Choose Privacy Week 2015: Was passiert mit unseren Daten in der Bibliothek 2.0?

Ein Gastbeitrag von Katharina Leyrer

Choose Privacy Week 2015: Was passiert mit unseren Daten in der Bibliothek 2.0?

Michael Zimmer fordert Best Practice Beispiele für den Schutz von Persönlichkeitsrechten

Die erste „Choose Privacy Week“, initiiert von der American Library Association (ALA), fand im Mai 2014 in den USA statt. Ziel war es, einen landesweiten Diskurs über Privatsphäre im digitalen Zeitalter anzustoßen, Tools für Bibliotheken zur Schulung ihrer NutzerInnen im Bereich Datenschutz bereitzustellen und BürgerInnen so in die Lage zu versetzen, sich kritisch mit Privatsphäre auseinandersetzen und informierte Entscheidungen treffen zu können [1]. Ein Jahr später, im Mai 2015, hat das Thema Persönlichkeitsrechte und Datenschutz an Aktualität nichts eingebüßt: Das zeigen immer neue Enthüllungen von Überwachungs- und Spionageaktivitäten von Geheimdiensten und Diskussionen um Gesetzesvorhaben, die deren Ausbau erlauben (beispielsweise das „Loi sur le renseignement“, das die französische Nationalversammlung am 4. Mai mit großer Mehrheit verabschiedet hat und das die umfassende Erfassung, Speicherung und Auswertung persönlicher Daten erlaubt). So veranstaltet auch die ALA dieses Jahr erneut eine Choose Privacy Week und veröffentlicht weiterhin Artikel zum Thema Datenschutz und Privatsphäre – so auch einen Beitrag von Michael Zimmer über die Entwicklung von Best-Practice-Beispielen für den Schutz von Persönlichkeitsrechten in der Bibliothek 2.0.

Unter Bibliothek 2.0 versteht Zimmer die Erweiterung traditioneller Bibliotheksdienstleistungen um interaktive, kollaborative und NutzerInnen-orientierte Services, beispielsweise die Bewertung von Medien durch Kommentarfunktionen, die Einbindung von Wikis, Blogs und Diskussionsforen, personalisierte Empfehlungen oder Verknüpfung der Sammlungen und Services mit Web 2.0-Plattformen wie Wikipedia, GoodReads und Facebook. Um dies technisch zu realisieren, kommen in vielen Bibliotheken Cloud- Computing-Lösungen zum Einsatz, die von Dritten bereitgestellt werden.

Da Cloud Computing auf der Erfassung und Sammlung von Daten über NutzerInnen-Aktivitäten basiert, werden hier die bibliothekarischen Normen über den Schutz der Persönlichkeitsrechte der BenutzerInnen erschüttert. In der prädigitalen Bibliothek hatten jahrzehntelang entwickelte und praktizierte Normen, festgelegt beispielsweise in der ALA’s Library Bill of Rights, den Datenschutz der BenutzerInnen gesichert: NutzerInnen-Aktivitäten werden nur begrenzt erfasst und für kurze Zeit gespeichert; am physischen Regal ist anonymes Browsen garantiert. Die Web 2.0-basierten Tools erweitern zwar die traditionellen Bibliotheks-Services und ermöglichen personalisierte Dienstleistungen, sind aber gleichzeitig eine Gefahr für den Schutz der Persönlichkeitsrechte der BibliotheksbenutzerInnen. Es ist nun an den Bibliotheken, zu entscheiden, inwiefern sie diese Gefahr in Kauf nehmen, um neue Services anbieten zu können.

In einem Pilot-Forschungsprojekt untersucht Zimmer nun, welche Cloud-Computing-Services von Dritten in Bibliotheken zum Einsatz kommen, inwiefern diese die Persönlichkeitsrechte von BenutzerInnen betreffen und wie Bibliotheken damit umgehen. Von diesem Ausgangspunkt sollen Best Practice-Beispiele für die zukünftige Implementierung von Cloud Computing in Bibliotheken erstellt werden. Ziel ist es, einen angemessenen Mittelweg zwischen dem Schutz von Persönlichkeitsrechten und der Bereitstellung kosteneffizienter Services zu finden.

Bisher wird der Schutz von Persönlichkeitsrechten in Digitalen Informationsinfrastrukturen im Bibliothekswesen kaum diskutiert; so hat Zimmer 630 Fachartikel zum Thema Library 2.0 untersucht und festgestellt, dass nur in 7,5% der Artikel Persönlichkeitsrechte thematisiert wurden. Es ist also längst überfällig, einen breiten Diskurs über Datenschutz und Persönlichkeitsrechte im Zusammenhang mit Digitalen Informationsinfrastrukturen zu führen – allen voran unter Bibliotheks- und InformationswissenschaftlerInnen, damit diese bei der Erstellung und Verbesserung digitaler Angebote den Datenschutz stets mitdenken.

Die Aufgabe von Bibliotheken ist damit jedoch nicht zu Ende. Denn Aufgabe von Bibliotheken ist es auch, ihren NutzerInnen die nötige Informationskompetenz zu vermitteln, um zu verstehen, wo ihre Persönlichkeitsrechte im Netz gefährdet und verletzt werden und wie sie sich dagegen wehren können. Die französische Wochenzeitung „Libération“ warnt vor einem digitalen Analphabetismus unbekannten Ausmaßes, der all den „algorithmischen Totalitarismen“[2] das Feld überlässt [3].

Auch die ALA beschreibt die aktuelle Situation auf der Seite „Choose Privacy Week“ als bedenklich: Viele BürgerInnen würden nicht realisieren, dass ihre Online-Suchanfragen, Telefongespräche und Online-Einkäufe von Regierungsorganisationen nachverfolgt werden können und haben sich damit abgefunden, dass ihr Recht auf Privatspähre unterlaufen wird: „convenience and fear trump the fundamental right of privacy“[4].

 

Quellen:

 

 

 

 

[1]Vgl. Privacy Week [Elektronische Ressource] : Our Story. – Chicago : ALA, 2015. – Online-Ressource
Adresse: https://chooseprivacyweek.org/our-story/privacy-week/, Gesehen: 15.5.2015.

[2]Surveillance [Elektronische Ressource] : pour un autre politique des algorithmes / Olivier Ertzscheid. – Paris : SARL Libération, 2015. – Online-Ressource
Adresse: http://ecrans.liberation.fr/ecrans/2015/05/09/surveillance-pour-une-autre-politique-des-algorithmes_1302062, Gesehen: 15.5.2015.

[3]Vgl. ebd.

[4]Vgl. Privacy Week [Elektronische Ressource] : The Situation. – Chicago : ALA, 2015. – Online-Ressource
Adresse: https://chooseprivacyweek.org/our-story/the-situation/, Gesehen: 15.5.2015.

Katharina Leyrer studiert am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet als studentische Mitarbeiterin im Fu-PusH-Projekt.

28. Mai 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden
Veröffentlicht unter Allgemein

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