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Fu-PusH Dossier: Wissenschaftspolitik und Empfehlungen

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 18 Statements, die mit sowohl mit Wissenschaftspolitik als auch mit Empfehlungen gefiltert wurden.

 

Auswertung

Die wissenschaftspolitische Ausrichtung hin zu einer offenen Wissenschaft findet prinzipiell breite Akzeptanz auch wenn für die Ausgestaltung ein weiterer Diskussionsbedarf erkennbar ist (1581, 2514). Vor allem das Steuerzahlerargument, welches besagt, dass mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschungsergebnisse auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten, wird als überzeugend empfunden (93).

Es wird betont, dass juristische Lösungen wie beispielsweise die Einführung einer signifikanten Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urherberechtes oder eine Liberalisierung des Zweitveröffentlichungsrechtes vergleichsweise lange Zeiträume beanspruchen, weshalb der gesellschaftspolitische Druck sowie das Engagement der Autorinnen und Autoren als gestaltende Kräfte eingeschätzt werden (107).

Inwieweit eine Pflicht zur Zweitveröffentlichung durchgesetzt werden sollte, wird unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite wird gefordert, diese Pflicht direkt in die Leistungsvereinbarungen bei öffentlichen wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen zu integrieren (797). Auf der anderen Seite sollte die Publikationsfreiheit gewahrt bleiben (231).

Die Wahrung der Publikationsfreiheit wird allerdings nicht im Widerspruch gesehen mit der wissenschaftspolitischen Förderung von Open-Access-Publikationsstrategien, da lediglich positive Anreize gesetzt werden sollen und von Sanktionen abgesehen werden soll (231).

Die derzeitige Ausrichtung der DFG hinsichtlich Open-Access-Förderungen wird von vielen Befragten begrüßt und oft sogar als sehr fortschrittlich empfunden (309, 353). Zum Teil wird auch gefordert, dass sich Förderinstitutionen noch stärker um verbindliche Richtlinien bemühen sollten beispielsweise bezüglich der Themen Open Access oder rechtlicher Rahmenbedingungen (558, 559, 2734, 2972). Allerdings wird auch davor gewarnt, die Freiheit der Forschung einzuschränken und bestimmte Wissenschaftsformen erzwingen zu wollen (3282).

Es wird zu bedenken gegeben, dass wissenschaftspolitische Förderungen von Publikationsstrategien nicht nur von der Produktionsseite, sondern auch von der Einbettung in die Fach-Communities betrachtet werden sollten, insbesondere die zunehmende Publikationsflut wird hier als Herausforderung benannt (478).

Ein Kritikpunkt betrifft das kompetitive Wissenschaftssystem als solches, dass sich sehr stark an quantifizierbaren Indikatoren wie Publikationslisten oder Impact-Faktoren orientiert, aber insbesondere für die Grundlagenforschung ungeeignet erscheint (479).

Während die Bedeutung einer starken Open-Access-Politik von Seiten der Forschungseinrichtungen hervorgehoben wird (1050), wird auch ein Bedarf an institutsübergreifenden Infrastrukturen wie beispielsweise ein Netzwerk von Fachrepositorien artikuliert, für das sich die Wissenschaftspolitik einsetzen sollte (1862).

Für die Zukunft wird als wünschenswert angesehen, dass die Rollen und Zuständigkeiten der unterschiedlichen Akteure im Publikationsprozess, insbesondere von Verlagen, Infrastruktureinrichtungen sowie der öffentlichen Hand politisch ausgehandelt werden ohne dass dabei Konkurrenzverhältnisse entstehen (1987).

 

(Berlin, 10.02.2016)

10. Februar 2016 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied | Kein Kommentar »
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Das Oligopol der Wissenschaftsverlage und die Geisteswissenschaften

Eine Notiz zu

Vincent Larivière, Stefanie Haustein, Philippe Mongeon (2015): The Oligopoly of Academic Publishers in the Digital Era. In: PLOS ONE. June 10, 2015. DOI: 10.1371/journal.pone.0127502

von Ben Kaden (@bkaden)

Nachdem das Fu-PusH-Projekt (also Michael und ich) unlängst vor der Herausforderung standen, in einem Interview für ein Studienprojekt möglichst kompetent Auskunft über Perspektiven in den Sozial- und Geisteswissenschaften zu geben und aus unserer Erfahrung heraus konstatieren mussten, dass die Publikationsbedingungen im HSS-Bereich disziplinär doch sehr unterschiedlich sind, fühlen wir uns nun nachträglich durch eine aktuelle Studie von Bibliotheks- und Informationswissenschaftlern der Université de Montréal sehr bestätigt. Vincent Larivière, Stefanie Haustein und Philippe Mongeon stellen für das Publizieren in den Geisteswissenschaften fest:

„On the other hand, papers in arts and humanities are still largely dispersed amongst many smaller publishers, with the top five commercial publishers only accounting for 20% of humanities papers and 10% of arts papers in 2013, despite a small increase since the second half of the 1990s. The relatively low cost of journals in those disciplines—a consequence of their lower publication density—might explain the lower share of the major commercial publishers. Also, the transition from print to electronic—a strong argument for journals to convert to commercial publishers—has happened at a much slower pace in those disciplines as the use for recent scientific information is less pressing. Moreover, these disciplines make a much more important use of books and generally rely on local journals, all of which are factors that make it much less interesting for big publishers to buy journals or found new ones in the arts and humanities.“

Die nach wie vor starke Konzentration auf das Medium Buch (bzw. die Monografie), überschaubare Erwerbungskosten für geisteswissenschaftliche Publikationen und ein eher zurückhaltender Umgang mit der digitalen Transformation sowie nicht zuletzt die vergleichsweise langsamere Kommunikationsgeschwindigkeit – alles Aspekte, die sich auch in den Fu-PusH-Interviews ermitteln ließen – haben im Nebeneffekt dazu geführt, dass im geisteswissenschaftlichen Publikationsbereich bis heute eine recht große Vielfalt an Verlagen erhalten blieb. Für die Big Five – Reed-Elsevier, Wiley-Blackwell, Springer, Taylor & Francis und Sage Publications – sind andere wissenschaftskommunikative Felder als Schwerpunktgeschäft offenbar interessanter. Was ganz und gar nicht heißt, dass es im geisteswissenschaftlichen Bereich nicht auch Konzentrationsbestrebungen gibt, wie beispielsweise in Deutschland die Verlagspolitik des Verlag Walter De Gruyter in den vergangenen Jahren deutlich zeigte.

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15. Juni 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
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Warum die Wissenschaft so sehr am PDF-Format hängt

Eine Vermutung von Ben Kaden (@bkaden)

Nicht selten entspricht das elektronische Publizieren in der Wissenschaft auch im Jahr 2015 einem Publizieren in HTML und PDF. Dass das so ist, zeigt, dass es offenbar für die so erfolgende Kommunikation von Wissenschaft als ausreichend angesehen wird. Es zeigt aber auch, dass das Denken im PDF, also der starreren und daher für die Publikationsgestaltung maßgeblichen Form, weitgehend eine Fortsetzung der Printkultur mit elektronischen Mitteln darstellt. Sehr gut zusammengefasst findet sich dieser Umstand u.a. in einer Rezension von John Rodzvilla zu einem Buch der Medienwissenschaftlerin Lisa Gitelman, das den schönen Titel Paper Knowledge: Towards a Media History of Documents trägt. (Das Buch erschien 2014 bei der Duke University Press, Durham, London.)

PDF
Eine markierte Textstelle aus der PDF-Fassung der Book Review von John Rodzvilla.

Dass das PDF-Format die vermutlich am weitesten verbreitete digitale Post-Paper-Variante darstellt ist jedem bekannt. Auch Rodzvillas Rezension in Public Research Quarterly wurde nach diesem Verfahren veröffentlicht. Den Grund für die gleichbleibende Beliebtheit des PDF-Formats benennt der Text in der oben stehenden Textstelle: die Stabilität und Simplizität einer Fotokopie. Ein PDF ist nicht nicht veränderbar. Aber es bedarf schon eines erheblichen Aufwands und ist im Format eigentlich nicht vorgesehen. Das PDF ist die eindeutige Fassung eines Dokumentes, die problemlos (zurück) auf das Papier gebracht werden kann. Oder, wie Rodzvilla schreibt, ein Analogon des Papierdokumentes für den Aktenschrank.

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Sind Tweets verschriftliche Mündlichkeit?

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Dass ein großer Teil in digitalen sozialen Netzwerken textuell gefasster Inhalte eher als verschriftlichte Oralität zu bewerten ist, ist kein neue These. Vermutlich handelt es sich genauer um eine Hybridform zwischen dem Mündlichen und dem Geschriebenen. Wohin es sich mehr neigt, ist vielleicht eine Frage der Form, sicher aber eine der Intentionalität. Fraglos trifft zu, was die Bezeichnung „Social Media“ eindeutig macht: Diese Medienformen sind unmittelbarer als formalisierte Publikationsformen auf eine direkte soziale Interaktion, also eine sichtbare Kenntnisnahme und Reaktion, ausgerichtet. Sie mit formaleren Publikationsvarianten gleichzusetzen geht fehl. Schwierig ist jedoch ihre rechtliche Bewertung.

In diesem Zusammenhang tauchte die Frage nach dem Status solcher Kommunikationen im Anschluss an zwei Tweets und als Vorläufer zu einem Blogessay von Xiao Mina (Digital Culture is Like Oral Culture Written Down. In: medium.com, 11.01.2015) im Weblog des Juristen James Grimmelmann wieder auf.

In The Laboratorium (2d ser.) erläutert er:

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