Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)
Digital-gesteuertes In-Stein-Meißeln ist – heute jedenfalls – etwas für die Kategorie Off-Topic wenn es um wissenschaftliche Kommunikation geht. Aber wer vermag schon zu sagen, ob sich daraus nicht Forschungsgegenstände für Kulturanalysen in einer entfernteren Zukunft ableiten lassen. Und wer Zeuge der Podiumsdiskussion vom 20.11.2014 im Grimm-Zentrum war, erinnert sich womöglich noch an die Aussage Horst Bredekamps, der meinte, dass von unseren digitalen Artefakten in 200 Jahren keine Spur geblieben sein wird, unsere Gegenwart also als Epoche nicht präsent sein kann, weil es dann einfach keine Überlieferungen gibt. Michael Seadle, Bibliothekswissenschaftler und Experte im Forschungsfeld der digitalen Langzeitarchivierung, sah dies zwar gelassener und erinnerte an LOCKSS (mehr dazu auch in diesem – noch heute verfügbaren – LIBREAS-Podcast mit David Rosenthal aus dem Jahr 2007). Aber bisher bleibt eine umfänglichere Archivierung digitaler Kommunikationen nach wie vor eine Herausforderung und die entsprechenden Strategien hatten naturgemäß noch gar keine Zeit, ihre Robustheit in praxi zu beweisen. Für die offizielle Kulturgeschichte der Bundesrepublik lagert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe jedenfalls nach wie vor so genannte Sicherungsfilme (seit 2010 auch in Farbe) in den Barbarastollen bei Oberried (Seite zum Objekt in der Wikipedia) und verspricht materiale wie inhaltliche Stabilität für mindestens 500 Jahre.
Einen subversiveren Ansatz verfolgt dagegen der Petroglyphomat, den der Designstudent Lorenz Potthast unter dem programmatischen Titel “Communication with the Future” unlängst vorstellte. Die Idee ist durchaus originell:
„The concept of the Petroglyphomat is a strategical reaction to the technical and financial boundaries which normally limit the possibilities to communicate a message to the future. The idea is to use long existing, important places which most likely will also exist for a long time in the future as infrastructure and expand them with a new communication layer.“
Man sucht sich also steinerne Strukturen (Gebäude, Denkmäler, denkbar sind auch Felsformationen u.ä.), deren Existenz (= Langzeitverfügbarkeit) auch in weitreichender zeitlicher Perspektive gesichert zu sein scheint, und schreibt in diese gezielt Botschaften ein. Das sind dann weniger Future Publications im Sinne einer Publikationspraxis der Zukunft. Sondern es ist eine gegenwärtig anzuwendende Form, Kommunikationsspuren zu hinterlassen, die auch in Zukunft entziffert werden können. Spannend ist dabei zudem, dass sich hier ein Phänomen findet, was im Kontext der Digital Humanities besonders populär zu werden scheint: die Annotation, die freilich direkt im und am Objekt erfolgt.
Das Spannende dieses Ansatzes liegt darin, dass das Einschreibverfahren des Digitalen, bei dem Annotationen idealerweise direkt mit dem Forschungsdatum verbunden werden und dieses – genau wie der meißelnde Eingriff am Sockel eines Denkmals – selbst im Sinne eines erweiterten Forschungsobjektes zu einer neuen Bezugsgesamtheit werden lässt, ziemlich radikal damit in materialen Strukturen zur Anwendung kommt. Wenn man sich dabei einen QR-Code als gemeißelte Botschaft vorstellt – was auf Grabsteinen schon hin und wieder vorkommt (vgl. Tamara Kneese: QR Codes for the Dead. In: The Atlantic, 21.05.2014), entwickelt sich eine doch neuartige Form analog-digitaler Interagierbarkeit, was auch im Sinne Lorenz Potthasts sein dürfte, zu dessen Konzept es auf der Seite Design made in Germany heißt:
„Dabei ist die Maschine gedacht zum Einsatz an prominenten Orten und bereits existierenden Monumenten, um diese durch eine weitere Kommunikationsschicht, also einen Kommentar aus unserer Gegenwart, zu erweitern. Die Maschine erstellt Momentaufnahmen unserer zunehmend digitalisierten Lebenswelt, indem sie pixel-basierte, ikonografische Symbole in moderne Steinritzungen (Petroglyphen) überführt.“
Communication with the Future – The Petroglyphomat from Lorenz Potthast on Vimeo, published Nov 16, 2014.
Die gezeigten petroglyphomatischen Beispiele sind angesichts ihrer Grobheit allerdings noch nicht wirklich überzeugend, weshalb das Gerät vorerst als Gedankenspiel interessanter ist als als tatsächliche Anwendungsoption.
Zudem bleiben zwei Aspekte offen: der Status der eingemeißelten Annotation als „positive Vandalismusmaschine“ und eine entsprechende Strafbarkeit der Anwendung nach § 303 StGB und dort besonders Satz 2 („Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.“, vgl. § 303 StGB via dejure.org) sowie die Frage der Witterungsbeständigkeit dieser Botschaften. Denn dass sie so wie Sicherungsfilme im Stollen 500 Jahre lesbar bleiben, scheint auch hier und wie der Blick auf Inschriften an Außenwänden entsprechend alter und auch jüngerer Gebäude zeigt, eher zweifelhaft.