„Obwohl sie eine Frau ist“: Modis Äußerung entfacht neue Diskussion über Geschlechterstereotype in Indien

Nadja-Christina Schneider

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„Mahila hone ke baujud bhi“ – im Englischen mit „despite being a woman“ übersetzt – dieser selbstentlarvende Einschub in einer Rede, die der indische Premierminister Narendra Modi (BJP) Anfang Juni in Dhaka im Rahmen seines Staatsbesuchs in Bangladesch gehalten hat, sorgt seither für angeregte Diskussionen in der indischen Medienöffentlichkeit. Eigentlich wollte Modi darin das entschlossene Vorgehen von Premierministerin Sheikh Hasina im sog. Kampf gegen den Terror anerkennend hervorheben. Dies misslang ihm jedoch gründlich, denn eine unverändert patriarchale Haltung und unzeitgemäße Geschlechterstereotype sind nun die beiden ersten Assoziationen, die mit seinem denkwürdigen Auftritt in Dhaka in Verbindung gebracht werden. Unter dem Hashtag #despitebeingawoman postet seither eine stetig wachsende Zahl an Twitter-Userinnen und -usern ihre Kommentare und zahllosen Beispiele herausragender Leistungen und Errungenschaften von Frauen in Indien, aber auch satirische Inhalte und Karikaturen:

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Bei der Vorstellung seines Kabinetts im vergangenen Jahr wurde der neu gewählte Premierminister teilweise noch überschwänglich von den Medien dafür gelobt, dass sich der Frauenanteil darin auf fast fünfzehn Prozent erhöht hatte und ein Viertel der Ministerposten mit Frauen besetzt worden waren. Die hindunationalistische indische Volkspartei (BJP) hatte sich generell aus wahlstrategischen Gründen in den vergangenen Jahren eine Rhetorik der Geschlechtergerechtigkeit zu eigen gemacht und vor allem im Wahlkampf 2014 eingesetzt. Insbesondere die säkular begründete indische Frauenbewegung beobachtet dies mit großem Unbehagen, denn zahlreiche Äußerungen und Handlungen von BJP-Mitgliedern sowie von anderen hindunationalistischen Organisationen im Umfeld der Partei sind nach wie vor kaum mit einem egalitären, liberalen Feminismus in Einklang zu bringen. Folglich bot Modi vielen, die an seinem überzeugten Engagement für eine gerechtere Geschlechterordnung in Indien stets gezweifelt haben, mit seiner Äußerung geradezu eine Steilvorlage, um seine patriarchale Haltung zu kritisieren und ihn mit Spott zu bedenken.

Twitter ist jedoch auch ein Medium, das Premierminister Modi selbst äußerst erfolgreich für seine strategische Kommunikation mit fast 13 Millionen Followern nutzt und so ließ die Gegen-Hashtag-Kampagne #ModiEmpowersWomen ebenfalls nicht lange auf sich warten. Viele englischsprachige Medien weltweit scheinen dennoch ausschließlich über den Hashtag #despitebeingawoman zu berichten, der vielfach als „social media storm“ bezeichnet wird, den Modi durch seine Äußerung entfacht habe.

Diese Skandalisierung und die wachsende Zahl an Berichten von Medien über das, was sich in den sozialen Medien tut, sagen auf der einen Seite viel aus über die rapide gewandelten Medienumgebungen und kommunikativen Dynamiken in der indischen Gesellschaft. Auf der anderen Seite lässt die starke Medienresonanz auf Modis Äußerung aber auch die Zentralität von genderbezogenen Themen in dieser gewandelten indischen Medienlandschaft erahnen. Es ist zwar keinesfalls neu ist, dass die Situation von Frauen, Diskussionen über Frauenrechte und Gleichberechtigung oder genderbezogene Diskriminierung ein sehr großes Interesse der indischen Medien und generell in öffentlichen Debatten allgemein erfahren, doch die Medienberichterstattung und daran anknüpfende Anschlusskommunikation hat sich zweifellos im Zuge der fortdauernden Debatte über sexuelle Gewalt seit 2012 stark verdichtet.

 

19. Juni 2015 | Veröffentlicht von Prof. Dr. Nadja-Christina Schneider
Veröffentlicht unter Allgemein
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