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Publikationskulturen und Urheberrecht. Eine Überlegung zu einem Differenzierungsansatz

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

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Andreas Rötzer: Als wären Autoren und Verleger Gegner. In: faz.net, 01.03.2016

Auf faz.net erschien gestern eine ausführliche Positionierung des Verlegers Andreas Rötzer (Matthes & Seitz) zur geplanten Urheberrechtsnovelle. Auf den ersten Blick scheint die Sachlage relativ eindeutig: Der Vertreter eines so genannten Publikumsverlages spricht sich für einen Interessenausgleich und eine differenzierte Betrachtung von Publikationskulturen aus.

Zitat Andreas Rötzer auf faz.net
Zitat Andreas Rötzer auf faz.net, 01.03.2016

Es gibt in seiner Überlegung drei Formen des mehr oder weniger kreativen, in jedem Fall urheberrechtlich schützbaren Schreibens: die Literatur, der Journalismus und die Wissenschaft. Andreas Rötzer spricht sich dafür aus, diese drei Bereiche zwar als ähnlich, aber doch mit unterschiedlichen Ansprüchen zu betrachten.

Der Blick sowohl auf das geisteswissenschaftliche Publikationswesen als auch auf den Reportagejournalismus zeigt jedoch, dass diese Unterscheidung in der Praxis kaum funktioniert. Wie unter anderem unsere Befragungen ergaben, findet sich in vielen Fachkulturen, insbesondere der literatur- und geschichtswissenschaftlichen Disziplinen durchaus der Wunsch, mit einem an Reichweite starken Verlag mit sorgfältigsten Lektorat Ausgaben in einer Güte zur erstellen, die den von Andreas Rötzer beschriebenen Publikationsworkflows nicht nachstehen und teils vom Gestaltungswunsch (man denke an Illustrationen und Visualisierungen) sogar anspruchsvoller sein können, als literarische Texte. Auch bei bestimmten journalistischen Arbeiten steht am Ende ein möglichst hochwertig aufgearbeitetes Buch. Daher dürfte die zitierte Differenzierung eher nicht tauglich sein.

Eine andere Möglichkeit wäre eventuell, die Narrativität als Kriterium heranzuziehen: Stark formalisierte oder berichtende Textsorten, wie sie in weiten Teilen der STM-Disziplinen und im Nachrichtenjournalismus zu finden sind sind vor dem Hintergrund text- und formschöpferischer Qualität vermutlich anders zu behandeln, als deutend-erzählende Annäherungen. Eine weitere Kategorie wären Lehrbücher und enzyklopädische Werke bzw. Lexika und schließlich Wörterbücher, die sehr nah an dem liegen, was man als Datenbanken bzw. -sammlungen verstehen kann.

Bei erweiterten Publikationen, also dem Schritt ins Digitale, sind all diese unterschiedlichen Formen schließlich fast beliebig verknüpf- und kuratierbar. Überlegt man bei den Buchproduktionen, zu denen auch die meisten E-Book-Publikationen heute gelten dürften, inwieweit dem Verlag durch Lektorat, Satz und weiteren Gestaltungen eigene Schöpfungsanteile zukommen, sind bei komplexen, digitalen Werken auf einmal beispielsweise auch kuratorische Anteile zu berücksichtigen. So bilden Remixe, Mash-Ups bzw. die sogenannten nutzergenerierten Inhalte (und Erweiterungen) eine de facto Dauerherausforderung, die urheberrechtlich derzeit überhaupt nicht angemessen adressierbar ist. (Vgl. dazu u.a. Dirk von Gehlens Lob der Kopie, Rezension.)

Anstatt sich also am Literatururheberrecht zu orientieren, sollte man also zunächst möglicherweise mehr an Filmwerke denken, die in ihrer arbeitsteiligen Struktur dem näher kommen, was in elaborierten und offenen Publikationsszenarien entstehen könnte. Oder besser noch in der Verknüpfung von Plotting, Narrativ und Narrativabbildung, Codierung, Navigation und Multimedialität auf den Bereich der Computerspiele schauen, was heute freilich vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern noch eher absurd erscheinen dürfte. Strukturell zeigt es sich jedoch als durchaus sinnvoll. Das Konzept der sogenannten Gamifizierung erreicht so aus einer womöglich weniger erwarteten Richtung das wissenschaftliche Publizieren. Gleiches gilt, bisher viel deutlicher erkennbar, im digitalen Journalismus (vgl. zu den Parallelen auch diesen Text). Angesichts dieser Entwicklung muss man Andreas Rötzer uneingeschränkt zustimmen, wenn er seinen Artikel mit der Aussage schließt:

Aber vielleicht sollte man auch gleich einen Schritt weitergehen und nicht über eine Reform des Urheberrechts nachdenken, sondern über ein neues Urheberrecht, das im Schatten der kommenden Veränderungen durch die Digitalisierung bald dringend nötig sein wird.

Wobei wir diese Diskussion bereits seit den 1990er angedacht und seit den späten 2000-Jahren in voller Blüte kennen. (Nach wie vor online ist übrigens die Materialsammlung dazu bei IUWIS, Stichwort digitales Urheberrecht.)

(Berlin, 02. März 2016)

Fu-PusH Dossier: Rechtsgrundlage

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 192 Statements, die mit Rechtsgrundlage gefiltert wurden.

 

Kernaussagen

  • Die zentralen Rechtsgebiete für das wissenschaftliche Publizieren sind das Urheberrecht (Publikationen) sowie das Datenschutzrecht (Forschungsdaten).
  • Die geltenden urheberrechtlichen Regelungen werden als unzureichend für die Anforderungen einer digitalen Wissenschaft empfunden.
  • Es besteht der Wunsch nach einer Stärkung der Nutzungsrechte an Publikationen bzw. Forschungsdaten durch Forschende, wobei die Notwendigkeit eines Interessensausgleiches zwischen allen Beteiligten betont wird.
  • Eine offene Wissenschaft im Sinne des Open-Access-Gedankens erfordert die Einbettung in einen verlässlichen Rechtsrahmen.
  • Eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urheberrechts wird zwar begrüßt, aber zugleich wird auf die damit einhergehende Privilegierung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingewiesen.
  • Forschende könnten bereits viel gewinnen, wenn sie kompetenter und konsequenter ihre Rechte wahrnehmen und wissenschaftsfreundlichere Autorenverträge aushandeln.
  • Infrastruktureinrichtungen wie beispielsweise Bibliotheken sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beim Aushandeln von Autorenverträgen aktiv unterstützen und insbesondere darauf hinweisen, dass die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte an die Verlage den Interessen der Wissenschaft grundsätzlich entgegen steht.
  • Lizenzmodelle wie Creative Commons werden als geeignetes Mittel zur Spezifizierung von Verwertungs- bzw. Nutzungsrechten für Forschende angesehen.
  • Die empfohlene Creative-Commons-Lizenz ist für alle Publikationselemente, die dem wissenschaftlichen Anspruch an Nachvollziehbarkeit entsprechen sollen, die CC-BY-Lizenz; dagegen wird die CC-0-Lizenz  für Norm- und Metadaten empfohlen.
  • Die Veröffentlichung und Nachnutzung von Forschungsdaten ist ein zentrales Thema mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten sowohl hinsichtlich des Urheberrechts als auch des Datenschutzrechts.
  • Ein großes Problem stellt die Verfügbarkeit von in Gedächtnisinstitutionen vorgehaltenen Forschungsmaterialien dar, für die Zugang, Digitalisierungsmöglichkeiten und vor allem die Nachnutzungsoptionen oft erheblich durch hausrechtliche Regelungen und institutionelle Urheberechtsansprüche eingeschränkt werden.
  • Die Handlungsfelder zeigen sich für Bibliotheken und Infrastrukturdienstleister vor allem in der Kompetenzvermittlung bei Rechtsfragen sowie beim Aufbau von wissenschaftsfreundlichen und zugleich rechtssicheren Publikationsinfrastrukturen.

 

 

Rechtliche Aspekte beim wissenschaftlichen Publizieren

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