In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 36 Statements, die mit sowohl mit Verlage als auch mit Empfehlungen gefiltert wurden.
Auswertung
Empfehlungen für kommerzielle Verlage werden von vielen Befragten gar nicht erst ausgesprochen, da zumeist davon ausgegangen wird, dass deren wirtschaftliche Interessen deutlich schwerer wiegen als die Anforderungen, die von Seiten des Wissenschaftsbetriebes formuliert werden (475). Während im Printbereich schlicht empfohlen wird “gute Bücher” zu machen (2730), werden im Bereich des elektronischen Publizierens die Mehrwerte von kommerziellen Verlagen sogar generell in Frage gestellt (497).
Mit Nachdruck wird betont, dass Wissenschaftsverlage neue Geschäftsmodelle entwickeln sollten und Mehrwerte schaffen, die über das hinaus gehen, was die Autorinnen und Autoren bereits selbst leisten können bzw. müssen (2797).
Insbesondere wird empfohlen, dass sich Verlage auf den Service-Bereich konzentrieren und ihre traditionellen Kompetenzen wie Lektorat, Layout, Redaktionsworkflows oder Organisation des Peer Reviews als Dienstleistungen anbieten (1056).
Tragfähige Geschäftsmodelle werden in Zukunft vor allem im Open-Access-Bereich erwartet (639). Allgemein wird gefordert, dass Verlage innovative und experimentelle Publikationsszenarien erproben (787, 1198).
Es wird für denkbar gehalten, dass an der Entwicklung von alternativen Publikationsplattformen auch kommerzielle Verlage beteiligt sein könnten (2964). Generell sollten auch geisteswissenschaftliche Verlage bezüglich der Informations- und Kommunikationstechnologie auf dem neuesten Stand sein (1357).
Im Sinne einer Offenen Wissenschaft wird gefordert, dass Verlage den Begutachtungsprozess und die jeweiligen Bewertungskriterien transparent darstellen sollten (228). Ebenso wird erwartet, dass Verlage die jeweilige Auflagenhöhe bekannt geben (492).
Verlage sollten den Autorinnen und Autoren entgegenkommen, wenn diese Teile ihrer Publikationen vorabveröffentlichen möchten, etwa um ein Feedback aus der Community zu erhalten (234, 1353). Darüber hinaus wird als wünschenswert empfunden, dass Verlage prinzipiell Zweitveröffentlichungen gestatten (2958).
Es sollte eine stärkere Kooperation zwischen Verlagen, Infrastruktureinrichtungen und den Forschenden geben (308, 787). Insbesondere sollten kommerzielle Verlage sich stärker an den Bedürfnissen von Forschungseinrichtungen orientieren und ein besseres Verständnis über Hochschulstrukturen gewinnen (1356). In jedem Falle sollten sich Infrastruktureinrichtungen und Verlage nicht als Kokurrenz ansehen (1978).
Gleichwohl wird durchaus befürwortet, dass Infrastruktureinrichtungen selbst publizierend und verlegerisch tätig werden (2717). In diesem Zusammenhang wird vor allem die Rolle der Reputation betont, die Publikationsangebote aus dem bibliothekarischen bzw. infrastrukturellen Bereich erst aufbauen müssen (188).
Die Gründung von Universitätsverlagen wird allerdings eher skeptisch bewertet (511, 612). In jedem Falle sollten verlegerische Tätigkeiten im akademischen Bereich einem Bottom-up-Ansatz folgen, also aus fachwissenschaftlichen Initiativen entstehen (772, 803). Bestehende Universitätsverlage sollten sich fachlich profilieren und unter einander stärker kooperieren (805). In diesem Zusammenhang wird nachdrücklich betont, dass die Übernahme von verlegerischen Tätigkeiten mit einer Verstärkung personeller Ressourcen einhergehen muss (1314). Es wird dafür geworben, dass Verlage nicht primär gewinnorientiert, sondern kostentragend arbeiten sollten (1861). Insgesamt wird die Vielfalt der Verlagslandschaft als erhaltenswertes Gut angesehen (511).
Historisch gesehen kam die Aufgabe der Bewahrung und Archivierung von Publikationen nicht den Verlagen selbst zu, sondern wurde vor allem von Bibliotheken übernommen. Daher besteht weitgehendes Einverständnis darüber, dass diese Herausforderung der digitalen Langzeitarchivierung und -verfügbarkeit ebenfalls nicht von kommerziellen Publikationsdienstleistern, sondern von öffentlich finanzierten Infrastruktureinrichtungen übernommen werden sollte (1057).
(Berlin, 08.02.2016)
In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 180 Statements, die mit dem Tag Geschäftsmodelle gefiltert wurden.
Kernaussagen
- Traditionelle Geschäftsmodelle (z.B. Subskriptionsmodell, Druckkostenzuschuss) des wissenschaftlichen Publizierens in den Geisteswissenschaften gelten als dysfunktional.
- Es bestehen große Unklarheiten bezüglich geeigneter Geschäftsmodelle, allerdings werden die größten Potenziale im Open-Access-Publizieren gesehen.
- Geisteswissenschaftliches Publizieren unterscheidet sich von anderen Wissenschaftsbereichen durch signifikant geringere Endpreise und Gewinnmargen.
- Die Publikationskosten sollten nicht Bestandteil der Forschungskosten sein, sondern als Infrastrukturkosten angesehen werden.
- Eine Modularisierung von Publikationsdienstleistungen sollte angeboten bzw. nachgefragt werden.
- Aus Autorensicht sind Reputationsgewinne von größerer Bedeutung als ökonomische Gewinne.
- Die Autorenrechte sollten gestärkt werden und die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte nicht den Normalfall darstellen.
- Mit Hilfe des Steuerzahlerargumentes wird für eine Open-Access-Kultur geworben.
- Die teilweise Umlegung des Erwerbungsetats von Bibliotheken auf die Förderung von Open-Access-Publikationen wird als sinnvoll bewertet.
- Die flächendeckende Etablierung von Open-Access-Publikationsfonds wird empfohlen.
Auswertung
Mittlerweile liegen die Wirtschaftszahlen des deutschen Buchhandels für das Jahr 2014 vor und werden heute eifrig in der Presse referiert. Unter anderem berichtet der Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass das Ende der Trilogie Shades of Grey eine spürbare Delle im Gesamtumsatz hinterließ. Spannender aus Fu-PusH-Perspektive ist jedoch ein anderer Aspekt: von den in Deutschland verkauften E-Books sind offenbar nur 6 % dem Bereich Sachbücher zuzuordnen. Die Zeitung merkt dazu an:
„Das deckt sich mit Erfahrungen von Fachbuchverlagen, wonach vor allem Lehrbücher immer noch zu 90 Prozent als gedruckte Ausgabe gekauft werden, weil man sich so besser einen Überblick über den Inhalt verschaffen und mit ihm aktiv arbeiten kann (Anmerkungen, Hervorhebungen, Hinweise).“
Das kontrastiert ein wenig das Leitnarrativ, welches der Verleger Matthias Ulmer 2009 in der Frühphase des Konfliktes um die Digitalisierung von Bibliotheksbeständen für die Nutzung an elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken (§ 52b UrhG) in einem Brandartikel im Boersenblatt begründete. Er schrieb:
„Seit vergangener Woche ist das Lehrbuch in Deutschland tot.“
Sechs Jahre danach muss man sagen: Es lebt offenbar. Vielleicht liegt das auch daran, dass das ebenfalls sehr plastisch modellierte Szenario
„Der Buchhändler vor den Toren der Uni geht vor seinen Auslagen auf und ab und wundert sich. Nach der Vorlesung strömen die Studenten nicht zu ihm, um die Literatur für das Semester zu kaufen, sie strömen mit gezücktem USB-Stick in die Bibliothek.“
gar nicht so viel mit der Realität zu tun hat(te), eben weil – siehe Zitat aus der FAZ – eine digitale Kopie eines Lehrbuchs, zumal eine, die eher nur ein reines Scanabbild darstellt, nicht dem entspricht, was einer auf Lernerfolg gerichteten Auseinandersetzung mit solchen Medien entspricht. Erstaunlich ist freilich, dass sich digitale Varianten, die derartige Enhancements bieten, bisher nicht auf dem Buchmarkt durchsetzen konnten. Die Gründe dafür sind vermutlich vielfältig und reichen vom diesbezüglich überschaubaren Angebot seitens der Verlage bis hin zu den Anforderungen an die Hardware, die nicht selten eine simple aber grundsätzliche Nutzungshürde darstellen.
Eine Lösungsvariante könnte man in browserbasierten und eher als E-Learning-Applikationen denn als Lehrbücher zu verstehenden Vermittlungsformen sehen. Annotieren, Hervorheben, Kommentieren, Teilen sind Grundprinzipien zeitgenössischer Webnutzung und für alle dieser Nutzungsformen sind anwendbare Werkzeuge längst entwickelt. Wie entsprechende tragfähige Geschäfts- und Lizenzmodelle aussehen können und wie sich traditionelle Lehrbuchverlage, die mehr denn je Softwareentwicklungspartner brauchen, dabei aufzustellen vermögen, ist dagegen sicher eine noch zu bewältigende Herausforderungen. Entsprechend verwundert es nicht, dass der Printmarkt für Lehrbücher nach wie vor deutlich größer ist als der Digitalmarkt. Sowohl Form wie auch Nutzungsregeln sind sofort einsichtig und weithin bekannt. Und dazu kommt, dass man mit dem gedruckten Lehrbuch ohne Login und unter jeder Lichtquelle sofort in die Interaktion mit dem Lernstoff einsteigen kann. Für die Mehrzal der Lehrbuchnutzer_innen dürfte dies nach wie vor ein maßgebliches Kriterium sein.
(bk / 10.06.2015)
FAZ / geg.: Dem Buchhandel fehlen die Bestseller. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.06.2015, S. 21
Matthias Ulmer: Die Landesbibliothek als Copyshop. In: boersenblatt.net, 02.04.2009
„Apropos gemeinsames Nachdenken: Wir glauben, dass verhärtete Fronten generell keine gute Idee sind und dass die gegensätzlichen Pole von technikfeindlichen Ebook-Verächtern auf der einen und den sämtliche Verlagsmauern niederreißenden Digitaljüngern auf der anderen Seite zugespitzt und konstruiert sind. Verlage und Papierbücher (vor allem die sorgsam gestalteten und hergestellten) wird es glücklicherweise noch sehr, sehr lange geben, genau wie spannende Digitalveröffentlichungen.“
meinen die beiden CulturBooks-Verleger Zoë Beck und Jan Karsten in einer Positionierung im buchreport.blog (Die (un-)sichtbaren Ebooks, 17.11.2014).
Wenngleich sich die Aussage genauso wie das Programm des Verlags auf Literatur und den so genannten Publikumsmarkt bezieht, ist eine Beobachtung entsprechend Trends für uns schon deshalb interessant, weil die sehr auf Monographien gerichteten Geisteswissenschaften häufig direkt an der Schnittstelle zu diesem Markt publizieren. Es gibt eine ganze Reihe von WissenschaftlerInnen besonders im kunst- und kulturwissenschaftlichen Spektrum die in Publikumsverlagen publizieren und direkt mit einem dezidiert öffentlichen Lesepublikum in Verbindung stehen.
Wenn wir also über zukünftige Publikationsmodelle in den Geisteswissenschaften nachdenken, dann gilt es unbedingt die Dimension zu berücksichtigen, die man einmal als Suhrkamp-Kultur bezeichnete. Elektronische Publikationen in diesem Bereich dürften vorerst und auch perspektivisch weniger von aus der Wissenschaftsinfrastruktur und der Open-Access- bzw. Open-Science-Bewegung angeregten enhanced oder offenen Dokumentenstrukturen geprägt sein.