Fu-PusH auf der Jahreskonferenz DHd 2016

Im kommenden März lädt der Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) e. V. unter dem Motto „Modellierung – Vernetzung – Visualisierung. Die Digital Humanities als fächerübergreifendes Forschungsparadigma“ zu seiner Jahrestagung nach Leipzig. Das Fu-PusH-Team möchte seine Erkenntnisse, die es als für die Digital-Humanities-Community in Deutschland als sehr einschlägig erachtet, selbstverständlich auch in diesem Rahmen präsentieren.

Wir sandten daher ein Abstract ein. Für einen Vortrag hat es laut Gutachten leider nicht gereicht. Das Programmkommitee teilte uns heute entsprechend mit:

„Auf Grund der hohen Anzahl an Einreichungen müssen wir Sie allerdings bitten, statt eines Vortrages ein Poster zu präsentieren.“

Das gibt uns Planungssicherheit, denn der Termin für Posterslam und -ausstellung steht bereits fest. Am 09.03.2015 werden wir also eine Minute slammen und danach für Gespräche zur Verfügung stehen. Wir laden bereits jetzt herzlich dazu ein!

Da wir uns dem Prinzip der Open Scholarship verpflichtet fühlen, nutzen wir gern die Gelegenheit, die Gutachten zum Abstract an dieser Stelle beizufügen. Sie stehen unter dem Abstract.

Eingereichtes Abstract:

DHd-Jahrestagung 2016 „Modellierung – Vernetzung – Visualisierung“ (Leipzig)

– Abstract für Vortrag –

Digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften

Abschlussbericht und Handlungsempfehlungen des DFG-Projektes Fu-PusH

Ben Kaden und Michael Kleineberg

Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland

Das DFG-Projekt Future Publications in den Humanities (Fu-PusH) untersuchte die Potenziale des digitalen Publizierens in den Geisteswissenschaften und erarbeitete anhand von Szenarien Handlungsempfehlungen für akademische Infrastruktureinrichtungen, insbesondere Universitäts-bibliotheken und Rechenzentren, um Publikationsprozesse zu unterstützen und dabei den funktionalen Anforderungen unterschiedlicher geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen gerecht zu werden.

In der Präsentation werden zum einen das methodische Vorgehen und die Ergebnisse der Studie beschrieben und zum anderen ein speziell in diesem Projekt entwickeltes Recherche-Tool zur Auswertung qualitativer Interviews (Statement Finder) vorgestellt, das vor allem einer höheren Transparenz dienen soll und als niedrigschwelliges Open-Source-Tool der Community zur Verfügung gestellt wird. Abschließend werden eine Reihe von Handlungsempfehlungen formuliert für die an digitalen Publikationsprozessen beteiligten Akteursgruppen, namentlich für die geisteswissenschaftlichen Fachgemeinschaften darunter insbesondere die Digital-Humanities-Community, für Infrastruktureinrichtungen wie Bibliotheken und Rechenzentren, für die Wissenschaftsverlage sowie für die Förderinstitutionen und die Wissenschaftspolitik.

Im Rahmen von Experteninterviews mit Vertretern sowohl der Geisteswissenschaften als auch von Infrastruktureinrichtungen sowie von Intermediären wie Verlagen und Anbietern alternativer Publikationsplattformen wurden Einstellungen, Verhaltensweisen und Anforderungen der jeweiligen Akteure anhand eines qualitativen und offenen Leitfadeninterviews erhoben. Dabei schloss das Erhebungsinteresse neben technologischen Desiderata hinsichtlich digitaler Arbeits- und Publikationsumgebungen auch wissenschaftskulturelle, wissenschaftsstrukturelle sowie wissen-schaftspolitische Anforderungen und Spielräume ausdrücklich ein. Schwerpunkte der Interviews waren:

  • das wissenschaftliche Publizieren generell,
  • die Erhebung, den Umgang sowie die Nachnutzung von Forschungsdaten,
  • mögliche methodologischen Veränderungen unter dem Einfluss der Digital Humanities,
  • das Publikationsverhalten insbesondere vor dem Hintergrund von Open Access,
  • das Forschungsverhalten im Kontext von Open Science bzw. Open Scholarship,
  • das Qualitätssicherungsverfahren des wissenschaftlichen Publizierens (Peer Review, etc.),
  • die Dienstleistungen von Infrastruktureinrichtungen (z.B. Rechenzentren, Bibliotheken, Archive),
  • die von Wissenschaftspolitik und Förderinstitutionen gesetzten Rahmenbedingungen,
  • sowie mögliche Risiken im Zuge der digitalen Transformation.

 

Ergebnisse

Die Ergebnisse des Fu-PusH-Projektes zeigen sehr deutlich die Unterschiede im Forschungs- und Publikationsverhalten sowohl zwischen den Geisteswissenschaften und den Naturwissenschaften als auch innerhalb des disziplinären Spektrums der Geisteswissenschaften selbst. Dies betrifft insbesondere die Zurückhaltung gegenüber der Nutzung digitaler Publikationsmedien, auch angesichts ihrer anerkannten Potenziale.

Das Publikationsverhalten in den Geisteswissenschaften orientiert sich nach wie vor weitgehend an traditionellen Formen aus der Printkultur wie Monografien, Sammelbandbeiträge, Zeitschriftenaufsätze sowie Rezensionen. Wo digital publiziert wird, folgt man den etablierten Modellen der Verlagspublikation in einem dem Printparadigma möglichst ähnlichen Format. Hier sind auch perspektivisch nur geringe oder selektive Änderungen und Optimierungen zu erwarten. Die Einbindung von multimedialen Erweiterungen wird auf der Materialebene durch urheberrechtliche Bedingungen und auf der technischen Ebene durch den Mangel an Standards und niedrigschwelligen Lösungen eingeschränkt. Bisher lässt sich am ehesten die Form des Bloggens als dauerhafte zusätzliche Variante für die wissenschaftliche Kommunikation bestimmen.

Das Publizieren nach dem Open-Access-Prinzip scheint in den Geisteswissenschaften geringer ausgeprägt als in den Naturwissenschaften. Dafür lassen sich mehrere Gründe identifizieren. Zum einen fehlen an vielen Stellen bislang fachwissenschaftlich etablierte Infrastrukturen. Zum anderen genießen rein digitale Publikationen nach wie vor keinen guten Ruf, was sich beispielsweise auf die Kreditierung des Forschungsoutputs auswirkt. Schließlich wirkt im Vergleich zu naturwissenschaftlichen Publikationen der Zugangsdruck zu Neuerscheinungen an vielen Stellen durch längere Forschungszeiträume und geringere Kosten weniger stark.

Auffällig ist, dass sich stärker in Schnittstellen mit Naturwissenschaften befindliche und internationalisierte Disziplinen (z.B. Sprachwissenschaften, Archäologie) deutlich aktiver in dieser Richtung entwickeln, als die vorwiegend hermeneutisch-interpretativ arbeitenden Fächer. Eine Nutzung von frei zugänglichen Materialien erfolgt dagegen fächerübergreifend. Es existiert beim Open Access also eine Diskrepanz zwischen Publikations- und Rezeptionsverhalten.

In einigen Bereichen vor allem unter dem Einfluss der Digital Humanities finden sich jedoch auch stärker digital orientierte Entwicklungen. Eine Erklärung lautet, dass viele Formen dieser Wissenschaft überhaupt erst durch digitale Technologien realisierbar werden. Dort wo größere Datenmengen flexibel verarbeitet werden müssen, etwa in der Editionswissenschaft oder der Computerlinguistik, finden sich bereits stärker etablierte Formen der digitalen Forschung und des digitalen Publizierens, die – sehr selektiv – auch auf anderen Fachbereiche inspirierend einwirken. Eine Zwischenform zwischen Publikation und Forschung, der vergleichsweise viel Potential zuerkannt wird, ist das digitale Annotieren. Damit zusammenhängend wird das größte Zukunftspotenzial des digitalen Publizierens im Bereich der digitalen Editionen gesehen, die häufig zugleich als mögliche Hybridausgaben zur differenzierten Rezeption wie auch als digitales Forschungsdatum zur weiteren Verarbeitung gesehen werden.

Die Nutzung von Social-Media-Anwendungen scheint sich in vielen Bereichen der Geisteswissenschaften weitgehend auf die Vernetzung durch soziale Wissenschaftsnetzwerke oder Kurznachrichtendienste (Twitter) zu beschränken. Mit Hypotheses.org etabliert sich allerdings nach und nach eine Blogplattform, die sich durchaus ein gewisses Renommee aufbaut. Das ist insofern der relevante Schritt, weil eine zentrale Hürde bei der Nutzung solcher Medien die bisher fehlende Kreditierbarkeit für wissenschaftliche Karrieren darstellt. Zudem existiert die Sorge, dass frei auf solchen Wegen zum Beispiel vor einer “ordentlichen” Publikation publizierte Ergebnisse von Anderen übernommen und verwertet werden.

Bei vielen Aspekten vernetzter und digitaler Forschung bzw. des interaktiven Publizierens zeigt sich, wie sehr wissenschaftskulturelle Aspekte der Nutzung bestimmter technologischer Formen entgegenstehen. Das betrifft insbesondere den Aspekt der Kollaboration, der Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz virtueller Forschungsumgebungen ist. Hier findet sich nur eine geringe Nutzungsbereitschaft. Es ist zu vermuten, dass sowohl wissenschaftskulturelle Gepflogenheiten als auch eine vergleichsweise komplexe Nutzbarkeit die Akzeptanz und Nutzung solcher Angebote bremsen. Zweckmäßiger erscheinen hier einfache, modularisierte und miteinander verknüpfbare Lösungen.

Herausforderungen werden generell bei Fragen der technischen Standardisierung zur Gewährleistung von Interoperabilität deutlich. Dies betrifft sowohl die Werkzeuge als auch die digitalen Forschungsdaten. Zudem zeigen sich wahrgenommene Risiken, die generell von Technologien im Kontext der Digital Humanities ausgehen. Zum einen liegen bisher kaum Erfahrungswerte vor, mit denen sich eine tatsächliche Relevanzbewertung von Informationsinfrastrukturen bzw. Publikationsszenarien vornehmen lässt. Zum anderen besteht die Gefahr, dass neue technische Dispositive bestimmte Forschungs- und Erkenntnispraxen begünstigen und dafür andere weniger angemessen berücksichtigen.

In der Präsentation werden die Ergebnisse der Studie anhand zentraler Schwerpunktthemen vorgestellt, wobei der Statement Finder als integraler Bestandteil des Abschlußberichtes einen thematischen differenzierten Zugang zu den Expertenaussagen liefern soll.

 

Statement Finder

Eine besondere Herausforderung bei der Auswertung und Ergebnispräsentation qualitativer empirischer Sozialforschung ist der Umgang mit den erhobenen Foschungsdaten. Einerseits sollen im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis die vorgestellten Ergebnisse nachvollziehbar sein, was eine Offenlegung des zu Grunde liegenden Datenmaterials erfordert. Andererseits müssen sowohl Datenschutzrechte beachtet als auch eine angemessene Präsentationsform gefunden werden.

Bei den im Projekt durchgeführten 43 Experteninterviews von jeweils ein bis zwei Stunden Dauer betragen die anonymisierten und zum Teil leicht paraphrasierten Transkriptionsprotokolle mehrere Hundert Seiten, die sich nicht mehr sinnvoll in Form eines Anhanges in die Ergebnispublikation integrieren lassen. Daher wurde im Projekt der Statement Finder als ein Recherche-Tool entwickelt, bei dem eine Volltextsuche mit einer facettierten Filterfunktion kombiniert wurde, um in einer Datenbank von mehr als 3000 Einzelaussagen thematisch differenziert zu recherchieren. Die Verschlagwortung der Einzelaussagen orientierte sich dabei an der induktiven Kategorienbildung, die im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse vorgenommen wurde. In diesem Zusammenhang wurde der pragmatischen Dimension der Statements besondere Relevanz beigemessen und explizit Schlagworte wie “Erfahrungen”, “Best Practice”, “Empfehlungen”, “Kritik”, “Potenziale”, Risiken” oder “Desiderata” vergeben.

Als eine eigenständige Forschungsdatenpublikation stellt der Statement Finder zugleich ein Beispiel für eine bedarfsorientierte Erweiterung digitaler Publikationen dar, die einen zentralen Forschungsgegenstand des Projektes ausmachten. Neben der Online-Publikation werden sowohl die Datenbank (Open Research Data) als auch die Software (Open Source) auf einem einschlägigen Repositorium mitsamt Dokumentation veröffentlicht und zur freien Nachnutzung zur Verfügung gestellt.

 

Handlungsempfehlungen

Als Ergebnisse der Befragungen sowie der Evaluation von Best-Practice-Beispielen werden sowohl grundsätzliche als auch konkret-praktikable Handlungsempfehlungen formuliert für die unterschiedlichen Akteursgruppen:

  • Geisteswissenschaftliche Fachgemeinschaften bzw. Digital-Humanities-Community
  • Infrastruktureinrichtungen (z.B. Bibliotheken und Rechenzentren)
  • Wissenschaftsverlage
  • Förderinstitutionen und die Wissenschaftspolitik

 

Die übergreifende Einsicht ist, dass die digitale Transformation der Geisteswissenschaften als längerfristiges Geschehen verstanden werden muss und die zentrale Herausforderung darin besteht, wissenschaftskulturelle Ansprüche und Traditionen in Einklang mit den technologischen Lösungen zu bringen. Zugleich müssen bestehende Vorstellungen insbesondere hinsichtlich der Verwertung von Publikationsinhalten unter digitalen Bedingungen neu verhandelt werden. Schließlich werden sich digitale Arbeits- und Veröffentlichungsverfahren erst etablieren, wenn diese mit entsprechenden Lern- und Standardisierungsprozessen einhergehen. Eine intensivere Dialogkultur zwischen den beteiligten Akteuren ist dafür eine absolut notwendige Voraussetzung.

 

Gutachten (übermittelt am 21.12.2015)

DETAILS ZUM BEITRAG
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ID: 125
Titel:  Digitales Publizieren in den Geisteswissenschaften - Abschlussbericht
und Handlungsempfehlungen des DFG-Projektes Fu-PusH 


BEGUTACHTUNGSERGEBNIS:
Der Beitrag wurde als Poster akzeptiert.


ÜBERSICHT DER EINZELGUTACHTEN:
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Gutachten 1
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Beitrag der Einreichung
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Der Antrag geht aus einem abgeschlossenen DFG-Projekt hervor, das das digitale
Publizieren in den Geisteswissenschaften (u.a. auch mit Expertengesprächen)
untersucht hat.


Beurteilung des Beitrags
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Inhaltliche Qualität (03x): 09 - trifft zu
Forschung            (02x): 06 - trifft eher zu
Methodik             (02x): 06 - trifft eher zu
Leitthema            (02x): 06 - trifft eher zu
Form                 (01x): 06 - trifft eher zu
Verständlichkeit     (01x): 09 - trifft zu


Kommentare für die AutorInnen
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Der Beitrag ordnet sich insgesamt in den zur Zeit stark diskustierten Bereich
der sich ändernen Publikationskulturen in den Geisteswissenschaften ein.
Interessant wäre, den Beitrag noch genauer im HInblick auf Anforderungen der
DH hin zu fokussieren und auch international stärker einzubetten.

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Gutachten 2
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Beitrag der Einreichung
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Vorstellung Abschlussbericht eines DFG Projektes zu potentialen digitalen
Publizierens in den Geisteswissenschaften


Beurteilung des Beitrags
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Inhaltliche Qualität (03x): 03 - trifft eher nicht zu
Forschung            (02x): 03 - trifft eher nicht zu
Methodik             (02x): 06 - trifft eher zu
Leitthema            (02x): 03 - trifft eher nicht zu
Form                 (01x): 03 - trifft eher nicht zu
Verständlichkeit     (01x): 06 - trifft eher zu


Kommentare für die AutorInnen
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Die Vorstellung einer Studie ist eher für ein Poster geeignet. Einen Vortrag
über Handlungsempfehlungen digitalen Publizierens hingegen wäre zwar nicht
neu, jedoch für einen Beitrag in Form eines Vortrages weitaus geeigneter


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21. Dezember 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden
Veröffentlicht unter Veranstaltungen

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