In Deutschland werden kaum digitale Lehrbücher verkauft. Meldet die FAZ.

Mittlerweile liegen die Wirtschaftszahlen des deutschen Buchhandels für das Jahr 2014 vor und werden heute eifrig in der Presse referiert. Unter anderem berichtet der Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass das Ende der Trilogie Shades of Grey eine spürbare Delle im Gesamtumsatz hinterließ. Spannender aus Fu-PusH-Perspektive ist jedoch ein anderer Aspekt: von den in Deutschland verkauften E-Books sind offenbar nur 6 % dem Bereich Sachbücher zuzuordnen. Die Zeitung merkt dazu an:

„Das deckt sich mit Erfahrungen von Fachbuchverlagen, wonach vor allem Lehrbücher immer noch zu 90 Prozent als gedruckte Ausgabe gekauft werden, weil man sich so besser einen Überblick über den Inhalt verschaffen und mit ihm aktiv arbeiten kann (Anmerkungen, Hervorhebungen, Hinweise).“

Das kontrastiert ein wenig das Leitnarrativ, welches der Verleger Matthias Ulmer 2009 in der Frühphase des Konfliktes um die Digitalisierung von Bibliotheksbeständen für die Nutzung an elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken (§ 52b UrhG) in einem Brandartikel im Boersenblatt begründete. Er schrieb:

„Seit vergangener Woche ist das Lehrbuch in Deutschland tot.“

Sechs Jahre danach muss man sagen: Es lebt offenbar. Vielleicht liegt das auch daran, dass das ebenfalls sehr plastisch modellierte Szenario

„Der Buchhändler vor den Toren der Uni geht vor seinen Auslagen auf und ab und wundert sich. Nach der Vorlesung strömen die Studenten nicht zu ihm, um die Literatur für das Semester zu kaufen, sie strömen mit gezücktem USB-Stick in die Bibliothek.“

gar nicht so viel mit der Realität zu tun hat(te), eben weil – siehe Zitat aus der FAZ – eine digitale Kopie eines Lehrbuchs, zumal eine, die eher nur ein reines Scanabbild darstellt, nicht dem entspricht, was einer auf Lernerfolg gerichteten Auseinandersetzung mit solchen Medien entspricht. Erstaunlich ist freilich, dass sich digitale Varianten, die derartige Enhancements bieten, bisher nicht auf dem Buchmarkt durchsetzen konnten. Die Gründe dafür sind vermutlich vielfältig und reichen vom diesbezüglich überschaubaren Angebot seitens der Verlage bis hin zu den Anforderungen an die Hardware, die nicht selten eine simple aber grundsätzliche Nutzungshürde darstellen.

Eine Lösungsvariante könnte man in browserbasierten und eher als E-Learning-Applikationen denn als Lehrbücher zu verstehenden Vermittlungsformen sehen. Annotieren, Hervorheben, Kommentieren, Teilen sind Grundprinzipien zeitgenössischer Webnutzung und für alle dieser Nutzungsformen sind anwendbare Werkzeuge längst entwickelt. Wie entsprechende tragfähige Geschäfts- und Lizenzmodelle aussehen können und wie sich traditionelle Lehrbuchverlage, die mehr denn je Softwareentwicklungspartner brauchen, dabei aufzustellen vermögen, ist dagegen sicher eine noch zu bewältigende Herausforderungen. Entsprechend verwundert es nicht, dass der Printmarkt für Lehrbücher nach wie vor deutlich größer ist als der Digitalmarkt. Sowohl Form wie auch Nutzungsregeln sind sofort einsichtig und weithin bekannt. Und dazu kommt, dass man mit dem gedruckten Lehrbuch ohne Login und unter jeder Lichtquelle sofort in die Interaktion mit dem Lernstoff einsteigen kann. Für die Mehrzal der Lehrbuchnutzer_innen dürfte dies nach wie vor ein maßgebliches Kriterium sein.

(bk / 10.06.2015)

FAZ / geg.: Dem Buchhandel fehlen die Bestseller. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.06.2015, S. 21

Matthias Ulmer: Die Landesbibliothek als Copyshop. In: boersenblatt.net, 02.04.2009

10. Juni 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden
Veröffentlicht unter Allgemein

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