Jetzt, da das Fu-PusH-Projekt auf sein Ende zusteuert, fällt auf, dass wir erstaunlich selten Gelegenheiten hatten, etwas in unsere Pressemappe zu legen. Eine Ursache ist sicherlich, dass sich einerseits unsere Aktivitäten im Kreis einer bestimmten Fachöffentlichkeit entfalteten sowie, dass wir andererseits vieles von dem, was uns aus dem laufenden Projekt heraus als wichtig für die Öffentlichkeit erschien, direkt in diesem Blog und in unserer Materialsammlung (und ein wenig bei Github) publiziert haben. Unser Anspruch an transparente Wissenschaft und ihre Kommunikation wurde damit bereits erfüllt.
Umso mehr freuen wir uns, dass wir mit dem Bericht zu unserem Workshop zu Enhanced Publications und Bibliotheken, den Maja Stark in der Zeitschrift des Exzellenzclusters Bild Wissen Gestaltung der Humboldt-Universität zu Berlin, CZ#, veröffentlichte, nun doch einen externen Blick auf unserer Projekt dokumentieren können.

Vor etwa einem Jahr wies Kevin Boehnke in Science darauf hin, dass Naturwissenschaften durchaus etwas von den Geisteswissenschaften lernen könnten. In der Eröffnungskeynote der Tagung des Verbands Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd), die in der vergangenen Woche in Leipzig stattfand, folgte die Computerwissenschaftlerin Katharina Anna Zweig einem solchen Erweiterungsideal aus Sicht der Informatik und damit uns das nicht sofort wieder verlorengeht, möchten wir diese Aussage als Zitat aus dem Abstract zum Vortrag „Von den ‚digital humanities‘ zu einer humanen Digitalisierung“ an dieser Stelle noch einmal dokumentieren:

Die Lücke, die die Liste der Disziplinen im Abstract lässt, liegt freilich im Bereich der Philosophie. Die angesprochenen Fragestellungen
Wie können wir […] vermeiden, dass Algorithmen verzerren, diskriminieren oder gar manipulieren?
Wie können sensible Machtbalancen zwischen Privatheit und Sicherheit, ökonomischen Erfolg und Transparenz hergestellt werden?
haben eine unverkennbar ethische Komponente, die hoffentlich während des Vortrags, die wir leider aus der Termingründen nicht hören konnten, tiefer erörtert wurden, als es dieser Teaser andeutet. Sehr sympathisch ist es uns, deren Projekt im Kosmos der Geisteswissenschaften so langsam seinem Ende zuläuft, dagegen die anschließende Aussage, auch wenn solche Prognosen auch oder gerade in der schüchternen Konjunktivform aus der Erfahrung der retrospektiven Betrachtung mit Diskursen immer schön schallen und oft schnell verrauchen:
„Es könnte das Jahrhundert der Geisteswissenschaften werden.“
Ein Stück weit, so vielleicht bis zur Hälfte, wird uns vergönnt sein, das Jahrhundert und seinen Umgang mit den Geisteswissenschaften zu beobachten. Wir werden uns bei Bedarf, sicher in einem anderen Medium, an Katharina Anna Zweig erinnern und hoffentlich noch auf diese Notiz in einer digital langzeitverfügbaren Form verweisen können.
(Berlin, 14.03.2016, Crosspost mit dem LIBREAS-Tumblr)
Quelle: Zweig[,] Katharina Anna: Von den ‚digital humanities‘ zu einer humanen Digitalisierung. In: DHd 2016. Modellierung – Vernetzung – Visualisierung[.] Die Digital Humanities als fächerübergreifendes Forschungsparadigma. Konferenzabstracts. Universität Leipzig 7. bis 12. März 2016. Duisburg: nisaba Verlag, 2016. S. 13
Wie der Twitter-Strom unter #dhd2016 berichtet, ist die Jahreskonferenz des Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) e. V. in Leipzig bereits in voller Entfaltung begriffen. Das Fu-PusH-Projektteam wird morgen dazu stoßen und unter anderem ein Poster aus- und beim Posterslam ab 16:00 im HS 09 vorstellen. Heute zeigen wir es gern schon hier.

Weitere Informationen sowie eine Downloadmöglichkeit gibt es bei Zenodo: Digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften. Abschlussbericht und Handlungsempfehlungen des DFG-Projektes Fu-PusH
Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)
zu
Andreas Rötzer: Als wären Autoren und Verleger Gegner. In: faz.net, 01.03.2016
Auf faz.net erschien gestern eine ausführliche Positionierung des Verlegers Andreas Rötzer (Matthes & Seitz) zur geplanten Urheberrechtsnovelle. Auf den ersten Blick scheint die Sachlage relativ eindeutig: Der Vertreter eines so genannten Publikumsverlages spricht sich für einen Interessenausgleich und eine differenzierte Betrachtung von Publikationskulturen aus.

Es gibt in seiner Überlegung drei Formen des mehr oder weniger kreativen, in jedem Fall urheberrechtlich schützbaren Schreibens: die Literatur, der Journalismus und die Wissenschaft. Andreas Rötzer spricht sich dafür aus, diese drei Bereiche zwar als ähnlich, aber doch mit unterschiedlichen Ansprüchen zu betrachten.
Der Blick sowohl auf das geisteswissenschaftliche Publikationswesen als auch auf den Reportagejournalismus zeigt jedoch, dass diese Unterscheidung in der Praxis kaum funktioniert. Wie unter anderem unsere Befragungen ergaben, findet sich in vielen Fachkulturen, insbesondere der literatur- und geschichtswissenschaftlichen Disziplinen durchaus der Wunsch, mit einem an Reichweite starken Verlag mit sorgfältigsten Lektorat Ausgaben in einer Güte zur erstellen, die den von Andreas Rötzer beschriebenen Publikationsworkflows nicht nachstehen und teils vom Gestaltungswunsch (man denke an Illustrationen und Visualisierungen) sogar anspruchsvoller sein können, als literarische Texte. Auch bei bestimmten journalistischen Arbeiten steht am Ende ein möglichst hochwertig aufgearbeitetes Buch. Daher dürfte die zitierte Differenzierung eher nicht tauglich sein.
Eine andere Möglichkeit wäre eventuell, die Narrativität als Kriterium heranzuziehen: Stark formalisierte oder berichtende Textsorten, wie sie in weiten Teilen der STM-Disziplinen und im Nachrichtenjournalismus zu finden sind sind vor dem Hintergrund text- und formschöpferischer Qualität vermutlich anders zu behandeln, als deutend-erzählende Annäherungen. Eine weitere Kategorie wären Lehrbücher und enzyklopädische Werke bzw. Lexika und schließlich Wörterbücher, die sehr nah an dem liegen, was man als Datenbanken bzw. -sammlungen verstehen kann.
Bei erweiterten Publikationen, also dem Schritt ins Digitale, sind all diese unterschiedlichen Formen schließlich fast beliebig verknüpf- und kuratierbar. Überlegt man bei den Buchproduktionen, zu denen auch die meisten E-Book-Publikationen heute gelten dürften, inwieweit dem Verlag durch Lektorat, Satz und weiteren Gestaltungen eigene Schöpfungsanteile zukommen, sind bei komplexen, digitalen Werken auf einmal beispielsweise auch kuratorische Anteile zu berücksichtigen. So bilden Remixe, Mash-Ups bzw. die sogenannten nutzergenerierten Inhalte (und Erweiterungen) eine de facto Dauerherausforderung, die urheberrechtlich derzeit überhaupt nicht angemessen adressierbar ist. (Vgl. dazu u.a. Dirk von Gehlens Lob der Kopie, Rezension.)
Anstatt sich also am Literatururheberrecht zu orientieren, sollte man also zunächst möglicherweise mehr an Filmwerke denken, die in ihrer arbeitsteiligen Struktur dem näher kommen, was in elaborierten und offenen Publikationsszenarien entstehen könnte. Oder besser noch in der Verknüpfung von Plotting, Narrativ und Narrativabbildung, Codierung, Navigation und Multimedialität auf den Bereich der Computerspiele schauen, was heute freilich vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern noch eher absurd erscheinen dürfte. Strukturell zeigt es sich jedoch als durchaus sinnvoll. Das Konzept der sogenannten Gamifizierung erreicht so aus einer womöglich weniger erwarteten Richtung das wissenschaftliche Publizieren. Gleiches gilt, bisher viel deutlicher erkennbar, im digitalen Journalismus (vgl. zu den Parallelen auch diesen Text). Angesichts dieser Entwicklung muss man Andreas Rötzer uneingeschränkt zustimmen, wenn er seinen Artikel mit der Aussage schließt:
Aber vielleicht sollte man auch gleich einen Schritt weitergehen und nicht über eine Reform des Urheberrechts nachdenken, sondern über ein neues Urheberrecht, das im Schatten der kommenden Veränderungen durch die Digitalisierung bald dringend nötig sein wird.
Wobei wir diese Diskussion bereits seit den 1990er angedacht und seit den späten 2000-Jahren in voller Blüte kennen. (Nach wie vor online ist übrigens die Materialsammlung dazu bei IUWIS, Stichwort digitales Urheberrecht.)
(Berlin, 02. März 2016)