Eine Notiz von Ben Kaden @bkaden
Als wir gestern auf das sehr interessante H-Soz-Kult-Diskussionsforum Historische Grundwissenschaften und die digitale Herausforderung stießen, fiel uns nicht allein Torsten Hiltmanns Beitrag zur digitalen Aktualisierung historischer Hilfswissenschaften ins Auge (vgl. hier), sondern auch der noch frischere Text von Gregory Crane zur Quellenkritik im digitalen Zeitalter. Natürlich steckt in diesem Beitrag wie auch in der gesamten Diskussion mehr drin, als der eine Aspekt, auf den ich hier hinweisen möchte. Aber mehr denn je gilt, was im Fu-PusH Statement Finder an verschiedenen Stellen und unter anderem in der Aussage 1809 betont wird:
„Wird zu viel veröffentlicht, dann wird es schnell zu einem Problem nicht unbedingt der technischen Speicher, wohl aber der individuellen Verarbeitungskapazität.“
Das Aufkommen an potentiell relevanten Inhalten zu Themen des Fu-PusH-Interessenspektrums, die ihre Qualität erschwerenderweise oft mittels einer gründlichen argumentativ-interpretativen Analyse entfalten, ist leider enorm und der wissenschaftliche Anspruch an die vollständige Kenntnis der zu einem Thema erschienenen wissenschaftlichen Literatur selbst, von dem man in jeder Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten liest, dann kaum einlösbar, wenn man den Betrachtungsrahmen äußerst eng fasst. Jedenfalls wenn das Thema die digitale Transformation der geisteswissenschaften Kommunikationspraxis ist.
Eine Strategie, damit umzugehen, ist die Entwicklung neuer Formen der Relevanzfilterung (Aussagen zum Thema im Statement Finder), die freilich erst noch (a) brauchbar automatisiert und (b) in Übereinstimmung mit den Erkenntnisbildungsverfahren der Geisteswissenschaften gebracht werden müssen. Was Discovery Systeme angeht haben wir zumindest nur noch selten ein quantitatives Problem. Bei der Relevanz (bzw. dem, was man im Information Retrieval auch Recall und Precision nennt) mag es anders aussehen.
Völlig hilflos scheint man aber, wenn es um Fragen des technologieunterstützten Schlussfolgerns und Verstehens geht. Verfahren des Distant Reading berühren bislang allenfalls die Dimension der Semantik. Die zum Verstehen einer Sprachhandlung und also eines Textes notwendige pragmatische Ebene bleibt nach wie vor weitestgehend wie auch das sinnvolle interpretative Schließen schädelgebundene Kognitionsarbeit. Für das analytische und argumentative Schreiben, also die Diskurs(aus)führung gilt das selbstverständlich gleichfalls. Und so bleibt offen, wie sehr die Entwicklungen, die man unter dem Label der Digital Humanities fasst, tatsächlich epistemologische Wirksamkeit in den Geisteswissenschaften entfalten können. Was zurück zur Debatte um den Stand der Quellenkritik im Digitalen führt.
Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlicht in ihrer heutigen Ausgabe auf der Seite zum Thema Forschung und Lehre ein Interview mit dem Archivwissenschaftler Eckhart Henning über die „prekäre Lage der historischen Archivwissenschaften“. Aus der Perspektive von Fu-PusH ist das Thema aus mehreren Gründen interessant. So gibt es durchaus die Position, dass sich das nach wie vor im Fokus aller Zukunftsdiskussionen zu den Geisteswissenschaften unweigerlich einfindende Feld der Digital Humanities zumindest in der Tradition der Hilfswissenschaften verortet. (vgl. Wettlaufer, 2014) Von den Auxilia Historica zu lernen, kann hier also durchaus sinnvoll sein. Weiterhin stellt sich die Frage der Auswahl, Erschließung und Vermittlung potentiell für die Geisteswissenschaften relevanter Objekte in den etablierten Kulturspeichern ganz generell. Hier könnte man neben der Archivwissenschaft durchaus auch die Bibliothekswissenschaft in der Rolle einer solchen Hilfsdisziplin sehen und diskutieren – nicht unbedingt zum Gewinn der Fächer. (vgl. u.a. Stäcker, 2005, S.36) Schließlich stellt sich damit verknüpft und immergrün die Frage, wie man mit digitalen Materialien hinsichtlich einer angestrebten Langzeitverfügbarkeit verfährt.
Zu allen drei Aspekten finden sich im Interview einige interessante Aussagen. So legt Eckart Henning dar, dass die historischen Hilfswissenschaften mit ihrem Analyseansatz „den Naturwissenschaften oft näher als den Geisteswissenschaften“ sind. Das ergibt sich vermutlich bereits deshalb, weil ihre Funktion einen bestimmten Analysebedarf adressiert, der offenbar nicht ohne weiteres direkt in geisteswissenschaftliche Forschungsprozesse integrierbar ist. Die Hilfswissenschaften komplementieren die dort eingesetzten Methodologien hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass …weiterlesen »