ohne dass die Kirche dem Regime die Gefolgschaft verweigerte. Im interdisziplinären Rechercheseminar diskutieren Teilnehmende und Dozierende auf Grundlage von Originalquellen bisher unberücksichtigte Aspekte der widersprüchlichen Geschichte der Messiaskapelle während und nach der NS-Zeit. Gemeinsam spüren sie der Frage nach, warum die Erinnerung daran bis heute schwierig ist. Die Teilnehmenden begleiten dabei kritisch die Entwicklung eines Gedenkorts, wie er durch den Kirchenkreis Stadtmitte geplant ist.

Das Seminar der forschenden Lehre richtet sich an Studierende aller Erfahrungsstufen. Es kommt ohne Anforderungen an historisches Vorwissen aus. An individuellen Interessen ausgerichtet erhalten die Studierenden Einblick in historische Quellenanalyse- und Recherchetechniken, die in vielen Berufsfeldern sinnvoll sein können. Durch die gemeinsame Publikation der Rechercheergebnisse auf dem Blog (https://blogs.hu-berlin.de/kircheimns/) üben die Seminarteilnehmenden zielgerichtetes Schreiben und die Kommunikation von wissenschaftlichen Ergebnissen für ein fachfremdes Publikum.

Als gefördertes Projekt der Berlin University Alliance schließt es an Förderprojekte aus den vergangenen Semestern an.

5. Oktober 2023 | Veröffentlicht von Johan Wagner | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein

Baptisten im „Dritten Reich“

Baptisten gehören zu den evangelischen Freikirchen und haben als wohl größten Unterschied zu anderen evangelischen Konfessionen die Glaubenstaufe, d.h. es werden keine Babys oder kleine Kinder, sondern nur Jugendliche und Erwachsene, die sich bewusst dafür entscheiden, getauft.

Als zwei Baptistinnen haben wir, Cora und Lea, im Rahmen dieses Projektes in unserer eigenen Vergangenheit nachgeforscht. Uns hat die Frage beschäftigt, wie sich unsere Glaubensgeschwister in der NS-Zeit verhalten haben und wie sich unsere wie auch andere Baptistengemeinden positioniert haben. Die Ergebnisse unserer Nachforschungen wollen wir allen Interessierten in drei Podcast-Folgen vorstellen. Für jede unserer Folgen haben wir uns Interviewpartner eingeladen, die uns von ihren eigenen Nachforschungen berichten.

Natürlich liegt es bei unserem Thema nahe, Zeitzeugen zu befragen, die damals in Baptistengemeinden waren. In den Vorbereitungen für unsere erste Folge sind wir jedoch schnell auf das Problem gestoßen, dass Zeitzeugen kaum noch anzutreffen sind. Deswegen führen wir ein Zeitzeugengespräch aus zweiter Hand – wir haben uns Thilo Maußer eingeladen, Pastor der Baptistengemeinde in Brandenburg an der Havel, der uns von einem Zeitzeugengespräch berichtet, dass er selbst vor über zwanzig Jahren geführt hat. Mit ihm sprechen wir über Widerstand und Akzeptanz gegenüber der NS-Politik – wie war die allgemeine Haltung der Baptisten in Berlin und Brandenburg im Allgemeinen zum NS-Regime?

Podcast 1: Die Haltung der Baptistengemeinden zum Nationalsozialismus


Thema unserer zweiten Folge ist die vorherrschende Einstellung der Baptisten ihren jüdischen Mitmenschen sowie auch ihrer Glaubensgeschwister jüdische Abstammung gegenüber. Mit dem Pastor i.R. Roland Fleischer reden wir über die vorherrschende Einstellung der Baptisten ihren jüdischen Mitmenschen und auch ihrer Glaubensgeschwister jüdischer Abstammung gegenüber. Hierfür betrachten wir Einzelbiografien von Gemeindemitgliedern. Unser Gast forscht seit einigen Jahren zum Verhältnis von Baptisten und Juden und untersucht den Antisemitismus innerhalb der Baptistengemeinden. Wir benutzen in dieser Folge die Begriffe „Judenchristen“ und „Judenmission“, die auch in der NS-Zeit seitens der Nazis gebraucht wurden. Die NS-Bewertungen wollen wir damit aber natürlich nicht zum Ausdruck bringen, denkt euch die Begriffe beim Hören also bitte mit Anführungszeichen.

Rolands Zusammenstellung von Einzelbiografien findet ihr hier: Judenchristliche Mitglieder in Baptistengemeinden (theologisches-gespraech.de)

Podcast 2: Das Verhältnis von Juden und Christen in den Baptistengemeinden


In der dritten und damit letzten Folge unseres Podcasts betrachten wir den Prozess der Aufarbeitung der NS-Zeit und wie sich die Kirche und damit auch die Baptistengemeinden nach 1945 ihrer Vergangenheit stellten. Mit unserem Gast Prof. Dr. Andrea Strübind, die ihre Dissertation über den Bund der Baptistengemeinden im „Dritten Reich“ verfasste, sprechen wir über die Fragen nach der Verantwortung, der Schuld und dem Verständnis von Opfern und Tätern. Und vor allem: wie geht Aufarbeitung in unserer heutigen Zeit, und was bedeutet sie für unsere Generation?

Podcast 3: Die Aufarbeitung der NS-Zeit in den Baptistengemeinden

Wir wollen an dieser Stelle all unseren engagierten Interviewpartnern danken und auch unseren Dozenten, die uns beim Projekt stetig unterstützt und beraten haben. Dank geht auch an Herr Dr. Hansjörg Buss, der im Entwurfsstadium wissenschaftliche Beratung für diese Podcast-Reihe geleistet hat.

Wir hoffen, die Podcast-Reihe hat euch gefallen und vielleicht auch ermutigt selbst nachzuforschen und eure Familien- und auch Kirchengeschichten zu untersuchen und aufzuarbeiten.

„Neue Anfänge nach 1945?“

Vom 13. Januar bis zum 28. Februar 2022 ist in der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ die Wanderausstellung „Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen“ zu sehen. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland hat sie erstellt. Im doppelten Sinne beispielhaft macht die Schau die Verstrickung der Kirche in den Nationalsozialismus transparent.

(c) „Neue Anfänge nach 1945“ – Ausstellung der Nordkirche

Die Ausstellung dokumentiert den sogenannten Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg. Sowohl die Institution als auch das Verhalten einzelner geraten in den Blick. Klar wird: Neben tatsächlichen Neuanfängen ist ein Ausblenden realer Schuld erkennbar, etwa durch kirchliche Unterstützung für NS-Verbrecher in der jungen Bundesrepublik oder die zögerliche Aufarbeitung eigener Verfehlungen in der NS-Zeit. Die nationalprotestantische Mentalität hatte den Nationalsozialismus gefördert, wurde jedoch nach 1945 nicht thematisiert. Wie wirkmächtig blieb der Nationalprotestantismus in der jungen Bundesrepublik? Darauf versucht die Ausstellung Antworten.

Sechs Themenfelder erwarten die Besucher:innen: Heimatvertriebene, Flüchtlinge und ‚Displaced Persons‘; Antisemitismus und neue Begegnungen; NS-Täter und Kriegsverbrecher im Schutz der Kirche; Streit um Schuld und Mitverantwortung; Haltung zu Krieg und Wiederaufrüstung; Antikommunismus und Diffamierungen.

Es gibt drei live gestreamte, ca. 45minütige, digitale Veranstaltungen jeweils donnerstags, 18 Uhr, im Beiprogramm der Ausstellung.

13. Januar, 18 Uhr: Eröffnung mit Prof. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche, per Videogrußwort), Dr. Stephan Linck, Studienleiter für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit der Evangelischen Akademie der Nordkirche und Prof. Dr. Stefanie Endlich, Kuratorin der Ausstellung gemeinsam mit Monica Geyler-von Bernus und Beate Rossié

3. Februar, 18 Uhr: Die Journalistin Sigrid Hoff befragt Dr. Stephan Linck zu den Ausstellungsinhalten

10. Februar, 18 Uhr: Vorstellung der Dissertation von Beate Rossié „Kirchenbau in Berlin 1933-1945“
Im Gespräch mit Pfarrerin Marion Gardei, Beauftragte für Erinnerungskultur der EKBO und Beate Rossié

Die Ausstellung ist vom 13. Januar 2022 bis zum 28. Februar 2022 zu sehen in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13 – 14, 10785 Berlin-Tiergarten, 1. Etage, Sonderausstellungsbereich.
https://www.gdw-berlin.de/home/

Öffnungszeiten
Mo – Fr 9 – 18 Uhr
Sa, So und an Feiertagen 10 – 18 Uhr
Änderungen vorbehalten. Information unter Telefon: 030/26 99 50 – 00

13. Januar 2022 | Veröffentlicht von Johan Wagner | Kein Kommentar »
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Verfolgtenpolitik um 1940 – Seenotrettungspolitik um 2020: Dinge ins Verhältnis setzen

von Jan Mävers und Johan Wagner

Dieser Beitrag fragt nach einem historisches Verhältnis: Wie hat sich Kirche in Berlin und Brandenburg um 1940 zur Verfolgung von Menschen unter dem NS-Regime geäußert und wie ist um 2020 die Haltung zur Seenotrettungspolitik der Europäischen Union[a]?

Foto: Johan Wagner unter Nutzung von Material von „United4Rescue – Gemeinsam Retten“ [b], Bearbeitung: Lea Maußer

Wir betrachten in diesem Blogbeitrag zwei unterschiedliche Beispiele:

  1. Die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärungen des Konsistorialpräsidenten Dr. Johannes Heinrich, die im Rahmen einer dienstrechtlichen Auseinandersetzung 1941 erfolgt sind.
  2. Die Auseinandersetzungen um einen Artikel des Pfarrers Dr. Matthias Dreher, der im Jahr 2020 in einem quasi-internen Pfarrerblatt der bayrischen Landeskirche erschien.

Worum geht es im „Fall Dreher“?

Im Kern geht es um die Zwei-Reiche/Regimente-Lehre, die auf Luther zurückzuführen ist, obwohl er selbst diesen Begriff nie genutzt hat. Vielmehr hat er mit seinen Äußerungen zu den beiden Reichen auf aktuelle Probleme reagiert. Zu einer „Lehre“ wurden sie erst später.

Versuch einer Chronologie des Falls Dreher (c) Jan Mävers

Deutlich wird das auch an folgenden Passagen aus den beiden Veröffentlichungen im Korrespondenzblatt des bayerischen Pfarrvereins:

„Im Zuge der Zwei-Reiche-Lehre, die operative Struktur-Politik dem Staat überlässt, kann ein Christenmensch, soweit er nicht wie der Samariter einen Sterbenden vor sich sieht, Verantwortung vernachlässigende Migranten ertrinken lassen. Das ist nicht zynisch, sondern traurig und ärgerlich und kontinuierlich systemisch zu verringern, aber es ist eben auch ein Kennzeichen der gefallenen Welt. Nur wer den Bau des Reiches Gottes nicht Gott überlassen kann, sondern es selbst bewerkstelligen muss, wird weiter unverantwortlich mit Rettungsschiffen mehr Migranten aufs Wasser ziehen.“

Dr. Matthias Dreher, Korrespondezblatt Nr. 10/2020, S. 199. (Hrsg.: Pfarrer- und Pfarrerinnenverein in der ev.-luth. Kirche in Bayern).[c]

„Kirche, auch protestantische Kirche in lutherischer Tradition, hat einen öffentlichen Auftrag, gerade in Anlehnung an die wichtige Denkfigur der „Zwei-Regimenten-Lehre“, die in der „Mandaten-Lehre“ Dietrich Bonhoeffers, aber auch in international-ökumenischen Verlautbarungen fruchtbar aufgenommen worden ist. Luther hat wesentlich situationsbezogener argumentiert als dies die Zwei- Reiche- oder Zwei-Regimenten-Lehre abbildet, die zudem wegen der daraus resultierenden (obrigkeits-) staatsstützenden Funktion der Kirche ein umstrittenes Erbe lutherischer Tradition ist. Doch können die damaligen Grundaussagen für das heute grundlegend veränderte Staats-, Gesellschafts- und Religions-Bild fruchtbar gemacht werden.“

Ulrich Eckert, Korrespondenzblatt Nr. 7/2020, S. 136. (Hrsg.: Pfarrer- und Pfarrerinnenverein in der ev.-luth. Kirche in Bayern.

„Wesentlich ist, dass einzelne Christenmenschen, aber auch die Kirche innerhalb ihrer Gesellschaft zu aktivem Zeugnis des Evangeliums aufgerufen sind. Luther betont in der „Freiheitsschrift“, dass ein Christenmensch angesichts des Unrechts, das andere erleiden, in Wort und Tat zu agieren hat, inkl. eventueller Konsequenzen für Leib und Leben. Somit hat er auch der ebenfalls durch Gott autorisierten weltlichen Macht (vgl. CA 16) ggf. Widerstand zu leisten, wenn diese ihrer Aufgabe nicht nachkommt, Böses zu ahnden oder im Zaum zu halten. Dies gilt m. E. auch für die Kirche.“

Ulrich Eckert, ebd.

Zwei-Reiche- und Regimente-Lehre (ZRRL) ganz kurz erklärt

Luther meint: Seit dem Kommen Jesu gibt es zwei Reiche. In einem (dem geistlichen) herrscht bereits das Evangelium, im anderem (dem weltlichen) noch die Sünde. Gott hat nun die Obrigkeit und Ordnungen eingeführt, um die Welt vor der Zerstörung durch das Böse zu bewahren. Christen müssen sich dem Gesetz anpassen, sollen dabei aber die gute Nachricht bezeugen und dadurch anderen helfen, ebenfalls Bürger des Reiches Gottes zu werden. Umgekehrt soll die weltliche Macht nicht in das Amt der Kirche eingreifen.[d]

In der Geschichte wurde diese ZRRL nun immer wieder unterschiedlich ausgelegt. Die Deutschen Christen z.B. legten sie so aus, dass der NS-Staat die von Gott eingesetzte Ordnung sei und deshalb den totalen Anspruch auf den Menschen erheben könne.

Karl Barth wiederum geht davon aus, dass es einen wahren, vollkommenen, himmlischen Staat gibt, der auf den unvollkommenen, irdischen Staat ausstrahlt. Menschliches Recht müsse sich deshalb an göttlichem Recht orientieren. Kirche sei folglich politisch, weil sie versucht, den irdischen Staat im Sinne des himmlischen Staates umzugestalten.

Worum geht es Dr. Johannes Heinrich?

Passbild Konsistorialpräsident Dr. Johannes Heinrich
Arbeitskopie eines Bildes von Dr. Johannes Heinrich, Bildquelle: Archiv für Diakonie und Entwicklung, Berlin (ADE. BA/CA 1711). Eine Weitergabe an Dritte ist nicht gestattet.

Dr. Johannes Heinrich, Konsistorialpräsident von 1938 bis 1945 in Berlin und Brandenburg (Lebensdaten: 15.7.1895 bis 20.7.1945) äußert sich intern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auseinandersetzung gegenüber der übergeordneten Kirchenbehörde, dem Evangelischen Oberkirchenrat. In seinem „Verteidigungsbrief“ aus dem Jahre 1941 gegen Gerüchte, er habe Informationen aus kircheninternen Gremien an NS-Organe verraten, heißt es:

„Vor Übernahme der Behörde im Jahre 1938 bin ich im Evang.Oberkirchenrat und Kirchenministerium mit aller Deutlichkeit auf die unerfreulichen Verhältnisse in der Behörde hingewiesen worden. Das Berliner Konsistorium wäre geradezu als ein „Abstellbahnhof“ benutzt worden und setze sich zu einem großen Anteil aus kirchenpolitisch und politisch an anderen Stellen untragbaren Theologen und Juristen zusammen. Ich sollte – gestützt auf meine verwaltungsmäßigen Erfahrungen aus meiner Sanierungs- und Reorganisationsarbeit für die Innere Mission – alles daran setzen, um die Behörde in Ordnung zu bringen und sie – so wurde mir auch bei der Einführung ausdrücklich gesagt – im nationalsozialistischen Geiste (!) zu führen.“

Brief Konsistorialpräsident Dr. Johannes Heinrich an Vizepräsident D. Ernst Loycke, 29. November 1941, EZA 7 /11044, S. 9.[e]

Ist die protestantische Organisationsform mit einem traditionellen dienstrechtlichen Gewicht von Kirchenjuristen besonders anfällig für eine Orientierung an vorherrschenden politischen Überzeugungen, wie Sie im Staatsdienst oder im Mainstream der Gesellschaft der jeweiligen Zeit üblich sind?

Ausriss Brief Konsistorialpräsident Dr. Johannes Heinrich an Vizepräsident D. Ernst Loycke, 20. November 1941, EZA 7 /11044, S. 9.

Auf das Heute angewandt, könnte man, mit Heinrich im Geiste, fragen: Ist das Beispiel von der NSDAP-Parteipolitik eines Dr. Johannes Heinrich ins Verhältnis zu setzen zu einem aus konservativen Kreisen heute oft gehörten Vorwurf: Die evangelische Kirche sei in ihren Hierarchien in eine parteipolitisch grüne, sozialdemokratisch-linke Linie eingeschwenkt und entferne sich damit vom eigentlichen Auftrag, die frohe Botschaft zu verkünden. Eben um z. B. Seenotrettungs-Kampagnen zu unterstützen.

Im oben genannten Brief heißt es beispielsweise:

„[Ich] will hier allerdings unbeachtet lassen, daß sich einige Herren Tehologen [sic] im Evang.Oberkirchenrat hin und wieder der einen oder anderen unfreundlichen Zuträgerei gegen mich aus meiner eigenen Behörde oder von außen zugänglich gezeigt haben. Dies trat stärker hinsichtlich der Angriffe der Bruderratsorganisationen gegen mich wegen der disziplinaren Behandlung der VKL-Mitglieder [VKL = „Vorläufige Kirchenleitung“ der Bekennenden Kirche] aus Anlaß ihrer Haltung gelegentlich der ersten Tscheschenkrise [sic] im Herbst 1938 zutage (Gebetsordnung der VKL aus Anlaß des bevorstehenden Kriegsausbruchs).“

Brief Konsistorialpräsident Dr. Johannes Heinrich an Vizepräsident D. Ernst Loycke, 20. November 1941, EZA 7 /11044, S. 10.

Zwei Fälle ins Verhältnis setzen

Diese Gegenüberstellung soll nicht verhehlen, dass es oft fehl am Platze erscheint, historische Bilder zu bemühen.[f] Ist die NS-Zeit nicht zu weit enfernt von unseren heutigen Lebensrealitäten, um dem Studium damaliger Verhaltensweisen und mentaler Rahmen etwas für das heutige Staat-Kirche-Verhältnis abzugewinnen? Es ist klar, dass im aktuellen „Fall Dreher“ keinerlei existentielle Folgen abweichender Meinung im Raume standen wie in gänzlich anderen Kontexten 1933 bis 1945.

Gleichzeitig sagen beide Vorgänge etwas über unsere heutigen Fragen von christlicher Verantwortung für ein politisches Gemeinwesen aus. Wir bewegen uns mit all unserem historischen Ballast und auch überlieferten Weisheiten in einem Spannungsfeld. Kirche und Staat waren und sind keine frei flottierenden Systeme, sondern stehen gerade im Fall Deutschlands in einem komplizierten Austausch miteinander.

Fragen, die es zu diskutieren lohnt

  • Ist ein theologischer Streit über die konkreten Auswirkungen der Zwei-Reiche- und Regimente-Lehre (ZRRL) legitim?
  • Welche Folgen haben die einzelnen Deutungen in praktischer Weise, jeweils in ihrer Zeit?
  • Wie geht „die Kirche“ mit jemandem um, d* eine andere Meinung als die h.M. einnimmt?
  • Wie aktiv hat sich Kirche im „Dritten Reich“ an weltlicher Politik beteiligt?[g]

[a] Ein Thema, bei dem man ethisch argumentieren kann, dass die Menschenrechte für Christenmenschen der Maßstab der Beurteilung sind, vgl. Wolfgang Huber, Ethik. Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod. München: C. H. Beck, 2013, S. 117 ff. Huber gibt zu bedenken, dass das Verhältnis zwischen „Nächstenethik“ und „Fernstenethik“ ein kontroverser Bereich in der Reflexion menschlicher Lebensführung ist. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz bekennt sich zu der Seenotrettungs-Aktion, die im weiteren Beitrag genannt wird. Gleichzeitig wird auf der entsprechenden Internetseite Verständnis für Kritik an der Aktion thematisiert. https://www.ekbo.de/themen/kirche-politik/seenotrettung.html (zuletzt aufgerufen: 15.2.2021).

[b] https://www.united4rescue.com (zuletzt aufgerufen: 15.2.2021). Die SeaWatch 4 wurde zu großen Teilen vom Bündnis „United4Rescue – Gemeinsam Retten“ finanziert, das maßgeblich durch die evangelische Kirche gegründet wurde (über einen rechtlich unabhängigen Trägerverein „Gemeinsam retten e. V.“, der auch von diesem Q-Team-Projekt unterstützt wird. Betrieben wird das Schiff allerdings vom Verein SeaWatch, unterstützt auch durch Spenden des Bündnisses. Betreibt Kirche also wirklich Seenotrettung? Und wie ist eine solche Haltung zu bewerten?

[c] Die hier zitierten Ausgaben des Korrespondenzblattes finden sich als PDF online: Ausgabe 10/2020 –> https://www.pfarrverein-bayern.de/system/files/dateien/kblatt-2010.pdf; Ausgabe 7/2020 –> https://www.pfarrverein-bayern.de/system/files/dateien/kblatt-2007.pdf (zuletzt aufgerufen: 15.2.2021)

[d] https://relilex.de/Zwei-Reiche-Lehre/ (zuletzt aufgerufen: 23.3.2021)

[e] Ev. Zentralarchiv 7/11044. Dies ist auch die Quelle für die weiteren Ausführungen zu Dr. Johannes Heinrich in diesem Beitrag

[f] So etwa der Befund, selbst für „Anspielungen“ auf die Herausforderungen in der aktuellen Migrationspolitik biete die Flüchtlingsfrage in Deutschland nach 1945 keinerlei strukturelle Voraussetzung https://zeitgeschichte-online.de/themen/die-fluechtlingsfrage-deutschland-nach-1945-und-heute (zuletzt aufgerufen: 1.2.2021).

[g] Dies sind Fragen, die in beiden Q-Teams (Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21) diskutiert wurden. Zum Q-Team siehe in diesem Blog https://blogs.hu-berlin.de/kircheimns/q-team/ (zuletzt aufgerufen: 15.2.2021). Studierende und Dozierende gleichermaßen sind sich einig, dass es wichtig ist, weiterhin Fragen zu formulieren. So lohnt sich die Frage, was kirchliche „Gedächtnismale“ uns zeigen können? Sind sie wichtige Erinnerungsorte (lieux de mémoire)? https://blogs.hu-berlin.de/kircheimns/2021/04/25/trauer-ehrung-und-schuld-gedaechtnismale-fuer-opfer-der-ns-diktatur-und-des-2-weltkrieges-in-berliner-evangelischen-kirchengemeinden/ (zuletzt aufgerufen: 28.4.2021) Auch der erste Konsistorialpräsident, der in der NS-Zeit in Berlin das Ruder übernahm, war ein Beispiel für die Verstrickung von Kirchenpersonal in nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ https://blogs.hu-berlin.de/kircheimns/2020/08/24/konsistorialpraesident-paul-walzer-symptomatisch-fuer-kirche-in-berlin-und-brandenburg-in-der-zeit-1934-und-danach/ (zuletzt aufgerufen: 15.2.2021)


SFR – Selected Further Reading

  • Rainer Bookhagen, Die evangelische Kinderpflege und die Innere Mission in der Zeit des Nationalsozialismus. Mobilmachung der Gemeinden, Bd. 1: 1933 bis 1937 (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Serie B, Bd. 29), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1998 (Digitalisat verfügbar unter: https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00046528_00001.html, zuletzt aufgerufen: 26.4.2021) – Monographie über einen Teil der Diakoniegeschichte im Nationalsozialismus, in dem die Vorgeschichte von Dr. Johannes Heinrich als Schatzmeister des Central-Ausschusses für die Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche skizziert wird; so seine Erlangung der Position auf ausdrücklichen Wunsch des Reichskanzlers Heinrich Brüning, der als nationalkonservativer Katholik zeitweise eine Einbindung der Nationalsozialisten in seine Politik befürwortete.
  • Evangelischer Pressedienst (Hrsg.), An Bord. Die erste Mission der „Sea-Watch 4“. powered by United4Rescue. Fotografien von Thomas Lohnes, Frankfurt a. M. 2020, als PDF verfügbar: www.united4rescue.com/download/U4R_Fotobuch_An_Bord_Die_erste_Mission_der_Sea-Watch_4_powered_by_United4Rescue.pdf (zuletzt aufgerufen: 23.3.2021) – Bildband, der sich um ein „realistisches Bild“ bemüht und „in gewisser Weise das andere Europa, eines der Solidarität und Humanität“ zeigt (Zitate aus dem Vorwort von „United4Rescue – Gemeinsam Retten“).
  • Katrin Hatzinger, Mehr als ein kritischer Gegenüber. Zur Rolle der evangelischen Kirche auf europäischer Ebene, in: Roland Herpich, Patrick R. Schnabel, Andreas Goetze (Hrsg.), Religion. Macht. Politik. Wie viel Religion verträgt der Staat? Berlin: Wichern, 2015, S. 208-226 – Aufsatz, der die unter anderem kirchliche „Advocacy“ im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik als Beispiel für kritische Begleitung von EU-Politikfeldern unter die Lupe nimmt.
  • Katharina Körting, Die Liquidierung der Vergangenheit. Wie sich die evangelische Kirche auf den Grundlagen ihres Versagens restaurierte, Vechta: Geest-Verlag, 2021 – Persönlicher Essay, der sehr kritisch die erinnerungskulturellen blinden Flecken nachweist und immer wieder die Brücke in Herausforderungen der Gegenwart schlägt.
  • Christiane Kuller und Thomas Mittmann, „Kirchenkampf“ und „Societas perfecta“. Die christlichen Kirchen und ihre NS-Vergangenheit, in: Zeitgeschichte-online, Dezember 2014, URL: https://zeitgeschichte-online.de/themen/kirchenkampf-und-societas-perfecta (zuletzt aufgerufen: 26.4.2021) – Überblicksartikel, der ebenfalls ein Verhältnis eröffnet: das zwischen evangelischer und katholischer „Auftragsforschung“ zur eigenen NS-Geschichte.
  • Nadja Schlüter, Raphael Weiss, Federico Delfrati, u. a., Ein Jahr, acht Schiffe, mehr als 3500 gerettete Menschen, Online-Projekt von sueddeutsche.de/jetzt.de: https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/seenotrettung-im-mittelmeer-2020-die-bilanz-e670960 (zuletzt aufgerufen: 26.4.2021) – Digitalprojekt, in dem bezeichnenderweise die vornehmliche auf kirchliche Initiative hinter dem 2020 erstmals eingesetzten Rettungsschiff „Sea-Watch 4“ nicht thematisiert wird.

Über die Autoren

Jan Mävers, Evangelischer Religions- und Gemeindepädagoge M.A., ist Vikar in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Im Rahmen seines Sondervikariats in der Dienststelle des Länderbeauftragten für die Länder Berlin und Brandenburg befasste er sich mit der politischen Rolle der Kirche – heute und in der Vergangenheit.

Dr. Johan Wagner ist Referent für Fördermittelrecht der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Er gehört zum Lehrbeauftragten-Pool des Instituts für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsinteressen und Arbeitsgebiete sind Europäische Integration, Pressegeschichte, europäische Beziehungen zur arabischen Welt, Wissenschaftsstrategie, konfessionelle Entwicklungen in Europa, europäische Konflikt- und Friedensgeschichte, siehe auch: https://www.clio-online.de/researcher/id/researcher-5652

Transparenzhinweis: Seit der Gründung des Bündnisses „United4Rescue – Gemeinsam Retten“ im Dezember 2019 ist Jan Mävers dort Fördermitglied. Im Zuge der Diskussionen in den Q-Teams ist auch das Q-Team-Projekt dort Mitglied geworden.

Update 5/2023: Ergänzung Arbeitskopie Bild Konsistorialpräsident Dr. Johannes Heinrich.

9. April 2021 | Veröffentlicht von jan.maevers@gemeinsam.ekbo.de | Kein Kommentar »
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Mikrogeschichtliche Studie zur Positionierung und Entnazifizierung der evangelischen Kirche Berlins – am Beispiel der Kirchengemeinde Lichtenrade

verfasst von Raphael Wöstmann & Nadja Martin

Anhand der folgenden Arbeit soll ein Einblick ermöglicht werden, welche Position die evangelische Kirche in der NS-Zeit einnahm und warum die Entnazifizierung dort nur teilweise funktioniert hat. Dazu wird diese Studie auf die Allgemeinsituation der evangelischen Kirche während der Zeit des NS eingehen und sich anschließend mit den grundsätzlichen Schwierigkeiten der Entnazifizierung befassen. Dies soll durch ein Beispiel, der willkürlich ausgesuchten Dorfkirche der Gemeinde Lichtenrade, veranschaulicht werden.

Allgemeines

Im Zuge der Entnazifizierung durch die Alliierten sollten Personen festgestellt werden, die während des NS Regimes eine Funktion im politischen oder öffentlichen Dienst bekleidet haben. Indem diese Personen ihre Position aufgeben mussten beziehungsweise eine derartige nicht mehr wiedererlangen konnten, sollte Deutschland von der nationalsozialistischen und militaristischen Gesinnung befreit werden. Dieser Vorgang wurde jedoch deutlich erschwert, da sich die Alliierten zuerst darauf konzentrieren mussten, die wichtigsten Versorgungseinrichtungen wieder aufzubauen, um somit eine gewisse Stabilität im Land zu schaffen. Da die Besatzungsmächte vorerst eigenständig über die Kompetenzen der einzustellenden Personen urteilen mussten, kam es zu Beginn des Entnazifizierungsprozesses aber oftmals zu Fehlentscheidungen oder wiederholten Änderungen. So wurden schließlich umfangreiche Fragebögen erstellt, die den Alliierten eine erleichterte Auswahl ermöglichte. Sobald nachgewiesen wurde, dass eine Person mehr als nur Mitläufer des nationalsozialistischen Systems war, wurde diese ohne Rücksicht auf etwaige monetäre oder rechtliche Ansprüche aus ihrem Amt entlassen. Ein wichtiges Kriterium, welches zur direkten Entlassung führte, war der Beitritt der NSDAP vor dem ersten Mai 1937. Hinzu kamen viele weitere Merkmale, die sich zusätzlich zur Politik und Verwaltung auf die Bereiche der Wirtschaft, Militär sowie Einzeltaten bezogen. 
Die Zugehörigkeit zu den Deutschen Christen zählte ebenfalls zu diesen Merkmalen, wurde jedoch in der Regel nicht wirklich schwer gewichtet, sodass es zumeist höchstens zu einer Entlassungsempfehlung kam. (vgl. Vollnhals S.45 ff.) Die Evangelische Kirche lehnte diesen staatlichen Eingriff seit 1946 auch öffentlich ab.

Die Alliierten verließen sich darauf, dass die Kirchen selbständig dafür Sorge tragen würden, ehemalige Nazis nicht weiterhin zu beschäftigen, da sie die Evangelische Kirche zu Beginn der Besetzung unter dem Deckmantel der bekennenden Kirche als anti-nationalsozialistisch und als moralisch unangetastete Autorität des Widerstands sahen. (vgl. Vollnhals S.13) Die Im Verlauf der Neubesetzung stellte sich zwar heraus, dass die Bekennende Kirche nicht per se gegen den Nationalsozialismus und Militarismus gewesen ist, dennoch wurde es in den meisten Fällen nicht ausführlich überprüft. (vgl. Weitzel S.156)

Die evangelischen Kirchen Berlins in Zeiten des Nationalsozialismus: 

In mehr als der Hälfte aller Gemeinden Berlins kam es während der NS-Zeit zu internen Spaltungen. Grund hierfür waren in der Regel die unterschiedlichen Auffassungen der Gemeindemitglieder, bezüglich der kirchlichen Autonomie. Die Deutschen Christen wollten eine völkisch kompatible Reichs-und Führerkirche. Den Anhängern der Bekennenden Kirche ging es hauptsächlich um die Bewahrung der Bekenntnisgrundlagen und Selbstständigkeit der Kirche.
In Kirchen, in denen die Deutschen Christen die Oberhand gewonnen hatten, konnte es durchaus vorkommen, dass Politik und Kirche fast untrennbar wurden und während der Gottesdienste sogar das Horst-Wessel-Lied mit erhobenem rechtem Arm gesungen wurde oder anstelle der Bibel eine Ausgabe von Adolf Hitlers “Mein Kampf” zu Hochzeiten oder Konfirmationen verschenkt wurde.

Dorfkirche Lichtenrade im Nationalsozialismus

Diese Spaltung wird auch am Beispiel der evangelischen Kirchengemeinde Lichtenrade deutlich. Im Zuge der Kirchenwahlen im Jahr 1932 traten drei Listen an. Die christlich unpolitische Liste, welche die Mehrheitsmeinung des ansässigen Bürgertums vertrat und durchaus mit der politischen Agenda der Nationalsozialisten sympathisierte, aber die Bereiche der Politik und Kirche getrennt voneinander wollte. Zusätzlich gab es die Liste des evangelischen Gemeinschaftsbundes, der großen Wert auf Gemeindeaktivitäten außerhalb des Gottesdienstes legte und eine pietistische Einstellung vertrat. Als dritte Liste gab es die Liste der Deutschen Christen, auf der die gesamte Führung der NSDAP-Ortsgruppe gelistet war. 


Bei der Wahl erreichten die Deutschen Christen nur circa ein Drittel der Stimmen. Nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 wurde allerdings schließlich die Umwandlung der evangelischen Kirche in eine ins Führersystem passende Reichskirche angestrebt.  So kam es nach Änderung der Kirchenverfassung im Juli 1933 vermehrt zu Differenzen zwischen Evangelischen, die den Nationalsozialismus zwar befürworten, sich aber gegen eine Politisierung der Kirche wehrten und den Deutschen Christen, die versuchten eine gemeinsame Reichskirche zu schaffen, um die politische Agenda auch im Gotteshaus durchzusetzen. Die Oberhand gewannen schließlich die Deutschen Christen durch Einheitslisten, in denen sie selbst in der Regel mindestens zwei Drittel der Sitze einnahmen. 
Eine derartige Einheitsliste gab es auch in der Gemeinde Lichtenrade. Hier wurde keine Gegenliste aufgestellt und so kam es auch dort, ohne eine wirkliche Wahl, zu einer Neubesetzung der Kirchengemeinde. (vgl. Weitzel S.128 ff.) Der zu diesem Zeitpunkt amtierende Pfarrer Willy Röglin war zwar ein großer Befürworter der NS-Politik (Mitglied NSDAP seit 1933), sprach sich aber deutlich gegen die Politisierung der Kirche aus. So wurde er nach Änderung der Kirchenverfassung darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine bisher von ihm eingesetzte kommissarische Gemeindeleitung durch Mitglieder der Deutschen Christen abgelöst werden würden.


Da ihm eine Neuordnung befohlen wurde, entwarf Pfarrer Röglin einen Fragebogen, um die politischen Ansichten der Bewerbenden im Vorfeld zu erkennen. So versuchte er auf Grundlage des Fragebogens ein Mitglied der Deutschen Christen und überzeugten Nationalsozialisten für die zweiter Pfarrerstelle ausfindig zu machen. Der Fragebogen enthielt neben allgemeinen Fragen zur Person, die Frage der „arischen“ Abstammung sowie eine Befragung zur Ehefrau. Nach politischer Tätigkeit und Beschäftigung seit 1919 wurde ebenfalls gefragt. Dieses Vorgehen bestätigt deutlich die nationalsozialistische Gesinnung Röglins, da dieser Fragebogen noch vor der Eingliederung des Arierparagraphen in den Kirchen die Frage der „arischen“ Herkunft anführte. 
Schließlich wurde Heinrich Müller (Mitglied der NSDAP seit 1928) zum zweiten Pfarrer der Kirchengemeinde auserwählt. Müller, selbst ein begeisterter Nationalsozialist, befasste sich in der Gemeinde hauptsächlich mit der Parteiarbeit. Gottesdienste und Gemeindearbeit waren für ihn eher nebensächlich und uninteressant. So verbrachte er viel Zeit damit, bei SA-Veranstaltungen zu predigen. Es wird sogar berichtet, dass er seine SA-Uniform in der Kirche unter seinem Talar trug und die begehrten alten Kirchenlieder durch neue politisch geprägte Versionen ersetze. (vgl. Weitzel S.133 ff.) Seine Predigten waren ebenfalls sehr politisiert.

In einem Beispiel einer Predigt wird Adolf Hitler direkt zitiert:
„Der deutsche Führer sagt: mein christliches Gefühl weist mich hin auf meinen Herrn und Heiland als Kämpfer. Es weist mich hin auf den Mann der einst einsam, von wenigen umgeben diese Juden erkannte und zum Kampf gegen sie aufrief und der wahrhaftige Gott, nicht der Größte war als Dulder, sondern als Streiter.“  ( Weitzel S.140)


Müllers radikaler Versuch die Lichtenrader Kirchengemeinde zu Politisieren, führte schließlich zu ausgeprägten Differenzen zwischen ihm und Röglin. Da Röglin vehement eine Trennung zwischen Kirche und Politik forderte, entstand im Laufe der Zeit eine immer tiefer werdende Feindschaft zwischen ihnen. Diese wurde sogar so groß, dass Müller versuchte, Röglin aus der Kirchengemeinde zu vertreiben. 
Im Jahr 1940 wurde Müller schließlich zur Wahrnehmung seiner Wehrpflicht einberufen, woraufhin er die Kirchengemeinde Lichtenrade verließ, um dieser nachzukommen. Sein Pfarrdienst hätte ihn eventuell davon befreien können, jedoch entschied er sich aus freien Zügen den Dienst wahrzunehmen. Pfarrer Röglin hingegen blieb für den gesamten Kriegsverlauf in seiner Funktion als Pfarrer in der Lichtenrader Kirchengemeinde. (vgl. Weitzel S.146)

Doch was passierte nach 1945 mit den beiden Pfarrern?

Müller gab schließlich im Jahr 1944 seine Rolle als Pfarrer mit Aussicht auf eine Anstellung als Regierungsrat in der Finanzverwaltung im Reichsprotektorat Böhmen Mähren von der Front aus auf. Nachdem der Krieg schließlich endete und ihm diese Position nicht mehr zur Verfügung stand, ließ er nichts unversucht, um seine Rechte des Geistlichen Standes wiederzuerlangen. So machte er ab 1945 erst selbst den Versuch und anschließend über die Landeskirche Hannover seinen Geistlichen Stand zurückzuerhalten. Das Konsistorium in Berlin erwiderte jedoch, dass Müllers Personalakten zwar durch ein Feuer im Februar 1945 zerstört worden seien, sie eine Wiedereingliederung aber auf Grund von Müllers Gesinnung sowie Verhaltens nicht befürworten könnten. Im Jahr 1949 versuchte es Müller erneut, dieses Mal sogar mit Hilfe der Landeskirche Sachsens, um erneut als Pfarrer arbeiten zu können. Müllers finanzielle Lage war mittlerweile so miserabel, dass er zwischenzeitlich sogar als Straßenarbeiter sein Geld zu verdiente. Da die Personalakten nicht mehr vorhanden waren, schickte das Berliner Konsistorium zu ihrer vorangegangenen Antwort, ein antisemitisches Flugblatt Müllers aus der NS-Zeit, um seine Gesinnung zu verdeutlichen und somit die im Vorfeld getroffene Entscheidung zu bestärken.
Im November 1956 erhielt das Konsistorium Berlin auf Anfrage jedoch schließlich die Benachrichtigung, dass Pfarrer Müller Inhaber der Pfarrstelle in der Nähe von Zittau in Sachsen sei. Unterschrieben wurde diese Erklärung vom ehemaligen HJ-Justiziar Dr. Herzog, welcher im Zuge der Entnazifizierung seine Position im Staatsdienst verloren hatte. ( Online-Quelle Sächsiche Biografie zu Gustav Wilhelm Heinrich Herzog)

Röglin hingegen bekleidete auch noch nach 1945 die erste Pfarrstelle der Gemeinde Lichtenrade. Schnell wurden allerdings innerhalb der Kirchengemeinde Stimmen laut, die seine nationalsozialistischen Ansichten verurteilten, woraufhin Röglin Lichtenrade schließlich verließ. Zu seinem Verlassen der Gemeinde finden sich nur noch widersprüchliche Informationen. Entweder wurde er dauerhaft beurlaubt oder er ist eigenständig gegangen – ohne seine Amtsgeschäfte ordentlich zu übergeben. Laut Konsistorium der Mark Brandenburg versuchte er vor Eintreffen der Roten Armee die Gemeinde zu verlassen, was ihm jedoch scheinbar nicht gelang, da er anschließend wieder zurückkehrte. Darüber hinaus sollte er kein Pfarramt mehr in Berlin oder Umgebung bekleiden, könne dies aber durchaus anderenorts tun. Ab April 1947 erhielt Röglin schließlich Unterstützung als nicht beschäftigter aktiver Geistlicher durch die Landeskirchenkasse zu Darmstadt.

Fazit

Diese mikrogeschichtliche Miniatur über die Kirchengemeinde Lichtenrade verdeutlicht gut, dass in der evangelischen Kirche keine lückenlose Entnazifizierung stattgefunden hat. Die Tatsache, dass sowohl Pfarrer Röglin als auch Pfarrer Müller trotz Angehörigkeit der NSDAP erneut Zuwendungen der Kirche erhielten, ist nicht nur äußerst bedenklich sondern wiederspricht auch dem Grundgedanken der Entnazifizierung. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass auch viele andere nationalsozialistische Pfarrer in den Nachkriegsjahren weiterhin geistliche Positionen besetzen durften und sich ihrer Schuld nicht stellen mussten. Macht man sich bewusst, welche dramatischen Taten auf den Nationalsozialismus zurürckzuführen sind und wie viele unschuldige Opfer dieser forderte, ist es schlichtweg inakzeptabel, überzeugte Nationalsozialisten ungestraft davon kommen oder sie gar weiterhin predigen zu lassen. Hier hätte die Kirche ihre Pflichten besser wahrnehmen und für eine lückenlose Aufklärung Sorge tragen müssen. Allein die Vorstellung, dass ehemalige Nationalsozialisten noch für lange Zeit hauptamtlich für die Kirche tätig waren, ist inakzeptabel und sollte nicht toleriert werden.

Literaturnachweise

https://saebi.isgv.de/biografie/Heinrich_Herzog_(1909-1984), letzter Zugriff: 28.4.2021.
Vollnhals C. R. Oldenbourg Verlag München (1989): Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945-1949. Die Last der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Weitzel R., Evangelisches Leben in Lichtenrade, in: Bräutigam A., Fenzau M., Quilitzsch T., Sand L., Schneider D., Schneidewind S., Weitzel R., Zantow R. Geschichtswerkstatt Berlin Lichtenrade (1990): Direkt vor der Haustür. Berlin Lichtenrade im Nationalsozialismus.

Herr Dr. Hansjörg Buss hat in einem Entwurfsstadium wissenschaftliche Beratung für diesen Blogbeitrag geleistet.