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Fu-PusH Dossier: Rechtsgrundlage

In den Fu-PusH-Dossiers werden die im Projekt erhobenen Forschungsdaten ausgewertet und zusammengefasst. Die Datengrundlage des vorliegenden Dossiers umfasst die 192 Statements, die mit Rechtsgrundlage gefiltert wurden.

 

Kernaussagen

  • Die zentralen Rechtsgebiete für das wissenschaftliche Publizieren sind das Urheberrecht (Publikationen) sowie das Datenschutzrecht (Forschungsdaten).
  • Die geltenden urheberrechtlichen Regelungen werden als unzureichend für die Anforderungen einer digitalen Wissenschaft empfunden.
  • Es besteht der Wunsch nach einer Stärkung der Nutzungsrechte an Publikationen bzw. Forschungsdaten durch Forschende, wobei die Notwendigkeit eines Interessensausgleiches zwischen allen Beteiligten betont wird.
  • Eine offene Wissenschaft im Sinne des Open-Access-Gedankens erfordert die Einbettung in einen verlässlichen Rechtsrahmen.
  • Eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urheberrechts wird zwar begrüßt, aber zugleich wird auf die damit einhergehende Privilegierung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingewiesen.
  • Forschende könnten bereits viel gewinnen, wenn sie kompetenter und konsequenter ihre Rechte wahrnehmen und wissenschaftsfreundlichere Autorenverträge aushandeln.
  • Infrastruktureinrichtungen wie beispielsweise Bibliotheken sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beim Aushandeln von Autorenverträgen aktiv unterstützen und insbesondere darauf hinweisen, dass die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte an die Verlage den Interessen der Wissenschaft grundsätzlich entgegen steht.
  • Lizenzmodelle wie Creative Commons werden als geeignetes Mittel zur Spezifizierung von Verwertungs- bzw. Nutzungsrechten für Forschende angesehen.
  • Die empfohlene Creative-Commons-Lizenz ist für alle Publikationselemente, die dem wissenschaftlichen Anspruch an Nachvollziehbarkeit entsprechen sollen, die CC-BY-Lizenz; dagegen wird die CC-0-Lizenz  für Norm- und Metadaten empfohlen.
  • Die Veröffentlichung und Nachnutzung von Forschungsdaten ist ein zentrales Thema mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten sowohl hinsichtlich des Urheberrechts als auch des Datenschutzrechts.
  • Ein großes Problem stellt die Verfügbarkeit von in Gedächtnisinstitutionen vorgehaltenen Forschungsmaterialien dar, für die Zugang, Digitalisierungsmöglichkeiten und vor allem die Nachnutzungsoptionen oft erheblich durch hausrechtliche Regelungen und institutionelle Urheberechtsansprüche eingeschränkt werden.
  • Die Handlungsfelder zeigen sich für Bibliotheken und Infrastrukturdienstleister vor allem in der Kompetenzvermittlung bei Rechtsfragen sowie beim Aufbau von wissenschaftsfreundlichen und zugleich rechtssicheren Publikationsinfrastrukturen.

 

 

Rechtliche Aspekte beim wissenschaftlichen Publizieren

Aktuelle Rechtsthemen

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Herausforderungen des Publizierens von Forschungsdaten. Zu einem aktuellen Beitrag in Science.

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science findet sich ein Artikel von Jorge L. Contreras und Jerome H. Reichman zu Strukturen und Kosten des Teilens von Forschungsdaten. Damit schließen sie an eines der Trendthemen unter anderem auch in der Bibliothekswissenschaft und Informationsinfrastrukturforschung an. Je mehr man sich mit den Themen Forschungsdaten und Forschungsdatenpublikation befasst, desto deutlicher treten freilich die Desiderata hervor. Allem voran geht die Frage nach der Möglichkeit entsprechender allgemeinverbindlicher Minimalstandards. Klar ist, dass der Trend zur Openness, der sich in Formeln wie „Open Science“ und „Open Scholarship“ kristallisiert, die gegenwärtige Wissenschaftspraxis maßgeblich prägt. Forschungsdaten sollen neben den Forschungspublikationen – also den als Paper, Aufsatz, Blogpost, Monografie o.ä. veröffentlichten Forschungsnarrativen – möglichst ohne Einschränkung zur Einsicht und Nachnutzung verfügbar gemacht werden.

Die Motivation findet sich einerseits im Erhöhung der Forschungstransparenz ergo Nachvollziehbarkeit der in den Forschungspublikationen dargelegten Analysen und Deutungen. Andererseits greift das durchaus ökonomisch motivierte Argument, dass man den einmal erhobenen Datensatz auch für andere Analysen heranziehen und beforschen kann. Das nennt man Nachnutzung.

Ein nächste Stufe der Forschungsdatenintegration wird schließlich erreicht, wenn man die einzelnen Datensätze vor der Veröffentlichung so aufbereitet, dass sie maschinenlesbar und automatisiert mit anderen Datensätzen verknüpfbar werden können. Derartige Netzwerke strukturierter Daten sind eine Herzensangelegenheit der Digital Humanites und ein bibliotheks- und netzwissenschaftes Perspektivthema, dem massives Potenzial zugeschrieben wird. Big Data und Semantic Web sind die rahmenden Termini.

An sich klingt es einfach und lässt sich prima an die Commons-Überlegungen der Netzkultur anschließen, wenn Jorge Contreras und Jerome Reichmann schreiben:

„Perhaps the most straightforward path to legal interoperability is simply to contribute data to the public domain and waive all future rights to control it. This approach has been advocated by more than 250 organizations that have endorsed the 2010 Panton Principles for open data in science.“

Die wissenschaftliche Realität setzt diesem Wunsch nach Gemeinfreiheit freilich ein ganze Bandbreite von Hürden entgegen, die nun zum Teil auf den persönlichen Verwertungs- und Kontrollanspruch der jeweiligen Datenerheber zugeführt werden können. Gerade persönlichkeitsrechtliche Aspekte und das hohe Gut des Datenschutzes bremsen die Möglichkeiten der Forschungsdatenpublikation vor allem dort, wo es sich um empirische Sozialforschung handelt. Auch wir konnten im Rahmen des Fu-PusH-Projektes entsprechend qualifizierte Erfahrungen sammeln.

Eine weitere Herausforderung bei der offenen Datenpublikation liegt schließlich in der wissenschaftstheoretischen Fragestellung, wie sehr der konkrete Forschungskontext – also die Forschungsfrage – das zulässige Analyse- und Deutungsspektrum für einen Datensatz definiert. Und schließlich unterläuft die künstlerisch orientierte Remixkultur des Netzes, auf die auch einige der Creative-Commons-Lizenzen vorrangig abzielen, den wissenschaftlichen Anspruch an Datenintegrität. Das kreative „Verändern“ von Forschungsdatenkontexten ist mit der guten wissenschaftlichen Praxis kaum vereinbar. Jorge Contreras und Jerome Reichmann benennen Creative Commons dennoch als Option:

„Alternatively, researchers who wish to receive attribution credit for their contributions, but are otherwise willing to relinquish control over them, have released data under standardized Creative Commons licenses that have been widely used for other online content, including open-source code software, music, and photographs. „

Sie merken zugleich an, dass diese Ansätze unzureichend und problematisch sein können. Dies bestätigt auch unser während des Projektes gewonnener Eindruck. Das Thema liegt sehr im Trend, wird aber derzeit an vielen Stellen jedenfalls in den Geisteswissenschaften eher allgemein als auf konkret realisierbare Lösungen hin diskutiert. Das könnte seine Ursache auch darin haben, dass aktuell Akteure fehlen, die Aktivitäten im Bereich der digitalen Forschungsdatenpublikationen für diese Disziplinen übergreifend und vor allem fachkulturell weithin anerkannt koordinieren.

Quelle:

Contreras, Jorge L.; Reichmann, Jerome H.: Sharing by design: Data and decentralized commons. In:  Science 11 December 2015: Vol. 350 no. 6266 pp. 1312-1314 DOI: 10.1126/science.aaa7485