Future Publications in den Humanities

Wissenschaftsblog zum DFG-Projekt Fu-PusH

Warum die Wissenschaft so sehr am PDF-Format hängt

Eine Vermutung von Ben Kaden (@bkaden)

Nicht selten entspricht das elektronische Publizieren in der Wissenschaft auch im Jahr 2015 einem Publizieren in HTML und PDF. Dass das so ist, zeigt, dass es offenbar für die so erfolgende Kommunikation von Wissenschaft als ausreichend angesehen wird. Es zeigt aber auch, dass das Denken im PDF, also der starreren und daher für die Publikationsgestaltung maßgeblichen Form, weitgehend eine Fortsetzung der Printkultur mit elektronischen Mitteln darstellt. Sehr gut zusammengefasst findet sich dieser Umstand u.a. in einer Rezension von John Rodzvilla zu einem Buch der Medienwissenschaftlerin Lisa Gitelman, das den schönen Titel Paper Knowledge: Towards a Media History of Documents trägt. (Das Buch erschien 2014 bei der Duke University Press, Durham, London.)

PDF
Eine markierte Textstelle aus der PDF-Fassung der Book Review von John Rodzvilla.

Dass das PDF-Format die vermutlich am weitesten verbreitete digitale Post-Paper-Variante darstellt ist jedem bekannt. Auch Rodzvillas Rezension in Public Research Quarterly wurde nach diesem Verfahren veröffentlicht. Den Grund für die gleichbleibende Beliebtheit des PDF-Formats benennt der Text in der oben stehenden Textstelle: die Stabilität und Simplizität einer Fotokopie. Ein PDF ist nicht nicht veränderbar. Aber es bedarf schon eines erheblichen Aufwands und ist im Format eigentlich nicht vorgesehen. Das PDF ist die eindeutige Fassung eines Dokumentes, die problemlos (zurück) auf das Papier gebracht werden kann. Oder, wie Rodzvilla schreibt, ein Analogon des Papierdokumentes für den Aktenschrank.

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Ein Blick in die Zukunft der wissenschaftlichen Kommunikation. Im Harvard Magazine

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden) zu

Craig A. Lambert (2015) The “Wild West” of Academic Publishing. The troubled present and promising future of scholarly communication. In: Harvard Magazien, January-February 2015

In der aktuellen Ausgabe des Harvard Magazine nimmt sich der langjährige und gerade in den Ruhestand eingetretene Redakteur Craig A. Lambert der Frage nach der Zukunft des wissenschaftlichen Kommunizierens („scholarly communication“) an.

Der Ausgangspunkt ist ein ökonomischer – Lambert bezieht sich auf die im vergangenen Jahr viel diskutierte Arbeit Capital in the Twenty-First Century von Thomas Piketty. Und auch uns wird während der fortlaufenden Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich die geisteswissenschaftliche Fachkommunikation verändert und mehr noch, wie sich diese Veränderung gestalten lässt, zunehmend bewusst, welche immense Rolle die Kategorie der Wirtschaftlichkeit spielt und zwar weniger auf Seiten der publizierenden WissenschaftlerInnen sondern viel mehr auf der Seite der Akteure, die die Rahmenbedingungen dieser Kommunikation koordinieren.

Über diese kommen die Probleme jedoch wieder zu den Wissenschaftlern zurück, wie Lambert am Beispiel der nach wie vor fast unverrückbar gegebenen Kopplung von Karrierechancen und Buchpublikationen in den meisten geisteswissenschaftlichen Disziplinen erläutert:

„The current reduction in library purchases of specialized titles, for example, is squeezing monographs out of the market, and in this way affecting the academic job market. A monograph has typically been a young scholar’s first book, often developed from a doctoral dissertation. Although uncommon in academia prior to the 1920s, monographs served as a staple of tenure reviews in American universities in the second half of the twentieth century, especially in the humanities. Academic presses now publish many fewer of them, and their disappearance creates a dilemma for junior scholars already worried about the scarcity of jobs: if there is no monograph, what evidence do you adduce to support your case for tenure“

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Social Media, Wissenschaftsforschung und das Kreditierungsproblem nicht-konventioneller Formen der Fachkommunikation

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Im Oktober 2013 veröffentlichte Diane Harley vom Center for Studies in Higher Education, University of California, Berkeley in Science einen Aufsatz, in dem sie sich mit Nachdruck für eine intensive Forschung zu den tatsächlichen Ansprüchen und Anforderungen von Fachgemeinschaften bei der wissenschaftlichen Kommunikation aussprach. Ausgangspunkt war die allgegenwärtige Prognose einer sich durch digitale Kommunikationstechnologien massiv verändernden Kommunikations-, Publikations- und letztlich auch Forschungspraxis:

„Over two decades many have predicted that models of scholarly communication enabled by emerging technologies will transform how research is conducted, disseminated, and rewarded. The transformation would be driven by new generations of scholars weaned on file sharing, digital piracy, Facebook, Twitter, and yet-unrealized social media technologies. „

Die wahrnehmbaren wirklichen Verschiebungen sind jedoch eher verhalten und weniger durch die technischen Möglichkeiten als durch persönliche Motivation, inhaltlichen Veränderungen im Wissenschaftsfeld und der Kreditierungspraxis der jeweiligen Disziplin geprägt. (vgl. Harley et al, 2010) Dies deckt sich weitgehend mit den bisherigen Erkentnissen aus den Fu-PusH-Befragungen, wobei sich die Rolle der technologischen Möglichkeiten dort verändert, wo sie tatsächlich zum Beispiel bei der Verbreitung von Inhalten maßgebliche Vorteile (bei überschaubarem Aufwand) bringen. In der Studie aus dem Jahr 2010 wird noch vermerkt:

„Blogs, RSS feeds, wikis, Twitter, etc., were not cited as common ways in which scholars broadcast and receive information.“ (Harley et al, 2010, S.14)

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Posterpräsentation auf der DHd-Tagung 2015 in Graz

Vom 23. bis 27. Februar 2015 findet die zweite Jahrestagung (Programm) des Verbandes der „Digital Humanities im deutsprachigen Raum“ statt, die vom Zentrum für Informationsmodellierung (Austrian Centre for Digital Humanities) an der Universität Graz organisiert wird. Wir nutzen diese Gelegenheit um erste Zwischenergebnisse der durchgeführten Experteninterviews anhand einer Posterpräsentation vorzustellen:

 

Erweiterte Publikationen in den Geisteswissenschaften. Zwischenergebnisse des DFG-Projektes Fu-PusH

Poster abrufbar unter:

10.5281/zenodo.15432

Abstract von Ben Kaden und Michael Kleineberg

Das DFG-Projekt Future Publications in den Humanities (Fu-PusH) untersucht die Potentiale des digitalen Publizierens in den Geisteswissenschaften und erarbeitet szenarienbasiert Handlungsempfehlungen für akademische Infrastruktureinrichtungen, insbesondere Universitätsbibliotheken und Rechenzentren, um den funktionalen Anforderungen unterschiedlicher geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen gerecht zu werden.

Für Publikationsformen, die sich nicht mehr an der Druckkultur orientieren und lediglich versuchen Printmedien digital nachzubilden, bietet sich die Bezeichnung „erweiterte Publikationen“ bzw. enhanced publications an. Solche Publikationsformen werden häufig als komplexe digitale Dokumente bzw. Dokumentensysteme charakterisiert, die sich unter anderem durch nicht-lineare Hypertextstrukturen, multimediale Zusatzmaterialien, integrierte Forschungsdaten, adaptive Darstellungsvarianten, dynamische Versionierung, kontextuelle Anreicherung sowie maschinenlesbare semantische Strukturierung auszeichnen. Ihre Vorteile liegen in einer engen Verknüpfbarkeit heterogener Elemente wie Digitalisaten, Textkorpora, Datenbanken, Annotationen, Normdateien, Geoinformationen und narrativ-interpretativen Auseinandersetzungen mit diesen Objekten.

Auf diese Weise bieten erweiterte Publikationsformen die Möglichkeit nicht nur die Forschungsergebnisse, sondern auch die zu Grunde liegenden Forschungsdaten bzw. Forschungsprozesse in einem gemeinsamen Kontext zur Verfügung zu stellen. Die Grenzen zwischen Bearbeitungsraum, Kommunikationsraum und Veröffentlichungsraum werden dabei sehr durchlässig.

Erweiterte Publikationen sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie die bisher in den Geisteswissenschaften und in der Druckkultur begründete Grundform einer narrativen Auseinandersetzung mit einem Forschungsgegenstand an mindestens drei Stellen öffnen:

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2. Februar 2015 | Veröffentlicht von ehemaliges Mitglied | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Veranstaltungen

Eric Steinhauer über einen Aufsatz zur Zukunft des geisteswissenschaftlichen Buches

Die Januarausgabe von Merkur – Zeitschrift für europäisches Denken ist etwas, was im Fu-PusH-Büro ebenso wie beispielsweise auch noch die #1 der Zeitschrift Grundlagenforschung auf dem To-Read-Stapel liegt. Wir beklagen uns natürlich nicht über das, was man Publikationsflut oder Information Overload nennt, denn wer in einer Disziplin sozialisiert wurde, die permanent über die Unmöglichkeit, das Publizierte möglichst zeitnah in eine einfache und handhabbare Form für die zeitnahe Benutzung als Bibliotheksbestand reflektiert, weiß, dass solche Überschwemmungseffekte keine Neuigkeit darstellen.

Betrüblich ist einzig, dass man viele Diskursbeiträge, die hochrelevant sind und die man eigentlich würdigen möchte, nicht zureichend würdigen kann. Plötzlich ist ein Monat vorüber und die nächsten Neuerscheinungen liegen auf dem Tisch und wollen gesichert, oft auch gelesen und hin und wieder auch wenigstens referiert werden.

Für einen Aufsatz aus dem Jahresauftaktschwerpunkt „Die Gegenwart des Digitalen“ hilft uns glücklicherweise Eric Steinhauer in seinem Weblog Skriptorium aus. Er hat nämlich den für Fu-PusH äußerst einschlägigen Aufsatz Die Gefährdung des geisteswissenschaftlichen Buches. Die USA, Frankreich und Deutschland im Vergleich. von Caspar Hirschi und Carlos Spoerhase nicht nur gelesen sondern referiert ihn auch gleich in etwa so, wie wir es gern längst getan hätten. Dabei kommt er zu folgender Einschätzung:

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Was das NYTimes-Chronicle-Tool über „Digital Humanities“ in der New York Times verrät

Das Jahr 2014 wird man vielleicht als das Jahr notieren, in dem in der öffentlichen Berichterstattung das Thema „Big Data“ fast mit den „Humanities“ gleichzog. Jedenfalls im Artikelaufkommen der New York Times.

Sichtbar wird das mit NYT Chronicle-Tool der nytlabs, das sich ganz gut zum Nachzeichnen von Themenkarrieren im Artikelaufkommen der Zeitung eignet. Ausgezählt lag „Big Data“ 2014 bei 226 Artikeln, die Humanities kamen auf 241 Artikel. Für die „Digital Humanities“ kommt man nur auf äußerst kleine Zahl (n=7). Die Ergebnisaussage zeigt dann auch gleich die derzeitigen Grenzen des Werkzeugs auf: Während die graphische Darstellung sieben Artikel vermerkt, werden die „Digital Humanities“ in der Ergebnisanzeige offenbar mit den Humanities zusammengewürfelt und stehen bei ebenfalls 241.

Schaut man sich die verlinkten Beiträge an, sieht man, dass die tatsächlichen Ergebnisse nicht gerade präzise und nach Relevanz aufgeschlüsselt vorliegen. Man muss den Umweg über die Standardsuche gehen, um auf die sieben Artikel im Publikationszeitraum 2014 bei der New York Times zu stoßen. Das ist ein bisschen schade, wäre doch die Möglichkeit, die Visualisierung als die Volltextsuche ergänzendes Navigationswerkzeug nutzen zu können, sehr nahliegend. Der Labs-Ansatz mit Werkzeugen zur Visualisierung, Kontextualisierung und Kuratierung (zum Beispiel mit dem Compendium-Tool) von Pressedaten veranschaulicht ja gerade, wie Datenjournalismus auch auf eine (Inter)Aktivierung der Leser hinführt, die perspektivisch mehr als mit der begrenzten Funktionalität der Leserkommentare auf die diskursive, also über Journalismus vermittelte bzw. durch diesen koordinierte wirklich öffentliche Auseinandersetzung mit Themen setzen könnte.

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Aktuelle Trends für den Forschungsworkflow. Eine Übersicht von Bianca Kramer und Jeroan Bosman

Über Twitter verbreitet sich heute eine Übersicht, die sehr anschaulich aktuelle Trends digitaler Wissenschaft an der gesamten Entwicklungslinie eines wissenschaftlichen Forschungs- und Kommunikationsprozesses abbildet. Die Abbildung ist Teil einer Posterpräsentation von Bianca Kramer und Jeroen Bosman, die unlängst auf Figshare publiziert wurde:

Kramer, Bianca; Bosman, Jeroen (2015): 101 Innovations in Scholarly Communication – the Changing Research Workflow. figshare. http://dx.doi.org/10.6084/m9.figshare.1286826.

Da das Poster und damit auch die Grafik wunderbarerweise unter einer CC BY SA-Lizenz stehen, können wir sie hier ebenfalls bedenkenlos dokumentieren:

Übersicht Research-Workflow
Übersicht Wissenschaftstrends / Bianca Kramer, Jeroan Bosman (2015)

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Desiderate beim Umgang mit geisteswissenschaftlichen Forschungsdaten. Erkenntnisse einer Interviewreihe an der HU Berlin

Eine schönes und vor allem für Fu-PusH einschlägiges Beispiel für eine Forschungsdatenpublikation stellt die Dokumentation dar, welche die Informationswissenschaftlerin Elena Simukovic unlängst über Academia.edu verfügbar machte (PDF-Volltext). Sie enthält die Ergebnisse von Interviews, die von 2013 bis 2014 an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfanden. Vom Thema her ergibt sich eine gewisse Selbstreferenzialität bzw. auch ein Best-Practice-Beispiel, wurden die 17 WissenschafterInnen doch zu ihrem Umgang eben mit Forschungsdaten befragt.

Die Ergebnisse an sich sind schon interessant für jeden, der sich mit dem Thema Forschungsdaten intensiver befasst. Da die Autoren aber die Zusammenfassungen der Interviews disziplinär differenziert vorliegen, wird es nun möglich, die Erkenntnisse gezielt für die vier Befragten aus den  Geisteswissenschaften Zeitgenössische Kunstgeschichte (7.9, Stefanie Gerke), Deutsche Literatur (7.10, Anne Baillot), Kunstgeschichte und Visualisierung (7.11, Erna Fiorentini) und Mittelalterliche Geschichte (7.16, Stefan Schlelein) zu betrachten.

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19. Januar 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Literaturbericht

Macmillan und Springer gehen zusammen, Collabra will für das Peer Review zahlen. Zwei kurze Meldungen

Durch die üblichen Kurzzeitkommunikationskanäle wurde die Ankündigung des Zusammengehens der beiden Wissenschaftsverlagsschwergewichte Macmillan Science and Education und Springer Science+Business Media bereits gestern umfänglich verkündet. Jeron Boesman verbreitete gestern über seinen Twitter-Stream eine Grafik, die sehr schön zeigt, wie das neue Unternehmen, dass dann mehrheitlich von der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck kontrolliert wird, den gesamten Produktionsprozess von wissenschaftlichem Publikationen mit entsprechenden Angeboten abdeckt.

Wenig überraschend, aber doch für die aktuellen Entwicklungen im Bereich wissenschaftlicher Publikationen notierenswert, ist eine Erklärung des Mergers:

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16. Januar 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein

Sind Tweets verschriftliche Mündlichkeit?

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Dass ein großer Teil in digitalen sozialen Netzwerken textuell gefasster Inhalte eher als verschriftlichte Oralität zu bewerten ist, ist kein neue These. Vermutlich handelt es sich genauer um eine Hybridform zwischen dem Mündlichen und dem Geschriebenen. Wohin es sich mehr neigt, ist vielleicht eine Frage der Form, sicher aber eine der Intentionalität. Fraglos trifft zu, was die Bezeichnung „Social Media“ eindeutig macht: Diese Medienformen sind unmittelbarer als formalisierte Publikationsformen auf eine direkte soziale Interaktion, also eine sichtbare Kenntnisnahme und Reaktion, ausgerichtet. Sie mit formaleren Publikationsvarianten gleichzusetzen geht fehl. Schwierig ist jedoch ihre rechtliche Bewertung.

In diesem Zusammenhang tauchte die Frage nach dem Status solcher Kommunikationen im Anschluss an zwei Tweets und als Vorläufer zu einem Blogessay von Xiao Mina (Digital Culture is Like Oral Culture Written Down. In: medium.com, 11.01.2015) im Weblog des Juristen James Grimmelmann wieder auf.

In The Laboratorium (2d ser.) erläutert er:

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