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Open Access in Berlin: Heiße Luft oder Hot Topic?

Ein Gastbeitrag von Anne Baillot

Nach der Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities 2003 schien sich bis zum 10jährigen Jubiläum derselben in der Hauptstadt in Sachen Open Access noch nicht sehr viel bewegt zu haben. Die Tatsache, dass die Implementierung der im Jahr 2003 unterzeichneten Ziele einige Institutionen nach wie vor vor große Herausforderungen stellte, regte den Einstein-Zirkel Digital Humanities 2015 dazu an, in Form von Interviews mit VertreterInnen einschlägiger Forschungseinrichtungen aus Berlin und Brandenburg den Status quo in der geisteswissenschaftlichen Forschung zu erheben, Best Practices zu erfassen und Zukunftsperspektiven darzustellen. Doch noch ehe die Interviewergebnisse ausgewertet und veröffentlicht werden konnten, hat die Thematik eine neue Dimension gewonnen. Open Access gehört inzwischen zur Digitalen Agenda der Hauptstadt; die Max-Planck-Gesellschaft hat eine Gold-OA-Offensive unter dem Banner „OA2020“ hervorgetrommelt und in einem offiziellen Amtsakt wird eine neue Bekräftigung der Berliner Erklärung von einigen Schlüsselakteuren veröffentlicht und beworben. Zentral scheint nicht nur die Frage zu sein, welche Formen von Wissenschaft Open Access ermöglichen, sondern auch, wenn nicht vorrangig, welche Art von Wissenschaftspolitik.

Das Open-Access-Kapitel des vom Einstein-Zirkel vorbereiteten Sammelbandes, der im Juni 2016 unter dem Titel Berliner Beiträge zu den Digital Humanities erscheinen wird, widmet sich dem Thema Open Access in den Geisteswissenschaften. Es enthält neben Aufsätzen (bereits als Preprint: „Open Humanities?“ von Michael Kleineberg) die Ergebnisse und das Wortlaut von 2015 an einschlägigen Einrichtungen durchgeführten Interviews zum Thema Open Access. Ausgangspunkt der Reflexion war die einmalige Situation der deutschen Hauptstadt, in der Open Access geisteswissenschaftlich Forschende an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ebenso betrifft wie GLAM-Einrichtungen (Galerien, Bibliotheken, Archive, Museen). Es ist diese einmalige Berlin-Brandenburgische Landschaft, die in den Mittelpunkt der Open Access-Interviews gerückt wurde.

Die Interviews gehen auf die breit gefächerten, auf die Bedürfnisse der jeweiligen Einrichtung zugeschnittenen, in den Jahren seit der Berlin Declaration jeweils entwickelten Portfolios ein. Der pragmatische Teil der Auseinandersetzung mit dem Open-Access-Prinzip im Bereich der geisteswissenschaftlichen Forschung wird damit deutlich: Wer Lust hat, Open Access zu publizieren, findet in Berlin und Umgebung in seiner Einrichtung einen erprobten Weg, dies zu tun. Doch die Hauptfrage bleibt: Wer hat Lust, Open Access zu publizieren, und wer kann es sich leisten? An dieser Stelle gilt es zu unterstreichen, dass trotz der ebenfalls vielfältigen Beratungsangebote der jeweiligen Einrichtungen die Kluft zwischen Reputation und Leserschaft bei den WissenschaftlerInnen nach wie vor nicht überbrückt zu sein scheint: Papier ist für die Reputation, Open Access um gelesen zu werden, wobei Ersteres die akademischen Karrieren dominiert.

Aber es geht bei Weitem nicht nur um akademische Karrieren. Ein Blick nach Frankreich, wo die Verankerung von Text und Data Mining im neu entstehenden „Digitalen Gesetz“ von WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen im Gespräch mit einander ausgearbeitet und debattiert wird (vgl. die Wiedergabe der Vorschläge und Gegenvorschläge zum neuen Gesetz unter dem Hashtag #PJLNumerique und auf der Webseite des Französischen Senats zu diesem Gesetz), zeigt, dass die politische, wirtschaftliche, aber auch beispielsweise gesundheitsökonomische Brisanz von Open Access, gekoppelt mit juristischen Fragen wie dem Schutz der Privatsphäre, unsere Zukunft entscheidend prägen wird. Und deswegen sollte es nicht nur darum gehen, sich zu fragen, ob NachwuchswissenschaftlerInnen ihre Preprints online stellen sollten (die Antwort darauf ist eindeutig: Ja!), und auch nicht darum, ob Bücher abgeschafft werden sollen (die Antwort darauf ist eindeutig: Nein!), sondern, welche Zivilgesellschaft dadurch entsteht, dass sie zu dieser Art von Wissen Zugang hat: Wie bringen wir unseren Kindern bei, das Internet sinnvoll zu nutzen? Welche juristischen Weichen können wir heute stellen? Wie können wir dafür sorgen, dass das, was wir heute Open Access veröffentlichen, morgen noch zugänglich sein wird? Diese Fragen sind die der Digital Humanities.

Edition TOPOI stellt das Citable und den dEbook-Viewer vor

Am Montag, den 18. April 2016 stellte die Edition TOPOI des Exzellenzclusters TOPOI (HU und FU Berlin) auf der Kick-Off-Veranstaltung zum „Wissenschaftlichen Publizieren+“ nicht nur eine ergänzende Note zur Berlin Declaration on Open Access in the Sciences and Humanities vor, sondern auch ihre neu entwickelten Publikationswerkzeuge, zum einen das „Digitally Enhanced Book“ (dEbook) und zum anderen das sogenannte „Citable“ als Beschreibungsformat für Forschungsdatenpublikationen.

Bei dem dEbook handelt es sich um ein Werkzeug zur Verknüpfung von publizierten Texten mit Forschungsdaten, bei dem Autorinnen und Autoren ihre Publikationen mit online verfügbaren Zusatzmaterialien wie Datenbanken, Graphiken oder 3D-Modellen vernetzen und präsentieren können. Dabei werden die Referenzobjekte allerdings nicht selbst in die Publikation integriert, sondern lediglich die zu Grunde liegenden Metadaten in einer Textdatei (.dEbook) erfasst und somit für das Sammeln, Senden und Teilen system- und softwareunabhängig bereitgestellt.

Die entsprechende Webapplikation trägt den etwas irreführenden Namen „dEbook-Viewer“, obwohl es sich nicht nur um ein Rezeptions-Tool handelt, sondern auch der Erstellung von Verknüpfungen und Annotationen dient. Auf diese Weise wird nicht nur ein interaktives Lesen und Recherchieren mit den integrierten Wörterbüchern, Lexika sowie Text- und Bildrecherche-Tools ermöglicht, sondern auch die aktive Anreicherung von Publikationen, die im PDF-Format vorliegen, durch Verlinken und Annotieren. Die Publikationen der Edition TOPOI stehen somit, nicht zuletzt da sie konsequent Open Access angeboten werden, als Digitally Enhanced Book zur Verfügung.

 

dEbook
dEbook-Viewer der Edition TOPOI

 

Entsprechend der Forderung des Exzellenzclusters TOPOI, dass Gedächtnis- und Bildungsinstitutionen ihre Digitalisate offen, maschinenlesbar und dauerhaft zitierfähig online zur Verfügung stellen, entwickelte die Edition TOPOI das Citable als ein Format zur Beschreibung von digitalen Forschungsdaten als eigenständige Publikationen. Das Citable integriert technische und beschreibende Metadaten sowie Lizenzinformationen mit dem jeweiligen persistenten Identifikator im JSON-Format, womit eine einfache Nachnutzung bzw. Weiterbearbeitung etwa durch Modifikationen und weitere Anreicherungen ermöglicht werden soll.

Während die ebenfalls im Cluster entwickelten Viewer-Technologien bereits deutlich erkennbare Mehrwerte durch umfangreiche Funktionalitäten bieten, beispielsweise bei der Betrachtung von 3D-Modellen, werden auf der Webseite der Edition TOPOI allerdings nur wenige Details des neuen Beschreibungsformates präsentiert. Es bleiben vor allem Fragen etwa hinsichtlich des Metadatenschemas, der technischen Umsetzung einer Versionierung, der Einbindung in Nachweissysteme sowie der Langzeitarchivierung bzw. -verfügbarkeit offen, so dass man gespannt sein darf auf die weiteren Entwicklungen.

 

Citable
Citable-Modell der Edition TOPOI

Fu-PusH Dossier: Förderinstitutionen und Empfehlungen

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 41 Statements, die mit sowohl mit Förderinstitutionen als auch mit Empfehlungen gefiltert wurden.

 

Auswertung

Prinzipiell wird anerkannt, dass den Förderinstitutionen im Bereich des geisteswissenschaftlichen Publizierens eine hohe wissenschaftspolitische Bedeutung zukommt (2594). Dies gilt insbesondere bei Standardisierungsprozessen (2734), bei der Etablierung bzw. Weiterentwicklung von projekt- bzw. institutionsübergreifenden Infrastrukturen (2799) sowie bei der Ausrichtung hin zu einer offenen Wissenschaft.

Die Förderung von Open Access wird sowohl im nationalen (z.B. DFG) als auch im europäischen Kontext (z.B. Horizon2020) als Leitlinie begrüßt (507, 558, 559, 911, 1581, 1984). Zum Teil wird sich auch dafür ausgesprochen, Open Access noch stärker und langfristiger zu fördern (2973, 2974, 3375) oder sogar als Bedingung vorzugeben (2972, 3064). Als wichtige förderpolitische Maßnahmen gelten vor allem die Etablierung von Publikationsfonds sowie die Deckelung von Publikationspauschalen im Zusammenhang mit Article Processing Charges (3255).

Vor allem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wird als eine Institution wahrgenommen, die sich aktiv um die Förderung einer offenen Wissenschaft bemüht und zugleich darauf bedacht ist, ihre Vorgaben nicht abgekoppelt von den Interessen der jeweiligen Fach-Communities zu treffen (309, 507, 1209). Der von der DFG besonders betonte Aspekt der Nachhaltigkeit beim wissenschaftlichen Publizieren, etwa bei der Langzeitarchivierung und -verfügbarkeit oder bei der Nachnutzung von Forschungsdaten und -infrastrukturen wird von den Befragten als wichtig und richtig angesehen (353, 2798). Auch die Vorgabe, dass es für jedes geförderte Projekt eine digitale Komponente geben muss, wird für sinnvoll erachtet (2324). Als Desiderat wird dagegen die Unterstützung der zentralen Diskussionen innerhalb einzelner Wissenschaftsbereiche formuliert (310, 311, 312, 2733).

Als eine Herausforderung wird die Zunahme des Publikationsaufkommens empfunden, die zum Teil auch durch bestehende Anreizsysteme mit verursacht wird, weshalb durchaus erwogen wird, diesem Phänomen förderpolitisch entgegen zu wirken (478).

Kritisch wird die Fokussierung der Forschungsevaluation auf quantitative Indikatoren eingeschätzt, da diese als ungeeignet gelten sowohl für die Grundlagenforschung als auch für viele genuin geisteswissenschaftliche Forschungsansätze (479, 2862).

Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen spielen förderpolitisch eine große Rolle etwa bei der Etablierung offener Publikationsformen (3065) oder der Nutzung des Zweitveröffentlichungsrechtes (890). Allerdings sollte durch förderpolitische Maßnahmen weder die Verlagsvielfalt (511) noch die Publikationsfreiheit eingeschränkt werden (3211, 3282).

Bei der finanziellen Projektförderung wird die Möglichkeit einer flexibleren Umwidmung der Mittel als sinnvoll erachtet (509). Prinzipiell wird sich dafür ausgesprochen, dass die Publikationskosten als Teil der Programmpauschale aufgefasst werden sollten (566, 1576).

Beim wissenschaftlichen Publizieren wird auch die Förderung von innovativen und experimentellen Ansätzen wie beispielsweise im Bereich des Enhanced Publishing als wichtig angesehen (1464, 1465). In diesem Zusammenhang wird gefordert, dass alternative Kommunikations- und Publikationsformen (z.B. Blogs) sowohl bei der Kreditierung (2736) als auch bei den Publikationskosten stärker berücksichtigt werden (826).

Darüber hinaus sollten Förderinstitutionen auch Richtlinien vorgeben für den Umgang mit Forschungsdaten und entsprechende Ressourcen bei der Projektbewilligung bereitstellen (823). Im Hinblick auf die Langzeitarchivierung und -verfügbarkeit wird betont, dass auch die Dokumentation der Software bzw. digitalen Werkzeuge als Richtlinie verankert werden sollte. Zudem erscheint es gerade für die Geisteswissenschaften unerlässlich, über den üblichen Zeitraum von 10 Jahren für die Bewahrung digitaler Publikationen hinaus zu denken (2329).

 

(Berlin, 11.02.2016)

Fu-PusH Dossier: Wissenschaftspolitik und Empfehlungen

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 18 Statements, die mit sowohl mit Wissenschaftspolitik als auch mit Empfehlungen gefiltert wurden.

 

Auswertung

Die wissenschaftspolitische Ausrichtung hin zu einer offenen Wissenschaft findet prinzipiell breite Akzeptanz auch wenn für die Ausgestaltung ein weiterer Diskussionsbedarf erkennbar ist (1581, 2514). Vor allem das Steuerzahlerargument, welches besagt, dass mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschungsergebnisse auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten, wird als überzeugend empfunden (93).

Es wird betont, dass juristische Lösungen wie beispielsweise die Einführung einer signifikanten Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urherberechtes oder eine Liberalisierung des Zweitveröffentlichungsrechtes vergleichsweise lange Zeiträume beanspruchen, weshalb der gesellschaftspolitische Druck sowie das Engagement der Autorinnen und Autoren als gestaltende Kräfte eingeschätzt werden (107).

Inwieweit eine Pflicht zur Zweitveröffentlichung durchgesetzt werden sollte, wird unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite wird gefordert, diese Pflicht direkt in die Leistungsvereinbarungen bei öffentlichen wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen zu integrieren (797). Auf der anderen Seite sollte die Publikationsfreiheit gewahrt bleiben (231).

Die Wahrung der Publikationsfreiheit wird allerdings nicht im Widerspruch gesehen mit der wissenschaftspolitischen Förderung von Open-Access-Publikationsstrategien, da lediglich positive Anreize gesetzt werden sollen und von Sanktionen abgesehen werden soll (231).

Die derzeitige Ausrichtung der DFG hinsichtlich Open-Access-Förderungen wird von vielen Befragten begrüßt und oft sogar als sehr fortschrittlich empfunden (309, 353). Zum Teil wird auch gefordert, dass sich Förderinstitutionen noch stärker um verbindliche Richtlinien bemühen sollten beispielsweise bezüglich der Themen Open Access oder rechtlicher Rahmenbedingungen (558, 559, 2734, 2972). Allerdings wird auch davor gewarnt, die Freiheit der Forschung einzuschränken und bestimmte Wissenschaftsformen erzwingen zu wollen (3282).

Es wird zu bedenken gegeben, dass wissenschaftspolitische Förderungen von Publikationsstrategien nicht nur von der Produktionsseite, sondern auch von der Einbettung in die Fach-Communities betrachtet werden sollten, insbesondere die zunehmende Publikationsflut wird hier als Herausforderung benannt (478).

Ein Kritikpunkt betrifft das kompetitive Wissenschaftssystem als solches, dass sich sehr stark an quantifizierbaren Indikatoren wie Publikationslisten oder Impact-Faktoren orientiert, aber insbesondere für die Grundlagenforschung ungeeignet erscheint (479).

Während die Bedeutung einer starken Open-Access-Politik von Seiten der Forschungseinrichtungen hervorgehoben wird (1050), wird auch ein Bedarf an institutsübergreifenden Infrastrukturen wie beispielsweise ein Netzwerk von Fachrepositorien artikuliert, für das sich die Wissenschaftspolitik einsetzen sollte (1862).

Für die Zukunft wird als wünschenswert angesehen, dass die Rollen und Zuständigkeiten der unterschiedlichen Akteure im Publikationsprozess, insbesondere von Verlagen, Infrastruktureinrichtungen sowie der öffentlichen Hand politisch ausgehandelt werden ohne dass dabei Konkurrenzverhältnisse entstehen (1987).

 

(Berlin, 10.02.2016)

10. Februar 2016 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied | Kein Kommentar »
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Fu-PusH Dossier: Autoren und Empfehlungen

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 45 Statements, die mit sowohl mit Autoren als auch mit Empfehlungen gefiltert wurden.

 

Kernaussagen

  • Autorinnen und Autoren sollten mit dem wissenschaftlichen Verlagswesen und alternativen Publikationsoptionen vertraut sein.
  • Forschende sollten sich bewusst und möglichst frühzeitig im Forschungsprozess eine Publikationsstrategie erarbeiten.
  • Autorinnen und Autoren sollten mehr Verantwortung bei der Aushandlung von Verlagsverträgen insbesondere bei der Rechteübertragung übernehmen.
  • Das Open-Access-Publizieren wird empfohlen sowohl für Erstpublikationen (Gold Open Access) als auch für Zweitpublikationen (Green Open Access).
  • Forschende sollte Infrastrukturanbieter als Partner im Forschungsprozess begreifen und ihre fachspezifischen Bedarfe klar formulieren.
  • Autorinnen und Autoren sollten sich nicht an Publikationsformaten, sondern an der Funktion der Wissenschaftskommunikation orientieren.

 

Auswertung

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Fu-PusH Dossier: Geschäftsmodelle

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 180 Statements, die mit dem Tag Geschäftsmodelle gefiltert wurden.

 

Kernaussagen

  • Traditionelle Geschäftsmodelle (z.B. Subskriptionsmodell, Druckkostenzuschuss) des wissenschaftlichen Publizierens in den Geisteswissenschaften gelten als dysfunktional.
  • Es bestehen große Unklarheiten bezüglich geeigneter Geschäftsmodelle, allerdings werden die größten Potenziale im Open-Access-Publizieren gesehen.
  • Geisteswissenschaftliches Publizieren unterscheidet sich von anderen Wissenschaftsbereichen durch signifikant geringere Endpreise und Gewinnmargen.
  • Die Publikationskosten sollten nicht Bestandteil der Forschungskosten sein, sondern als Infrastrukturkosten angesehen werden.
  • Eine Modularisierung von Publikationsdienstleistungen sollte angeboten bzw. nachgefragt werden.
  • Aus Autorensicht sind Reputationsgewinne von größerer Bedeutung als ökonomische Gewinne.
  • Die Autorenrechte sollten gestärkt werden und die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte nicht den Normalfall darstellen.
  • Mit Hilfe des Steuerzahlerargumentes wird für eine Open-Access-Kultur geworben.
  • Die teilweise Umlegung des Erwerbungsetats von Bibliotheken auf die Förderung von Open-Access-Publikationen wird als sinnvoll bewertet.
  • Die flächendeckende Etablierung von Open-Access-Publikationsfonds wird empfohlen.

 

Auswertung

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3. Februar 2016 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied | Kein Kommentar »
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Eine Notiz zum Start des geisteswissenschaftlichen Megajournals Open Library of Humanities.

von Ben Kaden (@bkaden)

Ende September gab es ein Ereignis, auf das wir aus der Fu-PusH-Perspektive unbedingt noch hinweisen müssen. Mit der Open Library of Humanities ging ein geisteswissenschaftliches Metajournal online, das versucht, den digitalen Möglichkeiten und den Ansprüchen der Zielgruppen gleichermaßen gerecht zu werden. Der Wille, etwas Neues zu schaffen, zeigt sich bereits im Veröffentlichungszyklus. Der Wille, ganz oben auf der Reputationsskala nicht etwa zu landen sondern gleich zu starten zeigt sich in der sehr selbstbewussten Selbstbeschreibung:

„The Open Library of Humanities journal publishes internationally-leading, rigorous and peer-reviewed scholarship across the humanities disciplines: from classics, theology and philosophy, to modern languages and literatures, film and media studies, anthropology, political theory and sociology.“

Die geplante wöchentliche Erscheinungsweise folgt dem Modell der großen naturwissenschaftlichen Titel und strukturell wie namenstechnisch sicher nicht zufällig der Public Library of Science (PLOS).

Das Modell des Meta- bzw. Megajournals impliziert, dass es sich nicht um eine einzelne Zeitschrift sondern um eine Plattform handelt, auf der unterschiedliche Zeitschriften (oder thematische Kollektionen) erscheinen können. Das alles geschieht Open Access und ohne Article Processing Charges, die für viele GeisteswissenschaftlerInnen ohnehin eine kaum zu nehmende Hürde darstellen. Die Ursache liegt besonders in Großbritannien und den USA auch darin, dass den Geisteswissenschaften große Teile der Förderung weggestrichen werden (in Japan versucht man offenbar, sie völlig aufzulösen). Die Kosten bei der OLH werden stattdessen von einem Bibliothekskonsortium getragen, dass um den Wert dieser Fächer genauso weiß, wie darum, dass die geisteswissenschaftliche Wissenschaftskommunikation dringend eine neue und gegenwartstaugliche Fassung benötigt. Damit erhält übrigens en passant die in den Fu-PusH-Interviews oft und intensiv diskutierte Frage, inwieweit Bibliotheken selbst als publizierende Akteure aktiv werden sollten, eine Antwort: Sie finanzieren kollaborativ eine übergeordnete Plattform, die außerhalb des kommerziellen Verlagswesens stehend Open Access als Non-Profit-Variante ermöglicht:

„Indeed, the model that underpins the platform is novel for humanities journals: many libraries all paying relatively small sums into a central fund that we then use, across our journal base, to cover the labour costs of publication once material has passed peer review. Libraries that participate are given a governance stake in the admission of new journals. While this model is strange in many ways (as libraries are not really buying a subscription since the material is open access), it works out to be extremely cost effective for participants. In our first year, across the platform, we look set to publish around 150 articles. For our bigger supporting institutions, this is a cost of merely $6.50 per article. For our smallest partners, it comes to $3.33. This economy of charitable, not-for-profit publishing works well at 100 institutions. It should work even better with the 350 libraries that we are aiming to recruit to our subsidy scheme in the first 3 years after launch.“

Hier besteht also auch für das deutsche Bibliothekswesen noch genügend Spielraum, sich zu positionieren.

Mit der Finanzierung wirkt offensichtlich auch eine bibliothekarische Kompetenz in das Projekt hinein. Die OLH übernimmt nicht nur vorgegebene Lösungen, sondern möchte selbst als Pilot neue Publikationsvarianten sowohl technisch wie auch organisatorisch anregen, was uns aus Sicht eines zugegeben sehr viel winzigeren Forschungsprojektes mit nicht ganz unähnlicher Ausrichtung selbstverständlich hochsympathisch ist. Die Bandbreite der Aufzählung mit den Entwicklungsfeldern deckt die Bedarfe, die uns die befragten GeisteswissenschaftlerInnen sowie VertreterInnen aus dem Bereich der Wissenschaftsinfrastruktur nannten, mehr als ab:

„including multi-lingual publishing, inter-lingual translation facilities, annotation and pedagogical integration, and post-publication peer review/discussion.“

Mehrsprachiges Publizieren ist in den deutschen Geisteswissenschaften nämlich eher ein Nebenthema und auch die pädagogische Komponente (= Lehre) ist nicht übermäßig präsent. Aus bibliothekswissenschaftlicher Sicht ist zudem ein weiterer Anspruch des Angebots hochinteressant:

„[t]o improve further the indexing and discoverability of our platform through cross-site search and integration with a range of aggregation services that feed into library platforms“

Aus der Berliner Sicht wünschten wir uns natürlich, dass lieber früher als später auch die deutsche Bibliothekswissenschaft den Anschluss an solche Projekte findet.

Dass das Unterfangen ein Wagnis ist, wissen auch Martin Eve und Caroline Edwards, die Direktoren der OLH. In ihrem Einstiegseditorial betonen sie, dass, obschon es eigentlich kaum einen guten Zeitpunkt zur Gründung eines Journals gibt, das Jahr 2015 ein besonders wenig günstiger Moment ist. Man könnte da sicher auch Gegenargumente finden, aber an sich stimmt die Zeitdiagnose, aus der diese Einsicht entspringt: das Digitale bietet unvergleichliche technische Möglichkeiten und führt zu schwer absehbaren sozialen Erwartungen. Parallel verlieren geisteswissenschaftliche Zeitschriften massiv an Bedeutung, was unter anderem daran liegt, dass die Bibliotheken aufgrund steigender Subskriptionskosten (in der Regel für nicht-geisteswissenschaftliche Materialien) gezwungen sind, Titel abzustellen. Andererseits, so die Autoren, ist Open Access eine riesige Chance und zwar dahingehend, dass die Geisteswissenschaften durch die neuen Disseminationsmöglichkeiten befähigt werden, die Grenzen ihrer Fachcommunities zu überschreiten und eine deutlich größere Öffentlichkeit zu erreichen.

Dafür, dass das gelingt, nahm man sich Zeit und entwickelte in zweieinhalb Jahren, also mit bibliothekarischer Gründlichkeit, ein Konzept, dessen Umsetzung auch zuversichtlich den Aspekt des Wachstums („scalability“) enthält. Ob diese Planung aufgeht, ist freilich noch nicht abzusehen und hängt maßgeblich von der Akzeptanz in den jeweiligen Fachgemeinschaften ab. Als Versuch wirkt die OLH aber außerordentlich vielversprechend und ist ein schönes zweites Modelle neben der bisher in der Anmutung doch noch deutlich eleganteren Blog-Plattform Hypotheses um geisteswissenschaftliche Fachkommunikation mit den Bedingungen und Möglichkeiten des Digitalen angemessen und vielleicht auch ein wenig mutig zu interpretieren. Ob das perspektivisch eher mit WordPress oder Open Journal Systems oder beidem oder einer neuen technischen Grundlage geschieht, wird sich dann auch noch zeigen.

Martin Eve, Caroline Edwards: Opening the Open Library of Humanities. Editorial. In: Open Library of Humanities, Vol.1, Iss. 1. DOI: 10.16995/olh.46

 

 

Als Nachlese zu den Open-Access-Tagen 2015: Die Top40 des #oat15-Twitteraufkommens.

Ausgerechnet heute also kürt der Neologismen-Sammeldienst Wordspy den Ausdruck „vanity metric“ zum Wort des Tages. Darunter versteht man:

„A measurement or score that is used to impress other people, but is not a true indicator of quality or success.“

Wer sich ein wenig mit der metrischen Dimension von Wissenschafts- und Social-Impact-Evaluationen befasst, sieht vermutlich sofort die Relevanz eines solchen Konzeptes für unser digital-statistisches Zeitalter. Inwieweit die unten stehende Grafik in diese Kategorie fällt, lassen wir jetzt mal offen. Wir haben jedenfalls die diesjährigen Open-Access-Tage 2015 in Zürich am Montag und Dienstag dieser Woche (07. und 08. 09.2015) intensiv bei Twitter über das Hashtag #oat15 hier in unserem Berliner Bibliotheksbüro mitverfolgt, was zwar nicht so gut ist, wie selbst dabeizusein, was aber immerhin ermöglicht, den thematischen Schwerpunkten der Diskussionen sowie der Grundstimmung der Tagung nachzuspüren. Auch das ist ein Vorteil digitaler Wissenschaftskommunikation: Kennt man das Hashtag einer Veranstaltung, kann man sich nebenbei an jede Konferenz ein wenig andocken, nebenbei der eigentlichen Arbeit nachgehen und dennoch im Diskursraum der jeweiligen Keynotes, Sessions und Workshops ein wenig echoloten.

Damit unsere Twitter-Verfolgung nicht ganz folgenlos bleibt, haben wir eine Grafik mit den Top-40-Accounts, die wir aus dem Tweetaufkommen herausmessen konnten, erstellt. Als besondere Aktivposten stellen sich danach der ScienceOpen-Mitbegründer Alexander Grossmann (@SciPubLab), der Biologe Donat Agosti (@myrmoteras) und der Bertelsmann-Medienexperte Joachim Höper (@Joachim_Hoeper) heraus. Insgesamt lässt sich festhalten, dass bei den Twitterern Personen mit einem Hintergrund im Infrastruktur- und Bibliotheks- oder Publikationsbereich überwiegen. Wir haben nicht alle Accounts verifiziert, können aber doch vermutlich auch so behaupten, dass der Anteil der Fachwissenschaftler und insbesondere von Wissenschaftlern mit einem geisteswissenschaftlichen Hintergrund eher überschaubar ist, was freilich auch mit der TeilnehmerInnen-Liste korreliert. Die Open-Access-Tage waren und sind eine Veranstaltung vor allem für Experten aus dem dezidierten Open-Access- und Infrastruktur(entwicklungs)feld und aus der Distanz ist auch gar nicht ersichtlich, inwieweit ein Schritt weiter in die Fachwissenschaften hier möglich oder angestrebt ist. Dass unser eigener Twitter-Strom (@fupush) ganz gut platziert ist, war dagegen nicht beabsichtigt (Stichwort vanity metric), sondern ergab sich ganz natürlich bei diesem Themenfeld. Denn natürlich ist ein Projekt, das sich mit der Zukunft des Publizierens in den Geisteswissenschaften befasst, eindeutig die richtige Zielgruppe für die gegenwärtigen Debatten um Open Access.

Verteilung der Top-40-Twitter-Accounts zum Hashtag #oat15

Grafik: Martin Walk, Fu-PusH, 11.09.2015, Nachnutzung sehr gern unter den Bedingungen der CC BY 4.0-Lizenz

11. September 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
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Als Gruß nach Zürich (#oat15): Ein Blick in die FAZ-Berichterstattung zum Thema Open Access im Jahr 2003.

von Ben Kaden (@bkaden)

Nachdem Hubertus Kohle heute bei seiner Keynote zur Eröffnung der Open-Access-Tage 2015 in Zürich offenbar erneut auf die Bemühungen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hinwies, den öffentlichen Diskurs zu Open Access mit, nun ja, kritischen Noten zu versehen


haben wir fast ein wenig aus Nostalgie noch einmal im Archiv nachgesehen, was da unter stimmungsprägenden Überschriften wie „Billiger lesen“ (Ausgabe vom 29.04.2015, Nr. 99, S. 13) und „Schmerzen der Wende“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.05.2015, Nr. 104, S. N4) in der jüngeren und älteren Vergangenheit tatsächlich zu Open Access kommuniziert wurde.

Den Rückblick auf die rhetorischen und konzeptionellen Besonderheiten des Heidelberger Appells sparen wir uns und lesen lieber im ersten Beitrag, den wir im FAZ/FAS-Archiv zum Thema ermitteln konnten. In diesem langen Bericht im Wissenschaftsteil der Sonntagszeitung setzte sich Ulf von Rauchhaupt im Oktober 2003 und damit Nachgang mit der Berliner Erklärung solide und differenziert zunächst mit den Gründen selbst für den Trend Richtung OA und dann auch mit den Folgen auseinander.

Zu den Auslösern der Bewegung heißt es: …weiterlesen »

7. September 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden | 1 Kommentar »
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Open Access, Wissenschaftskultur und Forschungsdaten. Zu einem Beitrag bei derStandard.at.

In der Tageszeitung Der Standard erschien unlängst ein weiterer Beitrag über Open Access, diesmal aus österreichischer Sicht und erwartungsgemäß eher allgemein gehalten. Wer sich mit der Debatte etwas auskennt, findet daher sicher wenige neue Einsichten und stattdessen mehr Erinnerungen an heißere Phasen der Debatte, denn sogar sowohl Roland Reuß mit seiner Warnung vor dem Zwang zu Open Access wie auch Uwe Jochum mit seiner These, dass digitale Daten nur mit unkalkulierbaren, in jedem Fall äußerst hohen Kosten langzeiterhalten werden können, finden sich in dem Artikel wieder.

Aus Sicht von Fu-PusH sind zwei andere Aspekte notierenswert. So bestätigt Bernhard Haslhofer unsere Erfahrung, dass es beim Open Access keine alle Fachkulturen integrierende Generallösung geben kann und auch überhaupt Formen digital vermittelteter Wissenschaftskommunikation in der einen Disziplin der Normal- und in einer anderen ein Sonderfall sind:

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