Archiv für Schlagwort Digitales Publizieren

Open Access in Berlin: Heiße Luft oder Hot Topic?

Ein Gastbeitrag von Anne Baillot

Nach der Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities 2003 schien sich bis zum 10jährigen Jubiläum derselben in der Hauptstadt in Sachen Open Access noch nicht sehr viel bewegt zu haben. Die Tatsache, dass die Implementierung der im Jahr 2003 unterzeichneten Ziele einige Institutionen nach wie vor vor große Herausforderungen stellte, regte den Einstein-Zirkel Digital Humanities 2015 dazu an, in Form von Interviews mit VertreterInnen einschlägiger Forschungseinrichtungen aus Berlin und Brandenburg den Status quo in der geisteswissenschaftlichen Forschung zu erheben, Best Practices zu erfassen und Zukunftsperspektiven darzustellen. Doch noch ehe die Interviewergebnisse ausgewertet und veröffentlicht werden konnten, hat die Thematik eine neue Dimension gewonnen. Open Access gehört inzwischen zur Digitalen Agenda der Hauptstadt; die Max-Planck-Gesellschaft hat eine Gold-OA-Offensive unter dem Banner „OA2020“ hervorgetrommelt und in einem offiziellen Amtsakt wird eine neue Bekräftigung der Berliner Erklärung von einigen Schlüsselakteuren veröffentlicht und beworben. Zentral scheint nicht nur die Frage zu sein, welche Formen von Wissenschaft Open Access ermöglichen, sondern auch, wenn nicht vorrangig, welche Art von Wissenschaftspolitik.

Das Open-Access-Kapitel des vom Einstein-Zirkel vorbereiteten Sammelbandes, der im Juni 2016 unter dem Titel Berliner Beiträge zu den Digital Humanities erscheinen wird, widmet sich dem Thema Open Access in den Geisteswissenschaften. Es enthält neben Aufsätzen (bereits als Preprint: „Open Humanities?“ von Michael Kleineberg) die Ergebnisse und das Wortlaut von 2015 an einschlägigen Einrichtungen durchgeführten Interviews zum Thema Open Access. Ausgangspunkt der Reflexion war die einmalige Situation der deutschen Hauptstadt, in der Open Access geisteswissenschaftlich Forschende an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ebenso betrifft wie GLAM-Einrichtungen (Galerien, Bibliotheken, Archive, Museen). Es ist diese einmalige Berlin-Brandenburgische Landschaft, die in den Mittelpunkt der Open Access-Interviews gerückt wurde.

Die Interviews gehen auf die breit gefächerten, auf die Bedürfnisse der jeweiligen Einrichtung zugeschnittenen, in den Jahren seit der Berlin Declaration jeweils entwickelten Portfolios ein. Der pragmatische Teil der Auseinandersetzung mit dem Open-Access-Prinzip im Bereich der geisteswissenschaftlichen Forschung wird damit deutlich: Wer Lust hat, Open Access zu publizieren, findet in Berlin und Umgebung in seiner Einrichtung einen erprobten Weg, dies zu tun. Doch die Hauptfrage bleibt: Wer hat Lust, Open Access zu publizieren, und wer kann es sich leisten? An dieser Stelle gilt es zu unterstreichen, dass trotz der ebenfalls vielfältigen Beratungsangebote der jeweiligen Einrichtungen die Kluft zwischen Reputation und Leserschaft bei den WissenschaftlerInnen nach wie vor nicht überbrückt zu sein scheint: Papier ist für die Reputation, Open Access um gelesen zu werden, wobei Ersteres die akademischen Karrieren dominiert.

Aber es geht bei Weitem nicht nur um akademische Karrieren. Ein Blick nach Frankreich, wo die Verankerung von Text und Data Mining im neu entstehenden „Digitalen Gesetz“ von WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen im Gespräch mit einander ausgearbeitet und debattiert wird (vgl. die Wiedergabe der Vorschläge und Gegenvorschläge zum neuen Gesetz unter dem Hashtag #PJLNumerique und auf der Webseite des Französischen Senats zu diesem Gesetz), zeigt, dass die politische, wirtschaftliche, aber auch beispielsweise gesundheitsökonomische Brisanz von Open Access, gekoppelt mit juristischen Fragen wie dem Schutz der Privatsphäre, unsere Zukunft entscheidend prägen wird. Und deswegen sollte es nicht nur darum gehen, sich zu fragen, ob NachwuchswissenschaftlerInnen ihre Preprints online stellen sollten (die Antwort darauf ist eindeutig: Ja!), und auch nicht darum, ob Bücher abgeschafft werden sollen (die Antwort darauf ist eindeutig: Nein!), sondern, welche Zivilgesellschaft dadurch entsteht, dass sie zu dieser Art von Wissen Zugang hat: Wie bringen wir unseren Kindern bei, das Internet sinnvoll zu nutzen? Welche juristischen Weichen können wir heute stellen? Wie können wir dafür sorgen, dass das, was wir heute Open Access veröffentlichen, morgen noch zugänglich sein wird? Diese Fragen sind die der Digital Humanities.

Edition TOPOI stellt das Citable und den dEbook-Viewer vor

Am Montag, den 18. April 2016 stellte die Edition TOPOI des Exzellenzclusters TOPOI (HU und FU Berlin) auf der Kick-Off-Veranstaltung zum „Wissenschaftlichen Publizieren+“ nicht nur eine ergänzende Note zur Berlin Declaration on Open Access in the Sciences and Humanities vor, sondern auch ihre neu entwickelten Publikationswerkzeuge, zum einen das „Digitally Enhanced Book“ (dEbook) und zum anderen das sogenannte „Citable“ als Beschreibungsformat für Forschungsdatenpublikationen.

Bei dem dEbook handelt es sich um ein Werkzeug zur Verknüpfung von publizierten Texten mit Forschungsdaten, bei dem Autorinnen und Autoren ihre Publikationen mit online verfügbaren Zusatzmaterialien wie Datenbanken, Graphiken oder 3D-Modellen vernetzen und präsentieren können. Dabei werden die Referenzobjekte allerdings nicht selbst in die Publikation integriert, sondern lediglich die zu Grunde liegenden Metadaten in einer Textdatei (.dEbook) erfasst und somit für das Sammeln, Senden und Teilen system- und softwareunabhängig bereitgestellt.

Die entsprechende Webapplikation trägt den etwas irreführenden Namen „dEbook-Viewer“, obwohl es sich nicht nur um ein Rezeptions-Tool handelt, sondern auch der Erstellung von Verknüpfungen und Annotationen dient. Auf diese Weise wird nicht nur ein interaktives Lesen und Recherchieren mit den integrierten Wörterbüchern, Lexika sowie Text- und Bildrecherche-Tools ermöglicht, sondern auch die aktive Anreicherung von Publikationen, die im PDF-Format vorliegen, durch Verlinken und Annotieren. Die Publikationen der Edition TOPOI stehen somit, nicht zuletzt da sie konsequent Open Access angeboten werden, als Digitally Enhanced Book zur Verfügung.

 

dEbook
dEbook-Viewer der Edition TOPOI

 

Entsprechend der Forderung des Exzellenzclusters TOPOI, dass Gedächtnis- und Bildungsinstitutionen ihre Digitalisate offen, maschinenlesbar und dauerhaft zitierfähig online zur Verfügung stellen, entwickelte die Edition TOPOI das Citable als ein Format zur Beschreibung von digitalen Forschungsdaten als eigenständige Publikationen. Das Citable integriert technische und beschreibende Metadaten sowie Lizenzinformationen mit dem jeweiligen persistenten Identifikator im JSON-Format, womit eine einfache Nachnutzung bzw. Weiterbearbeitung etwa durch Modifikationen und weitere Anreicherungen ermöglicht werden soll.

Während die ebenfalls im Cluster entwickelten Viewer-Technologien bereits deutlich erkennbare Mehrwerte durch umfangreiche Funktionalitäten bieten, beispielsweise bei der Betrachtung von 3D-Modellen, werden auf der Webseite der Edition TOPOI allerdings nur wenige Details des neuen Beschreibungsformates präsentiert. Es bleiben vor allem Fragen etwa hinsichtlich des Metadatenschemas, der technischen Umsetzung einer Versionierung, der Einbindung in Nachweissysteme sowie der Langzeitarchivierung bzw. -verfügbarkeit offen, so dass man gespannt sein darf auf die weiteren Entwicklungen.

 

Citable
Citable-Modell der Edition TOPOI

Publikationskulturen und Urheberrecht. Eine Überlegung zu einem Differenzierungsansatz

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

zu

Andreas Rötzer: Als wären Autoren und Verleger Gegner. In: faz.net, 01.03.2016

Auf faz.net erschien gestern eine ausführliche Positionierung des Verlegers Andreas Rötzer (Matthes & Seitz) zur geplanten Urheberrechtsnovelle. Auf den ersten Blick scheint die Sachlage relativ eindeutig: Der Vertreter eines so genannten Publikumsverlages spricht sich für einen Interessenausgleich und eine differenzierte Betrachtung von Publikationskulturen aus.

Zitat Andreas Rötzer auf faz.net
Zitat Andreas Rötzer auf faz.net, 01.03.2016

Es gibt in seiner Überlegung drei Formen des mehr oder weniger kreativen, in jedem Fall urheberrechtlich schützbaren Schreibens: die Literatur, der Journalismus und die Wissenschaft. Andreas Rötzer spricht sich dafür aus, diese drei Bereiche zwar als ähnlich, aber doch mit unterschiedlichen Ansprüchen zu betrachten.

Der Blick sowohl auf das geisteswissenschaftliche Publikationswesen als auch auf den Reportagejournalismus zeigt jedoch, dass diese Unterscheidung in der Praxis kaum funktioniert. Wie unter anderem unsere Befragungen ergaben, findet sich in vielen Fachkulturen, insbesondere der literatur- und geschichtswissenschaftlichen Disziplinen durchaus der Wunsch, mit einem an Reichweite starken Verlag mit sorgfältigsten Lektorat Ausgaben in einer Güte zur erstellen, die den von Andreas Rötzer beschriebenen Publikationsworkflows nicht nachstehen und teils vom Gestaltungswunsch (man denke an Illustrationen und Visualisierungen) sogar anspruchsvoller sein können, als literarische Texte. Auch bei bestimmten journalistischen Arbeiten steht am Ende ein möglichst hochwertig aufgearbeitetes Buch. Daher dürfte die zitierte Differenzierung eher nicht tauglich sein.

Eine andere Möglichkeit wäre eventuell, die Narrativität als Kriterium heranzuziehen: Stark formalisierte oder berichtende Textsorten, wie sie in weiten Teilen der STM-Disziplinen und im Nachrichtenjournalismus zu finden sind sind vor dem Hintergrund text- und formschöpferischer Qualität vermutlich anders zu behandeln, als deutend-erzählende Annäherungen. Eine weitere Kategorie wären Lehrbücher und enzyklopädische Werke bzw. Lexika und schließlich Wörterbücher, die sehr nah an dem liegen, was man als Datenbanken bzw. -sammlungen verstehen kann.

Bei erweiterten Publikationen, also dem Schritt ins Digitale, sind all diese unterschiedlichen Formen schließlich fast beliebig verknüpf- und kuratierbar. Überlegt man bei den Buchproduktionen, zu denen auch die meisten E-Book-Publikationen heute gelten dürften, inwieweit dem Verlag durch Lektorat, Satz und weiteren Gestaltungen eigene Schöpfungsanteile zukommen, sind bei komplexen, digitalen Werken auf einmal beispielsweise auch kuratorische Anteile zu berücksichtigen. So bilden Remixe, Mash-Ups bzw. die sogenannten nutzergenerierten Inhalte (und Erweiterungen) eine de facto Dauerherausforderung, die urheberrechtlich derzeit überhaupt nicht angemessen adressierbar ist. (Vgl. dazu u.a. Dirk von Gehlens Lob der Kopie, Rezension.)

Anstatt sich also am Literatururheberrecht zu orientieren, sollte man also zunächst möglicherweise mehr an Filmwerke denken, die in ihrer arbeitsteiligen Struktur dem näher kommen, was in elaborierten und offenen Publikationsszenarien entstehen könnte. Oder besser noch in der Verknüpfung von Plotting, Narrativ und Narrativabbildung, Codierung, Navigation und Multimedialität auf den Bereich der Computerspiele schauen, was heute freilich vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern noch eher absurd erscheinen dürfte. Strukturell zeigt es sich jedoch als durchaus sinnvoll. Das Konzept der sogenannten Gamifizierung erreicht so aus einer womöglich weniger erwarteten Richtung das wissenschaftliche Publizieren. Gleiches gilt, bisher viel deutlicher erkennbar, im digitalen Journalismus (vgl. zu den Parallelen auch diesen Text). Angesichts dieser Entwicklung muss man Andreas Rötzer uneingeschränkt zustimmen, wenn er seinen Artikel mit der Aussage schließt:

Aber vielleicht sollte man auch gleich einen Schritt weitergehen und nicht über eine Reform des Urheberrechts nachdenken, sondern über ein neues Urheberrecht, das im Schatten der kommenden Veränderungen durch die Digitalisierung bald dringend nötig sein wird.

Wobei wir diese Diskussion bereits seit den 1990er angedacht und seit den späten 2000-Jahren in voller Blüte kennen. (Nach wie vor online ist übrigens die Materialsammlung dazu bei IUWIS, Stichwort digitales Urheberrecht.)

(Berlin, 02. März 2016)

Fu-PusH Dossier: Rechtsgrundlage

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 192 Statements, die mit Rechtsgrundlage gefiltert wurden.

 

Kernaussagen

  • Die zentralen Rechtsgebiete für das wissenschaftliche Publizieren sind das Urheberrecht (Publikationen) sowie das Datenschutzrecht (Forschungsdaten).
  • Die geltenden urheberrechtlichen Regelungen werden als unzureichend für die Anforderungen einer digitalen Wissenschaft empfunden.
  • Es besteht der Wunsch nach einer Stärkung der Nutzungsrechte an Publikationen bzw. Forschungsdaten durch Forschende, wobei die Notwendigkeit eines Interessensausgleiches zwischen allen Beteiligten betont wird.
  • Eine offene Wissenschaft im Sinne des Open-Access-Gedankens erfordert die Einbettung in einen verlässlichen Rechtsrahmen.
  • Eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urheberrechts wird zwar begrüßt, aber zugleich wird auf die damit einhergehende Privilegierung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingewiesen.
  • Forschende könnten bereits viel gewinnen, wenn sie kompetenter und konsequenter ihre Rechte wahrnehmen und wissenschaftsfreundlichere Autorenverträge aushandeln.
  • Infrastruktureinrichtungen wie beispielsweise Bibliotheken sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beim Aushandeln von Autorenverträgen aktiv unterstützen und insbesondere darauf hinweisen, dass die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte an die Verlage den Interessen der Wissenschaft grundsätzlich entgegen steht.
  • Lizenzmodelle wie Creative Commons werden als geeignetes Mittel zur Spezifizierung von Verwertungs- bzw. Nutzungsrechten für Forschende angesehen.
  • Die empfohlene Creative-Commons-Lizenz ist für alle Publikationselemente, die dem wissenschaftlichen Anspruch an Nachvollziehbarkeit entsprechen sollen, die CC-BY-Lizenz; dagegen wird die CC-0-Lizenz  für Norm- und Metadaten empfohlen.
  • Die Veröffentlichung und Nachnutzung von Forschungsdaten ist ein zentrales Thema mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten sowohl hinsichtlich des Urheberrechts als auch des Datenschutzrechts.
  • Ein großes Problem stellt die Verfügbarkeit von in Gedächtnisinstitutionen vorgehaltenen Forschungsmaterialien dar, für die Zugang, Digitalisierungsmöglichkeiten und vor allem die Nachnutzungsoptionen oft erheblich durch hausrechtliche Regelungen und institutionelle Urheberechtsansprüche eingeschränkt werden.
  • Die Handlungsfelder zeigen sich für Bibliotheken und Infrastrukturdienstleister vor allem in der Kompetenzvermittlung bei Rechtsfragen sowie beim Aufbau von wissenschaftsfreundlichen und zugleich rechtssicheren Publikationsinfrastrukturen.

 

 

Rechtliche Aspekte beim wissenschaftlichen Publizieren

Aktuelle Rechtsthemen

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Fu-PusH Dossier: Verlage und Empfehlungen

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 36 Statements, die mit sowohl mit Verlage als auch mit Empfehlungen gefiltert wurden.

 

Auswertung

Empfehlungen für kommerzielle Verlage werden von vielen Befragten gar nicht erst ausgesprochen, da zumeist davon ausgegangen wird, dass deren wirtschaftliche Interessen deutlich schwerer wiegen als die Anforderungen, die von Seiten des Wissenschaftsbetriebes formuliert werden (475). Während im Printbereich schlicht empfohlen wird “gute Bücher” zu machen (2730), werden im Bereich des elektronischen Publizierens die Mehrwerte von kommerziellen Verlagen sogar generell in Frage gestellt (497).

Mit Nachdruck wird betont, dass Wissenschaftsverlage neue Geschäftsmodelle entwickeln sollten und Mehrwerte schaffen, die über das hinaus gehen, was die Autorinnen und Autoren bereits selbst leisten können bzw. müssen (2797).

Insbesondere wird empfohlen, dass sich Verlage auf den Service-Bereich konzentrieren und ihre traditionellen Kompetenzen wie Lektorat, Layout, Redaktionsworkflows oder Organisation des Peer Reviews als Dienstleistungen anbieten (1056).

Tragfähige Geschäftsmodelle werden in Zukunft vor allem im Open-Access-Bereich erwartet (639). Allgemein wird gefordert, dass Verlage innovative und experimentelle Publikationsszenarien erproben (787, 1198).

Es wird für denkbar gehalten, dass an der Entwicklung von alternativen Publikationsplattformen auch kommerzielle Verlage beteiligt sein könnten (2964). Generell sollten auch geisteswissenschaftliche Verlage bezüglich der Informations- und Kommunikationstechnologie auf dem neuesten Stand sein (1357).

Im Sinne einer Offenen Wissenschaft wird gefordert, dass Verlage den Begutachtungsprozess und die jeweiligen Bewertungskriterien transparent darstellen sollten (228). Ebenso wird erwartet, dass Verlage die jeweilige Auflagenhöhe bekannt geben (492).

Verlage sollten den Autorinnen und Autoren entgegenkommen, wenn diese Teile ihrer Publikationen vorabveröffentlichen möchten, etwa um ein Feedback aus der Community zu erhalten (234, 1353). Darüber hinaus wird als wünschenswert empfunden, dass Verlage prinzipiell Zweitveröffentlichungen gestatten (2958).

Es sollte eine stärkere Kooperation zwischen Verlagen, Infrastruktureinrichtungen und den Forschenden geben (308, 787). Insbesondere sollten kommerzielle Verlage sich stärker an den Bedürfnissen von Forschungseinrichtungen orientieren und ein besseres Verständnis über Hochschulstrukturen gewinnen (1356). In jedem Falle sollten sich Infrastruktureinrichtungen und Verlage nicht als Kokurrenz ansehen (1978).

Gleichwohl wird durchaus befürwortet, dass Infrastruktureinrichtungen selbst publizierend und verlegerisch tätig werden (2717). In diesem Zusammenhang wird vor allem die Rolle der Reputation betont, die Publikationsangebote aus dem bibliothekarischen bzw. infrastrukturellen Bereich erst aufbauen müssen (188).

Die Gründung von Universitätsverlagen wird allerdings eher skeptisch bewertet (511, 612). In jedem Falle sollten verlegerische Tätigkeiten im akademischen Bereich einem Bottom-up-Ansatz folgen, also aus fachwissenschaftlichen Initiativen entstehen (772, 803). Bestehende Universitätsverlage sollten sich fachlich profilieren und unter einander stärker kooperieren (805). In diesem Zusammenhang wird nachdrücklich betont, dass die Übernahme von verlegerischen Tätigkeiten mit einer Verstärkung personeller Ressourcen einhergehen muss (1314). Es wird dafür geworben, dass Verlage nicht primär gewinnorientiert, sondern kostentragend arbeiten sollten (1861). Insgesamt wird die Vielfalt der Verlagslandschaft als erhaltenswertes Gut angesehen (511).

Historisch gesehen kam die Aufgabe der Bewahrung und Archivierung von Publikationen nicht den Verlagen selbst zu, sondern wurde vor allem von Bibliotheken übernommen. Daher besteht weitgehendes Einverständnis darüber, dass diese Herausforderung der digitalen Langzeitarchivierung und -verfügbarkeit ebenfalls nicht von kommerziellen Publikationsdienstleistern, sondern von öffentlich finanzierten Infrastruktureinrichtungen übernommen werden sollte (1057).

 

(Berlin, 08.02.2016)

Fu-PusH Dossier: Autoren und Empfehlungen

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 45 Statements, die mit sowohl mit Autoren als auch mit Empfehlungen gefiltert wurden.

 

Kernaussagen

  • Autorinnen und Autoren sollten mit dem wissenschaftlichen Verlagswesen und alternativen Publikationsoptionen vertraut sein.
  • Forschende sollten sich bewusst und möglichst frühzeitig im Forschungsprozess eine Publikationsstrategie erarbeiten.
  • Autorinnen und Autoren sollten mehr Verantwortung bei der Aushandlung von Verlagsverträgen insbesondere bei der Rechteübertragung übernehmen.
  • Das Open-Access-Publizieren wird empfohlen sowohl für Erstpublikationen (Gold Open Access) als auch für Zweitpublikationen (Green Open Access).
  • Forschende sollte Infrastrukturanbieter als Partner im Forschungsprozess begreifen und ihre fachspezifischen Bedarfe klar formulieren.
  • Autorinnen und Autoren sollten sich nicht an Publikationsformaten, sondern an der Funktion der Wissenschaftskommunikation orientieren.

 

Auswertung

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Fu-PusH Dossier: Geschäftsmodelle

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 180 Statements, die mit dem Tag Geschäftsmodelle gefiltert wurden.

 

Kernaussagen

  • Traditionelle Geschäftsmodelle (z.B. Subskriptionsmodell, Druckkostenzuschuss) des wissenschaftlichen Publizierens in den Geisteswissenschaften gelten als dysfunktional.
  • Es bestehen große Unklarheiten bezüglich geeigneter Geschäftsmodelle, allerdings werden die größten Potenziale im Open-Access-Publizieren gesehen.
  • Geisteswissenschaftliches Publizieren unterscheidet sich von anderen Wissenschaftsbereichen durch signifikant geringere Endpreise und Gewinnmargen.
  • Die Publikationskosten sollten nicht Bestandteil der Forschungskosten sein, sondern als Infrastrukturkosten angesehen werden.
  • Eine Modularisierung von Publikationsdienstleistungen sollte angeboten bzw. nachgefragt werden.
  • Aus Autorensicht sind Reputationsgewinne von größerer Bedeutung als ökonomische Gewinne.
  • Die Autorenrechte sollten gestärkt werden und die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte nicht den Normalfall darstellen.
  • Mit Hilfe des Steuerzahlerargumentes wird für eine Open-Access-Kultur geworben.
  • Die teilweise Umlegung des Erwerbungsetats von Bibliotheken auf die Förderung von Open-Access-Publikationen wird als sinnvoll bewertet.
  • Die flächendeckende Etablierung von Open-Access-Publikationsfonds wird empfohlen.

 

Auswertung

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3. Februar 2016 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Dossiers

Fu-PusH Dossier: Enhanced Publications

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst 113 Statements, die mit Enhanced Publication aus dem Gesamtbestand der Aussagen im Statement Finder gefiltert wurden.
 

Kernaussagen

  • Erweiterte Publikationen bzw. Enhanced Publications stellen eine Stufe des digitalen Publizierens dar, die sich nicht mehr am Printparadigma orientiert.
  • Es gibt unterschiedliche Auffassungen von den konstituierenden Merkmalen einer Enhanced Publication.
  • Zu den zentralen funktionalen Erweiterungen zählen (a) Modularität, (b) Multimedialität, (c) Interaktivität sowie (d) Semantische Strukturierung.
  • Im engeren Verständnis sind Enhanced Publications so genannte Compound Objects, also modulare Publikationsobjekte, die zu einem Gesamtobjekt verknüpft werden.
  • Ein großes Potential für Enhanced Publishing in den Geisteswissenschaften wird im Umgang mit Forschungsdaten als eigenständige Publikationsobjekte gesehen.
  • Digitale Editionen werden als Hauptanwendungsfelder für erweitere Funktionalitäten in den Geisteswissenschaften angesehen.
  • Das Konzept einer Prozesspublikation, die Aspekte der Prä- bzw. Postpublikationsphase transparenter macht, findet viel Beachtung, wird aber kaum umgesetzt.
  • Beispiele und Akzeptanz erweiterter Publikationen in den Fachgemeinschaften werden nur sehr eingeschränkt beobachtet.
  • Ob sich die Einstellungsmuster zu Enhanced Publications bei nachfolgenden Wissenschaftsgenerationen ändern könnte, wird widersprüchlich bewertet.
  • Notwendig für die Umsetzung und Etablierung von Enhanced Publications sind Standards, Produktions- und Hostingmöglichkeiten sowie eine weitgehende Automatisierung der für die Produktion notwendigen Prozesse.
  • Die Langzeitarchivierung- und verfügbarkeit gelten als zentrale Herausforderung für Enhanced Publications.

 

Auswertung

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Fu-PusH-Workshop zu Finanzierung und Rechtsgrundlagen des digitalen Publizierens. Am 08.01.2016 in Berlin.

Das Fu-PusH-Projekt wird das Jahr 2016 standesgemäß mit einem Workshop einleiten. Am 08. Januar laden wir entsprechend zu einem hoffentlich so intensiven wie produktiven Austausch mit den Akzenten Finanzierung und Rechtsgrundlagen des digitalen Publizierens in den Geisteswissenschaften ein. Dafür haben wir eine Reihe von Expertinnen und Experten gewinnen können. Das ausführliche Programm gibt es über diese Website oder nachstehend als Flyer. (Das Bild führt zum PDF-Download.)

Die interessierte Fachöffentlichkeit ist ebenfalls herzlich eingeladen. Wir würden uns vorab aus Planungsgründen über eine kurze Nachricht per E-Mail (Kontaktadressen) freuen.

Flyer Fu-PusH Workshop 2016
Flyer Fu-PusH Workshop 2016 – PDF-Download

Wir planen weiterhin, den Workshop live in einem Etherpad zu dokumentieren. Dort können auch gern bereits vorab Fragen und Anregungen zur Veranstaltung notiert werden. Weiterhin freuen wir uns wie immer und auch den Workshop begleitend über Interaktionen mit unserem Twitter-Stream: @fupush | #fupush

Eine Notiz zum Start des geisteswissenschaftlichen Megajournals Open Library of Humanities.

von Ben Kaden (@bkaden)

Ende September gab es ein Ereignis, auf das wir aus der Fu-PusH-Perspektive unbedingt noch hinweisen müssen. Mit der Open Library of Humanities ging ein geisteswissenschaftliches Metajournal online, das versucht, den digitalen Möglichkeiten und den Ansprüchen der Zielgruppen gleichermaßen gerecht zu werden. Der Wille, etwas Neues zu schaffen, zeigt sich bereits im Veröffentlichungszyklus. Der Wille, ganz oben auf der Reputationsskala nicht etwa zu landen sondern gleich zu starten zeigt sich in der sehr selbstbewussten Selbstbeschreibung:

„The Open Library of Humanities journal publishes internationally-leading, rigorous and peer-reviewed scholarship across the humanities disciplines: from classics, theology and philosophy, to modern languages and literatures, film and media studies, anthropology, political theory and sociology.“

Die geplante wöchentliche Erscheinungsweise folgt dem Modell der großen naturwissenschaftlichen Titel und strukturell wie namenstechnisch sicher nicht zufällig der Public Library of Science (PLOS).

Das Modell des Meta- bzw. Megajournals impliziert, dass es sich nicht um eine einzelne Zeitschrift sondern um eine Plattform handelt, auf der unterschiedliche Zeitschriften (oder thematische Kollektionen) erscheinen können. Das alles geschieht Open Access und ohne Article Processing Charges, die für viele GeisteswissenschaftlerInnen ohnehin eine kaum zu nehmende Hürde darstellen. Die Ursache liegt besonders in Großbritannien und den USA auch darin, dass den Geisteswissenschaften große Teile der Förderung weggestrichen werden (in Japan versucht man offenbar, sie völlig aufzulösen). Die Kosten bei der OLH werden stattdessen von einem Bibliothekskonsortium getragen, dass um den Wert dieser Fächer genauso weiß, wie darum, dass die geisteswissenschaftliche Wissenschaftskommunikation dringend eine neue und gegenwartstaugliche Fassung benötigt. Damit erhält übrigens en passant die in den Fu-PusH-Interviews oft und intensiv diskutierte Frage, inwieweit Bibliotheken selbst als publizierende Akteure aktiv werden sollten, eine Antwort: Sie finanzieren kollaborativ eine übergeordnete Plattform, die außerhalb des kommerziellen Verlagswesens stehend Open Access als Non-Profit-Variante ermöglicht:

„Indeed, the model that underpins the platform is novel for humanities journals: many libraries all paying relatively small sums into a central fund that we then use, across our journal base, to cover the labour costs of publication once material has passed peer review. Libraries that participate are given a governance stake in the admission of new journals. While this model is strange in many ways (as libraries are not really buying a subscription since the material is open access), it works out to be extremely cost effective for participants. In our first year, across the platform, we look set to publish around 150 articles. For our bigger supporting institutions, this is a cost of merely $6.50 per article. For our smallest partners, it comes to $3.33. This economy of charitable, not-for-profit publishing works well at 100 institutions. It should work even better with the 350 libraries that we are aiming to recruit to our subsidy scheme in the first 3 years after launch.“

Hier besteht also auch für das deutsche Bibliothekswesen noch genügend Spielraum, sich zu positionieren.

Mit der Finanzierung wirkt offensichtlich auch eine bibliothekarische Kompetenz in das Projekt hinein. Die OLH übernimmt nicht nur vorgegebene Lösungen, sondern möchte selbst als Pilot neue Publikationsvarianten sowohl technisch wie auch organisatorisch anregen, was uns aus Sicht eines zugegeben sehr viel winzigeren Forschungsprojektes mit nicht ganz unähnlicher Ausrichtung selbstverständlich hochsympathisch ist. Die Bandbreite der Aufzählung mit den Entwicklungsfeldern deckt die Bedarfe, die uns die befragten GeisteswissenschaftlerInnen sowie VertreterInnen aus dem Bereich der Wissenschaftsinfrastruktur nannten, mehr als ab:

„including multi-lingual publishing, inter-lingual translation facilities, annotation and pedagogical integration, and post-publication peer review/discussion.“

Mehrsprachiges Publizieren ist in den deutschen Geisteswissenschaften nämlich eher ein Nebenthema und auch die pädagogische Komponente (= Lehre) ist nicht übermäßig präsent. Aus bibliothekswissenschaftlicher Sicht ist zudem ein weiterer Anspruch des Angebots hochinteressant:

„[t]o improve further the indexing and discoverability of our platform through cross-site search and integration with a range of aggregation services that feed into library platforms“

Aus der Berliner Sicht wünschten wir uns natürlich, dass lieber früher als später auch die deutsche Bibliothekswissenschaft den Anschluss an solche Projekte findet.

Dass das Unterfangen ein Wagnis ist, wissen auch Martin Eve und Caroline Edwards, die Direktoren der OLH. In ihrem Einstiegseditorial betonen sie, dass, obschon es eigentlich kaum einen guten Zeitpunkt zur Gründung eines Journals gibt, das Jahr 2015 ein besonders wenig günstiger Moment ist. Man könnte da sicher auch Gegenargumente finden, aber an sich stimmt die Zeitdiagnose, aus der diese Einsicht entspringt: das Digitale bietet unvergleichliche technische Möglichkeiten und führt zu schwer absehbaren sozialen Erwartungen. Parallel verlieren geisteswissenschaftliche Zeitschriften massiv an Bedeutung, was unter anderem daran liegt, dass die Bibliotheken aufgrund steigender Subskriptionskosten (in der Regel für nicht-geisteswissenschaftliche Materialien) gezwungen sind, Titel abzustellen. Andererseits, so die Autoren, ist Open Access eine riesige Chance und zwar dahingehend, dass die Geisteswissenschaften durch die neuen Disseminationsmöglichkeiten befähigt werden, die Grenzen ihrer Fachcommunities zu überschreiten und eine deutlich größere Öffentlichkeit zu erreichen.

Dafür, dass das gelingt, nahm man sich Zeit und entwickelte in zweieinhalb Jahren, also mit bibliothekarischer Gründlichkeit, ein Konzept, dessen Umsetzung auch zuversichtlich den Aspekt des Wachstums („scalability“) enthält. Ob diese Planung aufgeht, ist freilich noch nicht abzusehen und hängt maßgeblich von der Akzeptanz in den jeweiligen Fachgemeinschaften ab. Als Versuch wirkt die OLH aber außerordentlich vielversprechend und ist ein schönes zweites Modelle neben der bisher in der Anmutung doch noch deutlich eleganteren Blog-Plattform Hypotheses um geisteswissenschaftliche Fachkommunikation mit den Bedingungen und Möglichkeiten des Digitalen angemessen und vielleicht auch ein wenig mutig zu interpretieren. Ob das perspektivisch eher mit WordPress oder Open Journal Systems oder beidem oder einer neuen technischen Grundlage geschieht, wird sich dann auch noch zeigen.

Martin Eve, Caroline Edwards: Opening the Open Library of Humanities. Editorial. In: Open Library of Humanities, Vol.1, Iss. 1. DOI: 10.16995/olh.46