IN RICHTUNG

Beitrag & Bild von Swantje Opitz

Ich stecke meine Hände tiefer in die Jackentaschen und ziehe die Schultern weit nach oben. In
kleinen, schnellen Bewegungen trete ich von einem Bein auf das andere, während die Kälte bei jedem
Auftippen von unten durch die Löcher in den ausgetretenen Stiefeln kriecht.
Der Schnee knirscht. Das Meer ist still.
Mein Blick folgt dem warmen Atem, der in fast unsichtbaren Wolken vor mir herzieht, Richtung
Süden. Fast alles liegt südlich von hier. Fast alles. Der Nordpol nicht, Svalbard nicht, das Nordkap
nicht. Aber fast alles. Und kurz fühle ich mich, als stünde ich am Ende der Welt.
Als stünde ich am Rand. Und es ist einsam. Und es ist dunkel. Und es ist kalt.
Und nach Süden zu schauen, heißt zurückzuschauen, heißt zurückzudenken, heißt zurückzusehnen,
heißt festzuhängen in der Spirale und dort, wo man ein halbes Jahr lang Schneebälle am Strand
werfen kann. Dort, wo man auf Seen laufen und in Bergen fahren kann. Dort, wo ich nach unten sehe,
um nicht zu fallen, anstatt nach oben, um nichts zu verpassen.
Mein Blick folgt meinem warmen Atem. Dorthin, wo die Lichter hinter den Bergspitzen aufsteigen
wie Rauch aus einem Feuer. Tief sauge ich die kalte Luft ein, drehe mich um und gehe nach Hause.

5. Februar 2022 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied
Veröffentlicht unter ERASMUS & Co.

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