Nordnorwegen-Exkursion

Beitrag und Fotos von Anna-Mariya Mushak

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Hintergrund und Vorbereitung der Exkursion

Als Vorbereitung auf die Exkursion diente der Kurs Naturkulturen. Natur in Nordnorwegen und Sápmi, der in den Sommersemestern 2020, 2021 und 2022 stattgefunden hat, an dem sowohl Bachelor- als auch Master-Studierende der Skandinavistik teilgenommen haben. Die Pandemie hat die Organisation der Exkursion verzögert, weswegen die ursprünglich für das Sommersemester 2020 geplante Exkursion erst in diesem Jahr stattfinden konnte. Neben dem zentralen Thema Natur standen im Fokus des Seminars Aspekte wie das Verhältnis zwischen Mensch und Tier und besonders die indigene Bevölkerung der Sámi: ihre Geschichte, ihre Kunst und Literatur sowie moderne samische Identitäten. Anhand mehrerer Gastvorträge konnten wir uns mit diesen Thematiken vertraut machen und sie später sowohl in eigenen Arbeiten als auch während der Exkursion vertiefen. Im Rahmen des Kurses hielt Ralph Tuchtenhagen, Professor für skandinavistische Kulturwissenschaft am NI, einen Gastvortrag über den Lapplandkrieg. Auf Einladung der norwegischen Botschaft Berlin hielt Harald Gaski, Professor für samische Kultur und Literatur an der Samischen Hochschule (Sámi allaskuvla) und der UiT (Norwegens arktischer Universität), einen öffentlichen Vortrag zum Thema „On our own terms: Sámi art and research from representation to self-representation“, den die Seminarteilnehmenden auf Facebook mitverfolgen konnten. Im Zuge des Kurses lasen die Studierenden zudem den Roman „Våke over dem som sover“ des norwegischen Schriftstellers Sigbjørn Skåden, der ebenfalls bei einer Sitzung zu Gast war.

Sámi: Historischer und sozialer Kontext

Die samische Bevölkerung ist ein indigenes finno-ugrisches Volk, das in Norwegen, Schweden, den nördlichen Teilen Finnlands und auf der Kola Halbinsel in Russland lebt. Dieses geographische Gebiet wird von seinen Bewohner_innen Sápmi genannt. Insgesamt leben dort etwa 100.000 Sámi, von denen ungefähr 40.000 eine samische Sprache sprechen. Zu der samischen Sprachfamilie gehören insgesamt zehn Sprachen, darunter Nordsamisch, Südsamisch und Lulesamisch. Die Mehrheit der samischen Bevölkerung in Norwegen spricht die nordsamische Sprache. Rückblickend auf die Geschichte litten die Sámi während der Norwegisierungspolitik (fornorskingspolitikk), die von etwa 1850 bis ungefähr 1980 andauerte, besonders an sprachlicher Unterdrückung.

Das Ende der Norwegisierungspolitik markierte der Alta-Konflikt, der in Norwegen von 1968-1982 andauerte und zu den bekanntesten der Konfrontationen zählt. Ursprünglich war sein Ziel, gegen den von der norwegischen Regierung geplanten Ausbau des Staudamms am Alta-Fluss zu protestieren. Diese Auseinandersetzung entwickelte sich jedoch schnell zu einem Kampf um die Kultur und die Rechte der Sámi. Dadurch gewann die samische Bevölkerung eine hohe Medienaufmerksamkeit auf nationaler und internationaler Ebene. Obwohl die Sámi den Konflikt nicht gewannen, rückten sie in kultureller und rechtlicher Hinsicht in das Zentrum der Aufmerksamkeit. In der Folge wurden sie beispielsweise im Jahr 1988 als indigene Bevölkerungsgruppe mit eigenen Rechten anerkannt und im Folgejahr wurde das samische Parlament (Sametinget) eröffnet.


Etappen der Exkursion: Tromsø –  Kautokeino –  Karasjok – Lakselv – Alta

Während der 10-tägigen Reise hatten wir ein umfangreiches Programm. Unsere Hauptstationen waren die norwegischen Städte Tromsø, Kautokeino, Karasjok und Alta. Dabei überflogen wir auf dem Weg nach Tromsø den Polarkreis (66°33′N) und erreichten auf der Fahrt von Lakselv nach Alta mit 71°0′N Kistrand kystfort den nördlichsten Punkt unserer Reise. Die Auswahl unserer Stationen wurde im Kontext unseres Kurses und der dort behandelten Themen getroffen. 

In Tromsø besuchten wir den Campus Tromsø der UiT(Norwegens arktischer Universität) und das dort ansässige Zentrum für Samische Studien Sesam (Senter for samiske studier).Hier empfing uns Else Grete Broderstad, die Politologin und Professorin für Indigenous Studies der UiT, im Árdna: dem samischen Kulturshaus der Universtität. Sie war ebenfalls eine Gastvortragende im Rahmen unseres Kurses am NI. Sie stellte uns nun die Arbeit des Zentrums und den Studiengang Indigenous Studies an der UiT vor. Außerdem erläuterte sie einige der gesellschaftlichen Probleme der samischen Bevölkerung in Norwegen, unter anderem, wie die Schulbildung für die samischen Kinder organisiert ist und welche Herausforderungen dabei bestehen. Dem Treffen folgte ein Besuch der Universitätsbibliothek, wo uns die Sondersammlungen, die die Arktis beziehungsweise Sápmi behandeln, vorgestellt wurden. Zudem bekamen wir eine Führung im Polarmuseum, wo wir einen Überblick über Arktisexpeditionen, Robbenjagd und die Geschichte von Svalbard erhielten.

In Kautokeino besuchten wir die Samische Hochschule (Sámi allaskuvla). Hier stehen samische Sprache, Traditionen, Lehre und Forschung im Vordergrund. Es werden verschiedene Bachelor- und Master-Studiengänge angeboten, die auf Samisch unterrichtet werden. Außerdem waren wir bei der örtlichen Vertretung der NIM, der Norwegischen Institution für Menschenrechte (Norges institusjon for menneskerettigheter) mit Hauptsitz in Oslo. Die Leitung des Büros stelllte uns die Fachgebiete und Hauptaufgaben der Institution vor.

In Karasjok besuchten wir die norwegische Niederlassung des Samischen Parlaments (nordsamisch: Sámediggi, norw.: Sametinget). Bei einem Rundgang bekamen wir einen Einblick in die politische Arbeit. Wir bekamen zudem die Gelegenheit, die derzeitige Präsidentin Silje Karine Muotka persönlich zu treffen. Außerdem waren wir im Sámi Museum (nordsamisch: RiddoDuottarMuseat, Abb.3), die größte Sammlung von kulturgeschichtlichen Artefakten der Sámi in Norwegen.

In Alta hatten wir dann nochmal die Gelegenheit, den Zweig-Campus Alta der UiT zu besuchen und bekamen dort zwei Vorlesungen, die die Inhalte unserer Kurse aufgriffen: samische (Gegenwarts)- Literatur sowie Toursimus und Event-Management in der Finnmark. Die Erlebnisse unserer Exkursion wurden in zahlreichen Fotografien festgehalten. Gemeinsam mit den Teilnehmenden wurde eine Auswahl an Bildern ausgesucht, die seit Semesterbeginn im Oktober in den Fluren des Nordeuropa-Instituts in einer eigenen Ausstellung präsentiert werden. Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

4. Juli 2022 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied
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