Die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität erhält entliehenes Buch aus dem Vorbesitz der Brüder Grimm nach einem halben Jahrhundert zurück
Lange hat ein Nutzer der Universitätsbibliothek zu Berlin gebraucht, um in seinen Bücherregalen aufzuräumen: Nach einem halben Jahrhundert gab er ein seltenes Buch aus dem 18. Jahrhundert zurück. Das Werk mit dem Titel „Geschichte der Hofnarren“ von Karl Friedrich Flögel, erschienen 1789 und mit zwei Kupferstichen ausgestattet, ist besonders bemerkenswert, da es ursprünglich aus dem Besitz von Jacob und Wilhelm Grimm stammt. Die berühmten Philologen und Märchenforscher haben reiche Arbeitsspuren in Form von Notizen, Anstreichungen und Notizzetteln in dem Band hinterlassen.
Nach den Ausleihstempeln zu schließen, wurde das Buch im November 1968 für die Ausleihe außer Haus übergeben. Die späte Rückgabe erfolgte vor zwei Wochen per Post mit einem knappen Begleitschreiben: Der Nutzer habe den Band „durch 13 Umzüge mitgeschleppt.“ Er erläutert: „Es bestand nie die Absicht, es zu behalten. Ich gebe es hiermit zurück und bitte um Vergebung“.
Es ist keine Seltenheit, dass Bibliotheksnutzer ihre Ausleihen erst mit erheblichem Verzug zurückbringen – verbunden mit hohem Verwaltungsaufwand für die Bibliothek und oft erheblichen Kosten für die Delinquenten : über 42.500 Erinnerungsschreiben versendet die Universitätsbibliothek jährlich, gleichzeitig werden Säumnisgebühren in der Höhe von weit über 300.000 € im Jahr fällig, die allerdings nicht der UB zugutekommen, sondern in den allgemeinen Haushalt der Universität fließen.
Selbstredend können Bücher aus der Privatbibliothek der Brüder Grimm heute, anders als in den 1960er Jahren, nicht mehr nach Hause entliehen werden. 1989 wurde die Gelehrtenbibliothek weitgehend rekonstruiert und geschlossen aufgestellt, insgesamt ca. 5.500 Bände. Die Bücher werden jedoch in Führungen gezeigt und können in den Forschungslesesaal des Grimm-Zentrums bestellt werden, ein Teil der Bücher ist digitalisiert.
Die Arbeitsbibliothek der Brüder Grimm, die zum größten Teil in der Universitätsbibliothek in Berlin aufbewahrt wird, gilt als hochrangiges Kulturgut: Wegen der autographen Anmerkungen in den Bänden sind sie teure und begehrte Sammlerstücke. Ob es nicht doch das schlechte Gewissen war, das den Nutzer letztlich zum Aufräumen bewegt hat?
Ob die Universitätsbibliothek das seltene Buch schon vor 1970 gemahnt hat, ist unklar. Vielleicht wurde es von der damaligen Belegschaft schlichtweg übersehen, oder die Mahnschreiben erreichten den Adressaten aufgrund seiner vielen Umzüge nicht. Heute werden die Erinnerungsschreiben an säumige Bibliotheksbenutzer automatisch durch die Bibliotheks-Software Alma verschickt. Für das Grimm-Buch wären nach der heutigen Benutzungsordnung ca. 130 € fällig zuzüglich der Beschaffungskosten – bei dem unersetzlichen Unikat aus der Provenienz Grimm ist der ideelle und wissenschaftliche Wert jedoch unermeßlich.
Link zur Pressemitteilung der HU:
https://www.hu-berlin.de/de/pr/nachrichten/pm1706/nr_170628_00