Archiv für März 2016

Workshopbericht Enhanced Publications, in der CZ#141

Jetzt, da das Fu-PusH-Projekt auf sein Ende zusteuert, fällt auf, dass wir erstaunlich selten Gelegenheiten hatten, etwas in unsere Pressemappe zu legen. Eine Ursache ist sicherlich, dass sich einerseits unsere Aktivitäten im Kreis einer bestimmten Fachöffentlichkeit entfalteten sowie, dass wir andererseits vieles von dem, was uns aus dem laufenden Projekt heraus als wichtig für die Öffentlichkeit erschien, direkt in diesem Blog und in unserer Materialsammlung (und ein wenig bei Github) publiziert haben. Unser Anspruch an transparente Wissenschaft und ihre Kommunikation wurde damit bereits erfüllt.

Umso mehr freuen wir uns, dass wir mit dem Bericht zu unserem Workshop zu Enhanced Publications und Bibliotheken, den Maja Stark in der Zeitschrift des Exzellenzclusters Bild Wissen Gestaltung der Humboldt-Universität zu Berlin, CZ#, veröffentlichte, nun doch einen externen Blick auf unserer Projekt dokumentieren können.

Nichts ist für die Ewigkeit: Enhanced Publications. (Maja Stark in CZ#141, S. 10)
Nichts ist für die Ewigkeit: Enhanced Publications. (Maja Stark in CZ#141, S. 10 – PDF-Download)
29. März 2016 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Enhanced Publications, Veranstaltungen

Eine kurze Nachlese zum Fu-PusH-Workshop Enhanced Publications und Bibliotheken vom 16.03.2016

Am 16.März veranstaltete das Fu-PusH-Projekt einen Workshop zum Themenkomplex Enhanced Publications und Bibliotheken im Grimmzentrum. Dieser bestätigte im Ergebnis eine ganze Reihe der Einsichten aus den Erhebungen des Projektes (mehr dazu u.a. in unseren Dossiers), erweiterte aber zudem unsere Perspektive gerade auch um die Situation bei den Publikumsverlagen und entsprechenden erweiterten Publikationen (dort auch bekannt als Enriched (E-)Books). Die dort relevanten Erweiterungen sind vor allem Multimedialität und Social-Reading-Funktionen. Die Zukunft dürfte in diesem Bereich möglicherweise weniger nah am Ausgangspunkt Buch zu suchen sein und mehr im Bereich der Applications.

Erweiterte Publikationen sind in diesem Kontext konsequent als Hybride zwischen Buch, von dem mutmaßlich das Element Text mit seinem Narrationsfunktion und die Nutzungsform des Lesens übernommen werden, und Software als Umsetzungsform zu verstehen. Interessant ist nun, was mit den unterschiedlichen Akteuren und Aufgabenbereichen der Branche geschieht. Guido Stemme vom Mainzer bureau23 betonte, dass im Herstellungsworkflow solcher Publikationen Programmierer im Prinzip die Rollen übernehmen, die in der Druckkultur in den Händen von Setzern, Druckern und Buchbindern lagen. Die Formgebung von Enhanced Publications bzw. Enhanced E-Books unterscheidet sich abstrakt erst einmal wenig von anderer Softwareentwicklung, weshalb sich dafür auch der Scrum-Ansatz naheliegend eignet, den die Entwicklungsteams für Digitale Publikationen an der Universitätsbibliothek Göttingen verfolgen wie Daniel Beucke erläuterte. Jeder der vier Vorträge sowie die Diskussion ingesamt führte unvermeidlich zu der Kernerkenntnis des Workshops, dass neue, also erweiterte Publikationsformen, nur mit entsprechend angemessenen und in der Regel ebenfalls neu zu entwickelnden und zu implementierenden Herstellungsworkflows realisiert werden können. Neue Publikationsformen brauchen neue Entwicklungsmethoden – kann als Merksatz gelten. …weiterlesen »

Was wir uns von der DHd 2016 merken: Das 21. Jahrhundert könnte eines der Geisteswissenschaften sein.

Vor etwa einem Jahr wies Kevin Boehnke in Science darauf hin, dass Naturwissenschaften durchaus etwas von den Geisteswissenschaften lernen könnten. In der Eröffnungskeynote der Tagung des Verbands Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd), die in der vergangenen Woche in Leipzig stattfand, folgte die Computerwissenschaftlerin Katharina Anna Zweig einem solchen Erweiterungsideal aus Sicht der Informatik und damit uns das nicht sofort wieder verlorengeht, möchten wir diese Aussage als Zitat aus dem Abstract zum Vortrag „Von den ‚digital humanities‘ zu einer humanen Digitalisierung“ an dieser Stelle noch einmal dokumentieren:

Zitat Katharina Anna Zweig zum Verhältnis von Informatik und Geisteswissenschaften
Zitat Katharina Anna Zweig zum Verhältnis von Informatik und Geisteswissenschaften

Die Lücke, die die Liste der Disziplinen im Abstract lässt, liegt freilich im Bereich der Philosophie. Die angesprochenen Fragestellungen

Wie können wir […] vermeiden, dass Algorithmen verzerren, diskriminieren oder gar manipulieren?

Wie können sensible Machtbalancen zwischen Privatheit und Sicherheit, ökonomischen Erfolg und Transparenz hergestellt werden?

haben eine unverkennbar ethische Komponente, die hoffentlich während des Vortrags, die wir leider aus der Termingründen nicht hören konnten, tiefer erörtert wurden, als es dieser Teaser andeutet. Sehr sympathisch ist es uns, deren Projekt im Kosmos der Geisteswissenschaften so langsam seinem Ende zuläuft, dagegen die anschließende Aussage, auch wenn solche Prognosen auch oder gerade in der schüchternen Konjunktivform aus der Erfahrung der retrospektiven Betrachtung mit Diskursen immer schön schallen und oft schnell verrauchen:

„Es könnte das Jahrhundert der Geisteswissenschaften werden.“

Ein Stück weit, so vielleicht bis zur Hälfte, wird uns vergönnt sein, das Jahrhundert und seinen Umgang mit den Geisteswissenschaften zu beobachten. Wir werden uns bei Bedarf, sicher in einem anderen Medium, an Katharina Anna Zweig erinnern und hoffentlich noch auf diese Notiz in einer digital langzeitverfügbaren Form verweisen können.

(Berlin, 14.03.2016, Crosspost mit dem LIBREAS-Tumblr)

Quelle: Zweig[,] Katharina Anna: Von den ‚digital humanities‘ zu einer humanen Digitalisierung. In: DHd 2016. Modellierung – Vernetzung – Visualisierung[.] Die Digital Humanities als fächerübergreifendes Forschungsparadigma. Konferenzabstracts. Universität Leipzig 7. bis 12. März 2016. Duisburg: nisaba Verlag, 2016. S. 13

Das Fu-PusH-Poster für die DHd 2016

Wie der Twitter-Strom unter #dhd2016 berichtet, ist die Jahreskonferenz des Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) e. V. in Leipzig bereits in voller Entfaltung begriffen. Das Fu-PusH-Projektteam wird morgen dazu stoßen und unter anderem ein Poster aus- und beim Posterslam ab 16:00 im HS 09 vorstellen. Heute zeigen wir es gern schon hier.

 

Fu-PusH - Poster für die dhd2016 in Leipzig
Fu-PusH-Poster für die DHd 2016 in Leipzig

 

Weitere Informationen sowie eine Downloadmöglichkeit gibt es bei Zenodo: Digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften. Abschlussbericht und Handlungsempfehlungen des DFG-Projektes Fu-PusH

10.5281/zenodo.47091

8. März 2016 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Veranstaltungen

Publikationskulturen und Urheberrecht. Eine Überlegung zu einem Differenzierungsansatz

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

zu

Andreas Rötzer: Als wären Autoren und Verleger Gegner. In: faz.net, 01.03.2016

Auf faz.net erschien gestern eine ausführliche Positionierung des Verlegers Andreas Rötzer (Matthes & Seitz) zur geplanten Urheberrechtsnovelle. Auf den ersten Blick scheint die Sachlage relativ eindeutig: Der Vertreter eines so genannten Publikumsverlages spricht sich für einen Interessenausgleich und eine differenzierte Betrachtung von Publikationskulturen aus.

Zitat Andreas Rötzer auf faz.net
Zitat Andreas Rötzer auf faz.net, 01.03.2016

Es gibt in seiner Überlegung drei Formen des mehr oder weniger kreativen, in jedem Fall urheberrechtlich schützbaren Schreibens: die Literatur, der Journalismus und die Wissenschaft. Andreas Rötzer spricht sich dafür aus, diese drei Bereiche zwar als ähnlich, aber doch mit unterschiedlichen Ansprüchen zu betrachten.

Der Blick sowohl auf das geisteswissenschaftliche Publikationswesen als auch auf den Reportagejournalismus zeigt jedoch, dass diese Unterscheidung in der Praxis kaum funktioniert. Wie unter anderem unsere Befragungen ergaben, findet sich in vielen Fachkulturen, insbesondere der literatur- und geschichtswissenschaftlichen Disziplinen durchaus der Wunsch, mit einem an Reichweite starken Verlag mit sorgfältigsten Lektorat Ausgaben in einer Güte zur erstellen, die den von Andreas Rötzer beschriebenen Publikationsworkflows nicht nachstehen und teils vom Gestaltungswunsch (man denke an Illustrationen und Visualisierungen) sogar anspruchsvoller sein können, als literarische Texte. Auch bei bestimmten journalistischen Arbeiten steht am Ende ein möglichst hochwertig aufgearbeitetes Buch. Daher dürfte die zitierte Differenzierung eher nicht tauglich sein.

Eine andere Möglichkeit wäre eventuell, die Narrativität als Kriterium heranzuziehen: Stark formalisierte oder berichtende Textsorten, wie sie in weiten Teilen der STM-Disziplinen und im Nachrichtenjournalismus zu finden sind sind vor dem Hintergrund text- und formschöpferischer Qualität vermutlich anders zu behandeln, als deutend-erzählende Annäherungen. Eine weitere Kategorie wären Lehrbücher und enzyklopädische Werke bzw. Lexika und schließlich Wörterbücher, die sehr nah an dem liegen, was man als Datenbanken bzw. -sammlungen verstehen kann.

Bei erweiterten Publikationen, also dem Schritt ins Digitale, sind all diese unterschiedlichen Formen schließlich fast beliebig verknüpf- und kuratierbar. Überlegt man bei den Buchproduktionen, zu denen auch die meisten E-Book-Publikationen heute gelten dürften, inwieweit dem Verlag durch Lektorat, Satz und weiteren Gestaltungen eigene Schöpfungsanteile zukommen, sind bei komplexen, digitalen Werken auf einmal beispielsweise auch kuratorische Anteile zu berücksichtigen. So bilden Remixe, Mash-Ups bzw. die sogenannten nutzergenerierten Inhalte (und Erweiterungen) eine de facto Dauerherausforderung, die urheberrechtlich derzeit überhaupt nicht angemessen adressierbar ist. (Vgl. dazu u.a. Dirk von Gehlens Lob der Kopie, Rezension.)

Anstatt sich also am Literatururheberrecht zu orientieren, sollte man also zunächst möglicherweise mehr an Filmwerke denken, die in ihrer arbeitsteiligen Struktur dem näher kommen, was in elaborierten und offenen Publikationsszenarien entstehen könnte. Oder besser noch in der Verknüpfung von Plotting, Narrativ und Narrativabbildung, Codierung, Navigation und Multimedialität auf den Bereich der Computerspiele schauen, was heute freilich vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern noch eher absurd erscheinen dürfte. Strukturell zeigt es sich jedoch als durchaus sinnvoll. Das Konzept der sogenannten Gamifizierung erreicht so aus einer womöglich weniger erwarteten Richtung das wissenschaftliche Publizieren. Gleiches gilt, bisher viel deutlicher erkennbar, im digitalen Journalismus (vgl. zu den Parallelen auch diesen Text). Angesichts dieser Entwicklung muss man Andreas Rötzer uneingeschränkt zustimmen, wenn er seinen Artikel mit der Aussage schließt:

Aber vielleicht sollte man auch gleich einen Schritt weitergehen und nicht über eine Reform des Urheberrechts nachdenken, sondern über ein neues Urheberrecht, das im Schatten der kommenden Veränderungen durch die Digitalisierung bald dringend nötig sein wird.

Wobei wir diese Diskussion bereits seit den 1990er angedacht und seit den späten 2000-Jahren in voller Blüte kennen. (Nach wie vor online ist übrigens die Materialsammlung dazu bei IUWIS, Stichwort digitales Urheberrecht.)

(Berlin, 02. März 2016)