Gastvortrag von Nina Khan am Institut für Indologie und Zentralasienwissenschaften der Universität Leipzig, 05.05.2015
Der Vortrag führte zunächst in das Forschungsfeld der „Neuen Geber“ in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ein und zeichnete aktuelle Entwicklungen und Debatten nach. Dabei wurde der langsame Umbruch der globalen Entwicklungshilfearchitektur – laut Woods (2008) eine „stille Revolution“ – skizziert und dessen Bedeutung nicht nur für strukturelle Veränderungen (wie z.B. die Diversifizierung der Geberlandschaft und die daraus resultierende größere Wahlmöglichkeit und stärkere Position der Nehmer) sondern auch für eine normative Pluralisierung der EZ konstatiert, die sich in Entwicklungsdiskursen wiederspiegelt.
Drei Grundannahmen bildeten den Hintergrund der folgenden Diskussion aktueller Kernthemen des staatlichen indischen Entwicklungsdiskurses. Erstens, dass die Beziehungen der Nord-Süd-EZ nach wie vor von asymmetrischen, rassifizierten Machtbeziehungen gekennzeichnet sind, die durch Entwicklungsdiskurse gestützt werden. Zweitens, dass der Neue Geber Indien als ehemals kolonisiertes und weiterhin Empfängerland, das als solches lange Zeit als „unterentwickelt“ und „rückständig“ kategorisiert wurde, nicht dieselbe Entwicklungsrhetorik der traditionellen Geber des Globalen Nordens verwenden wird. Drittens, dass alternative, eventuell gleichberechtigtere Entwicklungsdiskurse einen Einfluss auf die Machtbeziehungen in der EZ haben können.
Nach einer Einführung in die Geschichte, Struktur und den Umfang indischer EZ erfolgte ein Einblick in eine exemplarische Analyse des staatlichen indischen Entwicklungsdiskurses. Diese ergab mehrere wiederkehrende Themen, die anhand von Zitaten aus Artikeln des Indischen Außenministeriums, Aussagen indischer Politiker_innen sowie Webseiten und Publikationen staatlicher Entwicklungsprogramme veranschaulicht wurden. Kernthemen sind dabei Reziprozität, die Abgrenzung von traditionellen Gebern sowie Geber-Nehmer-Beziehungen, die Betonung einer Entwicklungspartnerschaft und der eigenen Erfahrungen als „Entwicklungsland“, eine geteilte Kolonialgeschichte sowie eine propagierte Süd-Süd-Solidarität.
Abschließend aufgeworfene Fragen beinhalteten die Kongruenz von staatlicher Rhetorik und EZ-Praxis, das Potential alternativer Diskurse für diskursive Verschiebungen im globalen Kontext, eventuell abweichende Diskursstränge je nach Nehmerland bzw. –Region und die Auswirkungen diskursiver Verschiebungen auf die tatsächlichen Machtbeziehungen in der EZ.