Archiv für Kategorie Bibliotheksgeschichte

Alles im Fluss! Ein Hoch auf 15 Jahre Grimm-Zentrum

Sicherlich sind einige von Ihnen bereits Nutzer:innen der ersten Stunde und können sich noch gut an die Anfangszeit im Grimm-Zentrum nach der Eröffnung am 12. Oktober 2009 erinnern. Damals setzte ein regelrechter Run auf das lang ersehnte, vom Schweizer Architekten Max Dudler entworfene, so herrlich zentral gelegene neue Hauptgebäude der Universitätsbibliothek ein. Der Hype sprengte alle Erwartungen und stellte Nutzer:innen, aber vor allem auch Planer und Bibliotheksbeschäftigte vor unerwartete Herausforderungen. Ursprünglich auf Grundlage der Anzahl der HU-Angehörigen konzipiert, strömte auch die interessierte Öffentlichkeit in den schmucken Neubau – manche aus bloßer Neugier, viele aber auch, um in zentraler Lage in den frei zugänglichen Beständen zu schmökern. Der große Zulauf war einerseits sehr erfreulich, andererseits mussten wir aber dafür sorgen, dass unsere eigentliche Zielgruppe, die HU-Angehörigen, vor Ort ungestört arbeiten konnte. Dies veranlasste uns zur Einführung der HU-Homezone – des einen Wohl, des anderen Weh -, die sich bis heute bewährt hat. Ein weiteres Problem bestand darin, dass viele Bibliotheksnutzer:innen aufgrund des Platzmangels morgens Plätze für sich und sogar für andere belegten, dann aber zunächst anderen Beschäftigungen nachgingen, um erst später am Tage die Plätze wirklich zu nutzen. Das zwang uns zur Einführung der Pausenregelung, dass Plätze nur für maximal eine Stunde verlassen werden dürfen. Um die Zeit einzustellen, liegen daher an allen Plätzen rote Pausenscheiben aus. Wer hätte gedacht, dass solche Maßnahmen mal in einer Bibliothek nötig werden würden!

Auch unsere Garderobensituation stößt mit Blick auf die Historie vielleicht auf mehr Verständnis. Die Garderobenfächer waren anfangs mit Schlüsseln versehen. Wir stellten jedoch nach kurzer Zeit fest, dass dies häufig zur Dauerbelegung von Fächern durch ein und dieselbe Person führte. Oftmals handelte es sich hierbei gar nicht um Bibliotheksnutzer:innen, sondern um Touristen oder andere Personen des Stadtpublikums, die ihre persönlichen Dinge dort lagern wollten. Kurzerhand musste nachgerüstet werden: Die Fächer im Erdgeschoss sind nunmehr mit der Mensa- bzw. Campuscard verschließbar, während man für die Fächer im Untergeschoss ein eigenes Vorhängeschloss benötigt. Auch dies eine vielleicht zunächst recht skurril anmutende Lösung mit glücklicherweise schnellem und hohem Akzeptanzfaktor, die inzwischen auch in vielen anderen Berliner Bibliotheken Usus ist. Vorhängeschlösser, unsere beliebte BibTasche, Schreibutensilien und viele weitere nützliche Dinge können Sie seit einigen Jahren direkt hinter dem Grimm Café im Automaten erwerben.

Nicht bewährt hingegen hatten sich die vorübergehend eingeführten Buchabholboxen „Jacob“ und „Wilhelm“, an die sich vielleicht einige langjährige Nutzer:innen noch erinnern: Zwei große graue Klötze standen vorübergehend auf der West- und auf der Ostseite im Erdgeschoss. Sie sollten die Buchabholbereiche ersetzen, erwiesen sich jedoch aufgrund ihrer enormen technischen Störanfälligkeit nicht als Erfolgsmodelle und wurden nach einigen Jahren wieder abgebaut – und der Buchabholbereich wieder in Betrieb genommen.

Aber sollte ein 15. Geburtstag Anlass dazu sein, ausschließlich Einschränkungen und Misserfolge Revue passieren zu lassen? Geplagt von den Widrigkeiten des bibliothekarischen Alltags, geht der Blick auf das Positive leider mitunter verloren. Aber der lohnt sich, denn über die letzten 15 Jahre haben wir unsere Services kontinuierlich ausgebaut und in vielen Fällen flexibel auf die Wünsche unserer Nutzer:innen reagiert. Als wir feststellten, dass der Bedarf nach Gruppenarbeit enorm zunahm, widmeten wir kurzerhand zahlreiche Einzelarbeitskabinen im 3. OG zu kleinen Gruppenarbeitsbereichen für bis zu drei Personen um. Die ehemals öffentlichen Lounge-Bereiche über den Kuben im Foyer, die über die Jahre leider durch missbräuchliche Nutzung verunreinigt und verwahrlost waren, gestalteten wir zum zehnjährigen Jubiläum des Grimm-Zentrums zu geschlossenen, nur HU-Angehörigen zugänglichen Bereichen mit kleinen Separées für die Gruppenarbeit um. Die roten Loungemöbel, die in den Anfängen des Grimm-Zentrums charakteristisch für die Innenmöblierung waren, mussten weichen. Der Bereich rechts neben der Lehrbuchsammlung, vom Bibliothekspersonal intern als „Waben“ bezeichnet, wurde ebenfalls umfunktioniert. Dieser Bereich ist nunmehr für die Einzelarbeit bzw. zum Anlesen von Büchern aus der Lehrbuchsammlung gedacht. Last not least wurde anlässlich des zehnten Geburtstages die Zeitungslounge ummöbliert und mit schwarzledernen Sitzflächen versehenen Leseabteilen ausgestattet. Gestaltet wurden diese neuen Bereiche allesamt vom Architekturbüro Dudler, so dass sie sich perfekt in das architektonische Gesamtbild des Grimm-Zentrums einfügen.

An einen Gruppenarbeitsbereich der ganz besonderen Art haben wir von Anfang an gedacht: Unser Eltern-Kind-Bereich im 7. OG bietet Eltern die Möglichkeit, in Begleitung ihrer Kinder vielleicht zwar nicht in Ruhe, aber zumindest in Abgeschiedenheit zu arbeiten. Kindern stehen hier Spielsachen und sogar ein Bällebad zur Verfügung. Auch Schwangere dürfen sich gerne in diesen Bereich zurückziehen. Die Schlüsselkarte dafür gibt es beim Wachschutz.

Kleine „Finanzspritzen“ infolge der Corona-Pandemie ermöglichten uns die Anschaffung von Boxen für die Einzel- und Gruppenarbeit. In den Solo-Boxen kann man an Online-Formaten teilnehmen oder in Ruhe telefonieren. Sechs davon stehen im Erdgeschoss, ganz neu wurden vier weitere auf den oberen Etagen des Grimm-Zentrums verteilt. Zudem ermöglichen sechs Meeting-Boxen, die wir jeweils paarweise im 1., 2. und 4. OG aufgebaut haben, die ungestörte Gruppenarbeit für bis zu vier Personen. Die Boxen sind mit Bildschirmen versehen, die mit den eigenen mobilen Geräten verbunden werden können. Die Arbeitsbereiche sind aktuell über Aushänge reservierbar. Bald wird aber unser neues Raumbuchungstool BibRoomz das Buchen von Boxen, Gruppenarbeitsräumen und technischen Geräten erleichtern. Verknüpft sein wird BibRoomz mit unserem Rauminformationssystem V:Scout, das schon seit den Anfangsjahren Orientierung zu den Servicebereichen und – direkt aus dem Discovery System Primus heraus – zu den Beständen des Grimm-Zentrums bietet und neuerdings auch an unserem Standort Campus Nord verfügbar ist.

Apropos Orientierung! Kennen Sie schon Actionbound? Mit dieser App können Sie das Grimm-Zentrum und alle anderen Bibliotheksstandorte auf eigene Faust erkunden und zum Bibliotheksprofi werden. Bei der Gelegenheit können Sie sich die hier beschriebenen Bereiche gerne selbst anschauen und vielleicht Ihren persönlichen Wohlfühlort entdecken.

Last not least: Wussten Sie, dass Sie sich bei uns iPads ausleihen können, um sich z.B. auf Actionbound-Tour zu begeben oder um vor Ort an Online-Veranstaltungen teilzunehmen? Auch Konferenzkameras, intern „Eulen“ genannt, bieten wir für die Tagesausleihe an.

Wie lang 15 Jahre sind, sieht man nicht zuletzt am Umfang dieses Blogbeitrags. Wir danken Ihnen für die ausdauernde Lektüre, hoffen, dass Sie uns weiterhin die Treue halten, unsere Services gerne nutzen und uns inspirieren mit Ihren Wünschen und Nachfragen. Wir sind für Sie da: Schreiben Sie uns oder geben Sie uns mündlich Feedback* – wir nehmen es uns zu Herzen und werden Ihre Anregungen auch künftig dafür nutzen, unsere Services auszubauen!

Ihre Universitätsbibliothek

*Gerne in den nächsten Wochen auf der Feedbackwand im Foyer des Grimm-Zentrums oder – immer – über die ausliegenden Feedback-Karten.

Die Universitätsbibliothek wird 190 Jahre alt

Auch wenn die Berliner Universitätsbibliothek (heute: Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität) nicht zu den ältesten Universitätsbibliotheken Deutschlands gehört – im Vergleich: Heidelberg (1386), Leipzig (1543) oder Rostock (1569) ­– ist sie doch die älteste Berlins und besteht nunmehr seit 190 Jahren. Aus diesem Anlass haben wir ein kleines digitales Foto-Album zusammengestellt, das durch die Gebäude führt, in denen die UB bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts untergebracht war.

https://www.flickr.com/photos/hu-berlin-ub-sammlungen/albums/72157718612800356/with/51027779058/

Die Gründung der UB war nur unter der Maßgabe einer minimalen finanziellen Ausstattung vom König bewilligt worden. Dieser konnte sich nicht recht vorstellen, dass die Universität neben der „großen“, also Königlichen Bibliothek, eine eigene Bibliothek benötigte. Diese durfte 1831 nur „ohne Belästigung der Staats-Fonds“ eingerichtet werden. Anfallende Unkosten sollten daher aus Überschüssen, die die Universität an anderer Stelle erzielte, bestritten werden. Noch 1849 wurde auf Bitten des Ministeriums ein „Pro memoria“ über den Nutzen einer UB für notwendig erachtet. Entsprechend spartanisch war die UB einquartiert, meist in angemieteten Räumen.

Erst 1874 konnte ein, wenn auch viel zu kleines, eigenes Gebäude in der Dorotheenstraße bezogen werden – nicht zufällig in dem Jahr, in dem die Bibliothek eigenständig wurde und nicht mehr unter Oberaufsicht der Königlichen Bibliothek, der heutigen Staatsbibliothek, stand. Auch wurde das Personal spürbar erhöht. Erstmals stand auch ein eigener Erwerbungsetat zur Verfügung, der sich ebenso schnell als zu gering herausstellte. Die sich alsbald im neuen Haus zeigende Raumnot wurde seit 1900 gelindert.

Eine wirkliche Entspannung brachte erst die Errichtung des neuen Gebäudes für die Königliche Bibliothek auf dem Gelände des sogenannten Akademieviertels. Auch die Universitätsbibliothek war dort untergebracht. Ab 1910 belegte sie zunächst provisorisch den Gebäudeteil der Universitätsstraße 7, bis sie 1922 in die endgültigen Räume für die Verwaltung, Kataloge, Magazine und Benutzung in der Dorotheenstraße 81 (heute: 27) zog. Dazu gehörte der 296 Plätze umfassende große Lesesaal, der eine Handbibliothek mit schließlich über 40.000 Bänden besaß und leider im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde. Das letzte Jahrhundert verbrachte die UB also zum allergrößten Teil wieder als Untermieterin in der Staatsbibliothek. Die UB zog dort erst wieder aus, als die Hausherrin Eigenbedarf anmeldete und sie den Bezug des Grimm-Zentrums in der Nachbarschaft erwartete.

Die Seminar- und Institutsbibliotheken wurden im Übrigen weit später Teil dieser Geschichte, da sie erst im Zug der Hochschulreform 1968 administrativ der „Zentralen UB“ als Zweigbibliotheken unterstellt wurden.

Autor: Henrik Hofer

Quelle: Karl Friese: Geschichte der Königlichen Universitäts-Bibliothek zu Berlin. Berlin : Reimer, 1910 (Zitat S. 27).

https://www.digi-hub.de/viewer/image/BV042372167/9/
24. September 2021 | Veröffentlicht von Dr. Ulrike Schenk | Kein Kommentar »