Aufgrund einer technischen Umstrukturierung in der KOBV-Zentrale ist vom 28.03. bis einschließlich 04.04.2023 keine Fernleihe möglich. Der KOBV wird für diese Zeit abgeschaltet sein.
Das heißt, in dieser Woche können keine Neubestellungen aufgegeben und auch keine Fernleihen oder Aufsatzbestellungen bereitgestellt werden.
ACHTUNG: Medien, für die Sie bereits eine Bereitstellungs-E-Mail erhalten haben, können Sie wie gewohnt an der Servicetheke abholen.
Sollten Sie dringend Literatur oder Aufsatzkopien benötigen, haben Sie jedoch weiterhin die Möglichkeit, den externen Dienstleister Subito zu nutzen.
Beachten Sie hier bitte auch unsere Angebote für HU-Mitarbeitende:
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Die Angebote der Ortspolizeibehörden an die Universitätsbibliothek – beschlagnahmte Literatur im Geschäftsgang
In der zweiten Hälfte des Jahres 1934 und zu Beginn des Jahres 1935 erhielt die Universitätsbibliothek der Friedrich-Wilhelms-Universität – heute Humboldt-Universität – von nachweislich sechs preußischen Ortspolizeibehörden das Angebot, in deren Besitz befindliche beschlagnahmte Literatur zu übernehmen. In den Gemeinden war es jeweils der Bürgermeister, der als Ortspolizeibehörde fungierte. Die Universitätsbibliothek der Berliner Universität profitierte hier von einem Erlass des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934. Dieser Erlass regelte die Abgabe und Verteilung von Literatur, die bei den gewaltsamen Übergriffen der Nationalsozialisten auf ihre politischen Gegner geraubt oder aufgrund der im Frühjahr und Sommer 1933 erlassenen Gesetze über den Einzug kommunistischen und sogenannten volksfeindlichen Vermögens beschlagnahmt worden war.
Zehn Monate zuvor, am 24. Mai 1933, hatte der Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, Hugo Andres Krüß, aus einen Artikel im Berliner Tageblatt erfahren, dass große Mengen sogenannter Zersetzungsliteratur bei der Berliner Polizei lagerten und in Bälde vernichtet werden sollten. Um das Interesse der Preußischen Staatsbibliothek an dieser Literatur geltend zu machen, wandte er sich umgehend an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Als Bibliothek mit einem universalen Sammelspektrum sollte die Preußische Staatsbibliothek Belegexemplare aus der Menge der zur Vernichtung bestimmten Druckerzeugnisse beanspruchen dürfen. Ihre Erwerbungsabteilung erhoffte sich, auf diesem Weg in den Besitz von Grauer Literatur, also von Literatur, die nicht in einem Verlag erschienen war, zu gelangen, da ihr Pflichtexemplarrecht sich naturgemäß nicht auf diesen Bereich erstreckte. Im Fall, dass die Titel in den Beständen der Preußischen Staatsbibliothek schon vorhanden waren, sollten die Polizeibehörden ihre Angebote an die nächstgelegene Universitätsbibliothek weiterleiten. Als die Regelungen im Frühjahr 1934 vom Preußischen Finanzministerium erlassen wurden (am 16. Juli 1934 wurde der Erlass noch einmal abgeändert), war jedoch ein großer Teil der geraubten Bücher und Druckschriften bereits an der NS-Hierarchie nahestehende Interessenten verteilt, makuliert oder verbrannt worden.
Dementsprechend sind auf den Angebotslisten der Ortpolizeibehörden jeweils nur wenige Titel verzeichnet. Im Universitätsarchiv befinden sich fünf solcher Schriftwechsel mit lokalen Polizeibehörden, und zwar mit jenen in Cottbus, Königs Wusterhausen, Hennigsdorf, Reetz in der Neumark und Falkenberg (Mark). Für den Zugang aus der Gemeinde Gassen in der Niederlausitz existiert kein Schriftwechsel, sondern nur eine Eintragung im Akzessionsjournal Dona (Geschenke) 1934.
Drei der Absender – die Amtsvorsteher in Königs Wusterhausen, Hennigsdorf und Falkenberg – beschied die Bibliotheksleitung negativ. Die angebotenen Druckschriften waren bereits vorhanden oder kamen für die Universitätsbibliothek nicht in Frage, heißt es in den Antwortscheiben. Mit der abschlägigen Antwort wurden auch die Titellisten zurückgeschickt, so dass die darin aufgeführten Schriften noch weiteren Bibliotheken angeboten werden konnten.
Von den acht angeforderten und in den Akzessionsjournalen Dona 1934 und Dona 1935 verzeichneten Werken sind heute noch sieben im Bestand des Grimm-Zentrums vorhanden; lediglich der 1923 erschienene und von Arnold Zweig eingeleitete Band mit den poetischen Schriften Georg Büchners aus Gassen musste als Verlust benannt werden. Von den sieben erhaltenen Werken lassen sich einzig die von der Ortspolizeibehörde in Cottbus zugesandten »Spartakusbriefe« aufgrund des Stempels »Kommunistische Partei Deutschlands. Ortsgruppe Cottbus« einer bestimmten Organisation zuordnen. Zwei weitere Bücher, eines aus Cottbus und eines aus Reetz, sind mit einem Namenszug gekennzeichnet. Recherchen dazu stehen noch aus. Die übrigen tragen keinen Besitzvermerk.
Meist, aber nicht immer, ist bei den beschlagnahmten Werken ein thematischer Bezug zu den linken politischen Parteien oder Organisationen gegeben. So ist, obwohl die SPD in dem Anschreiben des Bürgermeisters von Reetz nicht erwähnt wird, aufgrund der Titel zu vermuten, dass die Besitzer der Werke der SPD angehörten oder zumindest nahestanden.
Wie die Bleistiftvermerke in der Liste zeigen, wurde bei jedem Titel geprüft, ob die Bibliothek bereits ein entsprechendes Exemplar besaß.
Daraufhin forderte der Direktor der Bibliothek Gustav Abb die noch nicht im Bestand vorhandenen Titel an.
Eine Woche später waren die nunmehr zugesandten Schriften in den Bestand aufgenommen.
Sofern sie als verbotene Literatur galten, wurden sie, wie der rote Klebezettel auf dem Schutzumschlag von „Das Jungbanner“ erkennen lässt, in einem gesonderten Abschnitt des Magazins aufgestellt und waren von der allgemeinen Benutzung ausgeschlossen.
Der Vorgang um die beschlagnahmten Schriften aus Reetz veranschaulicht, dass die Universitätsbibliothek Berlin mit beschlagnahmter Literatur ebenso verfuhr wie mit anderen eingehenden Geschenken. Wenn die angebotenen Titel noch nicht vorhanden waren und in das Sammelspektrum passten, wurden sie als willkommene Ergänzung des Bestands aufgenommen. Mit Zweitexemplaren belastete sich die Bibliothek ungern, es sei denn, dass sie als Tauschexemplare von Nutzen sein konnten.
#Bücherwege – Die Universitätsbibliothek untersucht derzeit ihre zwischen 1933 und 1945 zugegangenen Bücher auf Erwerbungskontexte, die auf beschlagnahmte, geraubte und erpresste Bestände in der NS-Zeit hinweisen. Die Verdachtsmomente werden flächendeckend erfasst, indem die erhaltenen Originalbestände und Erwerbungsakten systematisch durchgesehen werden. Ziel ist es, unrechtmäßige Erwerbungen zu dokumentieren und an die Anspruchsberechtigten und ihre Nachkommen zurückzugeben. Das Projekt wird bis 2024 durchgeführt und vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste gefördert.
Quellen
- Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin, UB 01, Nr. 667.
- Akzessionsjournale der Universitätsbibliothek (https://www.digi-hub.de/viewer/image/1455693378356/48/)
- Sören Flachowsky: Die Bibliothek der Berliner Universität während der Zeit des Nationalsozialismus, Berlin 2000.
- Cornelia Briel: Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet. NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945, Berlin 2013.
Verfasst von: Dr. Cornelia Briel