Demnächst: Ein Open-Access-Journal in den Altertumswissenschaften. Eine Notiz zu Digital Classics Online

von Ben Kaden (@bkaden)

An der Universität Leipzig wird ab diesem Frühjahr ein peer reviewed Open-Acess-Journal mit dem Namen Digital Classics Online erscheinen. Das meldete gestern die Universität Pressemitteilung: „Digital Classics Online“: Leipziger Historiker geben neue elektronische Zeitschrift heraus.

Inwieweit Aspekte des Enhanced Publishing dort einfließen werden, ist noch nicht erkennbar. Von der Ausrichtung und der Verortung im Digital-Humanities-Bereich würde das aber ausgezeichnet passen. In der Pressemitteilung betont die Mitherausgeberin Charlotte Schubert zudem:

„[D]ie technischen Möglichkeiten in der Wiedergabe von Multi-Media-Inhalten sind neu und waren bisher so nicht realisierbar.“

Das Konzept von Digital Classics Online fasst in jedem Fall genau das zusammen, was uns in den Fu-PusH-Befragungen regelmäßig als Perspektive für digitale Geisteswissenschaften beschrieben wurde:

„Neue Möglichkeiten der Datengenerierung und -analyse, der Visualisierung und Textqualität sowie Fragen der Quellen- und Textkritik im Hinblick auf digitale Editionen oder in digitalem Format erzeugte Quellen ermöglichen neue Wege der historischen Analyse. Die erheblich gewachsene Internationalität der historischen Forschung, die im digitalen Zeitalter immer weniger standortgebunden arbeitet, bringt neue Formen der Fachkommunikation hervor; auch Altertumswissenschaftler/innen sind zunehmend auf frei zugängliche, in hoher Qualität erschlossene Literatur- oder Quellenbestände und auf netzgestützte Möglichkeiten gemeinsamer Forschung und Publikation angewiesen.“

Werkzeuge für digitale und kollaborative Forschung unterstützende Forschung (a), eine entörtlichte Fachkommunikation (b) und ein umfassender und direkter Zugang zum Forschungsmaterial (c) sind also die Ansprüche dieser Art von Wissenschaft, die damit zugleich neue Annäherungen an ihre Gegenstände sowie Abbildungsformen für ihre Ergebnisse sucht und vielleicht auch findet.

Programmatisch begibt sich die Zeitschrift, wie man liest, mitten hinein in das Kerngebiet der Digital Humanities als ein sehr auf Datenverarbeitung und -visualisierung orientiertes Forschungsprogramm. Das schließt die Beschäftigung mit den technischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen solcher Wissenschaft und wissenschaftstheoretische und methodologische Fragen mit ein:

„Vor diesem Hintergrund richten sich die DIGITAL CLASSICS ONLINE an Wissenschaftler/innen und Nachwuchswissenschaftler/innen, die sich mit multimedialen Informationen und Diskursen beschäftigen, die unter anderem durch große Datenmengen und –typen entstehen. Erwünscht sind Beiträge aus allen Bereichen, die sich mit Methoden beschäftigen oder diese anwenden, mit denen Fragestellungen und Probleme der Altertumswissenschaften, insbesondere der Alten Geschichte, Klassischen Philologie und Klassischen Archäologie und ihrer Nachbarfächer zu erschließen und darzustellen sind, die nach methodisch-theoretischen Grundlagen digitaler Praktiken fragen (wie z.B. Datenformate, Beschreibungsstandards, Webtechnologien, Datenbanken, Programmiersprachen und Visualisierungen in den Altertumswissenschaften), aber auch nach Chancen wie Grenzen virtueller Forschungsumgebungen, und nach neuen Wegen suchen in der Qualifizierung und der Nutzung digitaler Elemente in der altertumswissenschaftlichen Lehre.“

Einige erste Beiträge sind bereits angekündigt. Inwieweit sie den nicht wenig ambitionierten Anspruch eines derart umfassenden Diskurses über die digitalen Altertumswissenschaften und ihre Bedingungen einlösen, wird man im Mai nach Erscheinen der ersten Ausgabe sehen.

Auffällig ist zunächst auch, mit welcher Ausführlichkeit das Herausgebergremium der Zielgruppe die Bedingungen der Zeitschrift als (a) elektronisch und (b) Open Access  erläutert. So findet sich in einer Rubrik „Vorteile der Neuerung für die Autoren“ folgende Liste:

  • Ihr Beitrag ist deutlich schneller publiziert, er ist früher für Dritte zitierbar und zitierpflichtig.

  • Ihr Beitrag ist dank Open Access leichter und breiter verfügbar ‐ Sie erreichen mehr Leser, und das weltweit.

  • Ihr Beitrag kann in der Online‐Fassung durch zusätzliche Materialien („supplemental material“) bereichert werden.

  • Abbildungen, die aus technischen Gründen heute oft nicht in die Druckfassung übernommen werden können, sind in guter Auflösung und als Farbabbildungen möglich. Ihre Daten (z.B. als Tabellen) können über ein Datenrepositorium mit dem Artikel direkt verlinkt werden, so dass eine neue Form der Datentransparenz ermöglicht wird (s. dazu unter “Informationen zum Datenrepositorium“). Dazu ist es erforderlich, die Metadaten in dem Tabellenblatt unter “Informationen zum Datenrepositorium“ auszufüllen und die Daten in einem entsprechenden Format (s. “Informationen zum Datenrepositorium“) zur Verfügung zu stellen.

  • Ihr Beitrag ist besser für Suchmaschinen auffindbar, sie liefern exaktere Treffer auf Ihre Inhalte.

  • Andere können Ihren Beitrag direkt über Links verknüpfen.

Mit den „supplemental material“ berücksichtigt die Neuerscheinung also auch ein Element erweiterter Publikationen. Ebenfalls interessant ist die Anbindbarkeit von zusätzlichen Daten bzw. Forschungsdaten. Erstaunlich ist, dass man dieser Fachgemeinschaft offenbar auch heute noch lieber mitteilt, dass Internetdokumente verlinkt werden können.

Digital Classics Online demonstriert also als Konzept sehr anschaulich, wie sich die Geisteswissenschaft in einer Art Zwischenstadium befinden. Einerseits werden sehr zeitgemäße Aspekte des elektronischen Publizierens (Open Access, Creative Commons, DOI-Vergabe, Forschungsdatenpublikation, Multimedia-Enhancements) wie selbstverständlich angeboten. Andererseits muss man sich noch immer in den FAQs mit „Warum online?“ erklären und den potentiellen AutorInnen mitteilen, dass sie statt Sonderdrucken auch einfach einen Link verschicken können. Fraglich ist allerdings, ob AutorInnen, die diese Erklärung brauchen, Maßgebliches zum Scope der Zeitschrift beizutragen in der Lage wären. Aber es ist dennoch sehr anerkennenswert, wie man sich um Breitenakzeptanz bemüht und aus der Ausführlichkeit dieses Erklärungsteils kann man durchaus mutmaßen, dass solche Angebote in bestimmten Fachgemeinschaften auch heute nicht ganz ohne Gegenwind eingerichtet werden können.

Zugleich rüstet man dann wieder überraschenderweise bereits für eine Zeit nach dem PDF und liegt nicht weit von der Front der Formatdiskussion (siehe zum Thema PDF und Wissenschaft auch diesen Beitrag) im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens, wenn auch mehr aus dem Blickwinkel der Archivierung als aus dem der Präsentation:

„WAS GESCHIEHT MIT IHREM BEITRAG, WENN Z. B. IN NAHER ODER FERNER ZUKUNFT PDF ALS STANDARD‐ARCHIVFORMAT FÜR TEXTE DURCH EINE NEUE TECHNIK ABGELÖST WIRD?

Ihr Text wird weiterhin in einer dann zeitgemäßen Weise verfügbar sein. Dazu werden ggf. Datenkonvertierungen u. a. nötig sein. […]“

Warum man sich allerdings gerade bei einer Open-Access-Zeitschrift für einen RSS-Feed extra registrieren muss, bleibt unverständlich. Aber vielleicht liegt das auch an OJS.

Dessen ungeachtet ist Digital Classics Online unbedingt ein Publikationsprojekt in den digitalen Geisteswissenschaften, das wir im Auge behalten. Und wenn das nicht so einfach per RSS-Feed funktioniert, dann spekulieren wir einfach darauf, dass das Erscheinen der ersten Ausgabe seine Wellen auch über die üblichen Kanäle (=Twitter) zu uns schlägt.

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