Archiv für Kategorie Allgemein

Materialität, Digitalität und die Frage nach dem Status des Dokuments

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Über Twitter verbreitet sich momentan der Call for Papers eines Symposiums des Digital Humanities Incubator (DHI) der School of Culture and Communication, University of Melbourne mit dem Titel „Digital Densities: examining relations between material cultures and digital data“. Der Themenkomplex klingt für die Auseinandersetzung mit den Fragen zukünftiger Publikationsformen in den Geisteswissenschaften augenblicklich hoch interessant. Der Veranstaltungsort ist jedoch eben Melbourne und die damit verbundenen Reisekosten verhindern leider eine teilnehmende Beobachtung. Einen Hinweis darauf wollen wir dennoch hier hinterlassen.

Die Beschreibung zum Call verweist auf einen Aspekt, den die Digitalisierung der Kommunikationsstrukturen und, wenn man so will, die digitale Laboratorisierung bestimmter Teile geisteswissenschaftlicher Forschung fast im Sinne eines neuen Gegenstandsbewusstseins nach sich ziehen. Das Digitale führt in (oder erzwingt sogar) eine Neubewertung des Materialen, schließt einen bereits an sich gegebenen „Material Turn“ an, bei dem die Vielfalt der Relationen zwischen einem Objekt in der Vielfalt seiner Bedeutungs- und Interpretationsgehalte, sozialer Funktionen und eben der materialen Beschaffenheit in den Mittelpunkt rückt. Diese Frage nach dem materiellen Status digitaler Objekte (und damit buchstäblich ihrer Gegenständlichkeit) ist nun auch der Ausgangspunkt des Symposiums:

„The ‘material turn’ in Humanities research has seen a celebration of the physicality of things and a revaluing of the weight of experience, including in the case of digital data.”

…weiterlesen »

Wohin strebt die Disziplin der „Digital Humanities“? Zu einem Artikel in der FAZ

In ihrer letzten Ausgabe des Jahres 2014 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrem Wissenschaftsteil über das Frankfurter eHumanities-Zentrum und nicht nur weil es vermutlich der letzte Artikel zum Thema Digital Humanities des abgelaufenen Jahres war, lohnt sich noch einmal ein Blick auf den Text von Thomas Thiel.

Unter der etwas unklaren Überschrift „Das landschaftliche und das lokale Bild des Denkens“ und dem aufklärenden Untertitel „Das Frankfurter Zentrum für eHumanities zeigt die Fortschritte einer aufstrebenden Disziplin“ beschreibt der Autor ziemlich zutreffend, wo die Praxis der Digitalen Geisteswissenschaften derzeit zu verorten ist. (in: FAZ, 31.12.2014, Seite N4)

Trend 1: Digital-Humanities-Ideen und -Projekte werden gefördert (nicht nur in Frankfurt/Main) und in Zentren gebündelt. Dabei ist, Trend 2, zunächst der (transdisziplinäre) Infrastrukturaufbau die gegenwärtige Entwicklungsaufgabe. In diesen eingeschlossen ist die Entwicklung von (gut nutzbaren, Stichwort: Usability) Bearbeitungswerkzeugen:

„Ziel ist es nun, eine feste Infrastruktur zu schaffen, an die sich die verschiedenen Disziplinen anschließen können, und digitale Arbeitsflächen, vor denen auch der Laie nicht kapituliert.“

…weiterlesen »

5. Januar 2015 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein

Zum Jahresausklang: Die Tastaturinnovation des Jahres 1943

In einem Blogposting im November setzte ich mich mit einem Beitrag  Benedikt Fechers zur Pfadabhängigkeiten als Innovationshemmer auseinander. (Von Tastaturen, Pfaden, Pferden und Innovationskulturen, 25.11.2014) Ein von Benedikt Fecher angeführtes Beispiel für eine solche Abhängigkeit war die überarbeitete Tastatur von August Dvorak,die gegenüber der QWERTZ-Anordnung eine offenbar weitaus bessere da schnellere Tipp-Option darstellte, sich jedoch nicht durchsetzen konnte.

Nun spielte mir ein launiger Jahresendzufall ein Exemplar von The World Almanac and book of facts 1944 (New York: New York World-Telegram) auf den Schreibtisch. In diesem findet sich auf Seite 557 nichts Geringeres als die Jahresüberblicksmitteilung zu eben dieser vereinfachten Schreibmaschinentastatur nach August Dvorak. Und diese kleine Nachricht möchte ich zum Ausklang des Jahres 2014 siebzig Jahre nach Erstverkündung selbstverständlich gern mit der Weböffentlichkeit als ein schönes Beispiel aus der Welt der Innovationsgeschichte teilen:

The World Almanac and book of facts 1944 - Meldung zur Tastaturbelegung nach August Dvorak
Meldung zur Tastaturbelegung nach August Dvorak im World Almanac des New York World-Telegram 1944.
30. Dezember 2014 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein

Breaking Book. Wie Amazon das Lesen „enhanced“

Eine Anmerkung von Ben Kaden. (@bkaden) zu
Casey  Newton: THE EVERYTHING BOOK: READING IN THE AGE OF AMAZON. In: The Verge, 17.12.2014

In der vergangenen Woche publizierte der SPIEGEL eine Titelgeschichte zur Zukunft des Lesens (eine ausführliche Auseinandersetzung damit findet sich im LIBREAS-Tumblr). Heute findet sich ein weiterer Beitrag zum Thema auf der Seite The Verge, wobei Beitrag und Seite ziemlich deutlich die Differenz der Welten zwischen SPIEGEL und dem Vox-Media-Journalismus aufzeigen. Die so genannte Longform ist, wenn man sie im Digitalen angemessen abbildet, keineswegs eine Angelegenheit der Vergangenheit und The Verge zeigt wenigstens formal einen ziemlich medienadäquaten Ansatz.

Die Stärke von Casey Newtons Artikel zu sich entwickelnden digitalen Leseformen gegenüber dem SPIEGEL-Text liegt inhaltlich zunächst schon einmal darin, dass sich der Technikjournalist hauptsächlich auf einen Hauptakteur und dessen Leselabore und Buchmarktideen konzentriert. Und zwar auf einen, wenigstens in den USA und für viele bedauerlicherweise, Platzhirschen. Inhaltlich schürft er zwar nicht sonderlich tiefer als seine SPIEGEL-Kollegen. Aber er schürft weitaus aufgeräumter.

…weiterlesen »

Der Petroglyphomat als analog-digitale Kommunikationsidee

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

Digital-gesteuertes In-Stein-Meißeln ist – heute jedenfalls – etwas für die Kategorie Off-Topic wenn es um wissenschaftliche Kommunikation geht. Aber wer vermag schon zu sagen, ob sich daraus nicht Forschungsgegenstände für Kulturanalysen in einer entfernteren Zukunft ableiten lassen. Und wer Zeuge der Podiumsdiskussion vom 20.11.2014 im Grimm-Zentrum war, erinnert sich womöglich noch an die Aussage Horst Bredekamps, der meinte, dass von unseren digitalen Artefakten in 200 Jahren keine Spur geblieben sein wird, unsere Gegenwart also als Epoche nicht präsent sein kann, weil es dann einfach keine Überlieferungen gibt. Michael Seadle, Bibliothekswissenschaftler und Experte im Forschungsfeld der digitalen Langzeitarchivierung, sah dies zwar gelassener und erinnerte an LOCKSS (mehr dazu auch in diesem – noch heute verfügbaren – LIBREAS-Podcast mit David Rosenthal aus dem Jahr 2007). Aber bisher bleibt eine umfänglichere Archivierung digitaler Kommunikationen nach wie vor eine Herausforderung und die entsprechenden Strategien hatten naturgemäß noch gar keine Zeit, ihre Robustheit in praxi zu beweisen. Für die offizielle Kulturgeschichte der Bundesrepublik lagert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe jedenfalls nach wie vor so genannte Sicherungsfilme (seit 2010 auch in Farbe) in den Barbarastollen bei Oberried (Seite zum Objekt in der Wikipedia) und verspricht materiale wie inhaltliche Stabilität für mindestens 500 Jahre.

…weiterlesen »

2. Dezember 2014 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein

Wort, Material und Distant Reading

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

In der Tech-Rubrik der Zeitschrift The Atlantic erschien in der vergangenen Woche ein Aufsatz von Michael Erard über die Bedeutung von … Wörtern. Er beleuchtet die Rolle dieser Kerneinheit der Sprache aus diversen Perspektiven und landet nicht ganz unerwartet auch im Bereich der Digital Humanities. Anlass sind ihm Verfahren des Distant Reading, das er folgendermaßen beschreibt:

„Taking advantage of the computer’s slant toward word-based analysis, these techniques reimagine literary works as stacks of words. For computer-aided distant readers, literary expertise now amounts to interpreting the patterns in those stacks—for example, the frequency of indefinite articles (“a”) versus definite articles (“the”) in the titles of 19th century novels. According to its proponents, such analysis yields new insights. (For example: Counter-French Revolutionary novel titles use the definite article predominantly, indicating a commitment to the established past rather than an anticipation of the unknown future.)” (Erard, 2014)

Wie belastbar solche Einsichten aus wissenschaftlicher Sicht sind, muss an anderer Stelle diskutiert werden. (vgl. zum Beispiel Kaden, 2012) Dass diese Verfahren in einer Publikumszeitschrift wie The Atlantic behandelt werden, lässt vermuten, dass sie sich langsam etablieren, auch wenn sie nach wie vor eher eine Randerscheinung bleiben. Dies kann auch an der Skepsis gegenüber dieser quantitativen Annäherung an die traditionell aus der Nahperspektive beforschten Gegenstände der Literatur liegen. Eine der ersten Erwähnungen in einer Publikation mit nennenswerter Reichweite über die Literaturwissenschaft hinaus fand es vor sieben Jahren in der THE Chronicle Review. Lindsey Waters schrieb buchstäblich giftig:

…weiterlesen »

Von Tastaturen, Pfaden, Pferden und Innovationskulturen

Eine Notiz von Ben Kaden (@bkaden)

I

Dank des Impact-Blogs der London School of Economics erscheint ein Text erneut auf der Bild(schirm)fläche, den Benedikt Fecher vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) im August im dortigen Institutsblog publizierte. In diesem erläutert er am Beispiel der Schreibmaschinentastatur, die bis heute auch in ihren Derivaten bis hin zu den Screen-Tastaturen der Smartphones scheinbar unverrückbar der QWERTY- bzw. QWERTZ-Anordnung treu bleibt, was Pfadabhängigkeit („path dependence“) nicht nur für die Technik selbst sondern auch für ihre Folgen bedeutet.

Eine solche Abhängigkeit ist, so Benedikt Fecher, immer dann gegeben, wenn eine in der Vergangenheit unter bestimmten Bedingungen (sich verhakende Typenhebel) getroffene Entscheidung auch dann noch maßgeblich wirkt, wenn diese Bedingungen gar nicht mehr vorliegen und entsprechend zu weniger optimalen Verfahren führt, die dennoch dominieren. Die Fachbezeichnung dafür lautet Lock-in phase.

…weiterlesen »

Ist das Buch ein Statusmedium? Und was bedeutet das für E-Publikationen?

Vor einigen Tagen erschien in der International New York Times ein kurzer Bericht darüber, dass sich E-Books auf dem europäischen Buchmarkt vor allem im Vergleich zu den Buchmärkten der USA und in Großbritannien nur in geringem Maße durchgesetzt haben. (Heyman, 2014) In Deutschland liegt der Marktanteil elektronischer Bücher ebenso wie in Italien derzeit laut Artikel bei unter vier Prozent. Interessant ist dabei, dass auch dort, wo eine nur zögerliche Etablierung des Mediums zu beobachten ist, doch von Land zu Land unterschiedliche Gründe vorliegen. Der im Artikel zitierte Rüdiger Wischenbart erläutert, dass beispielsweise in Schweden eine sehr gute Versorgung mit E-Books seitens der öffentlichen Bibliotheken dazu führt, dass E-Books ausgeliehen und nicht gekauft werden. Für andere europäische Länder betont er als Ursache neben der Frage der Preisgestaltung die soziokulturelle Konnotation von Print:

“When you read a book, you define yourself as being part of a cultural elite, and that elite is very conservative,” he said. “They don’t want their high status to be undermined by some new gadget.” (Heyman, 2014)

Eine Anschlussthese, dass dieser Status fast zwangsläufig besonders intensiv unter Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge und damit unter den GeisteswissenschaftlerInnen verbreitet ist, dürfte sehr nahe liegen. Unterstützt wird dies von der oft außerordentlich hohen Qualität von Printausgaben zum Beispiel bei Kunstkatalogen, die, wie auch der Kunstwissenschaftler Horst Bredekamp vergangenen Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion betonte, gerade durch digitale Gestaltungs- und Entwurfsverfahren möglich wird. Print entfaltet sich erstaunlicherweise direkt wegen der digitalen Technologien so vielgestaltig wie vielleicht niemals zuvor in der Druckgeschichte.

…weiterlesen »

Warum der allgemeine E-Book-Markt für Fu-PusH relevant ist

„Apropos gemeinsames Nachdenken: Wir glauben, dass verhärtete Fronten generell keine gute Idee sind und dass die gegensätzlichen Pole von technikfeindlichen Ebook-Verächtern auf der einen und den sämtliche Verlagsmauern niederreißenden Digitaljüngern auf der anderen Seite zugespitzt und konstruiert sind. Verlage und Papierbücher (vor allem die sorgsam gestalteten und hergestellten) wird es glücklicherweise noch sehr, sehr lange geben, genau wie spannende Digitalveröffentlichungen.“

meinen die beiden CulturBooks-Verleger Zoë Beck und Jan Karsten in einer Positionierung im buchreport.blog (Die (un-)sichtbaren Ebooks, 17.11.2014).

Wenngleich sich die Aussage genauso wie das Programm des Verlags auf Literatur und den so genannten Publikumsmarkt bezieht, ist eine Beobachtung entsprechend Trends für uns schon deshalb interessant, weil die sehr auf Monographien gerichteten Geisteswissenschaften häufig direkt an der Schnittstelle zu diesem Markt publizieren. Es gibt eine ganze Reihe von WissenschaftlerInnen besonders im kunst- und kulturwissenschaftlichen Spektrum die in Publikumsverlagen publizieren und direkt mit einem dezidiert öffentlichen Lesepublikum in Verbindung stehen.

Wenn wir also über zukünftige Publikationsmodelle in den Geisteswissenschaften nachdenken, dann gilt es unbedingt die Dimension zu berücksichtigen, die man einmal als Suhrkamp-Kultur bezeichnete. Elektronische Publikationen in diesem Bereich dürften vorerst und auch perspektivisch weniger von aus der Wissenschaftsinfrastruktur und der Open-Access- bzw. Open-Science-Bewegung angeregten enhanced oder offenen Dokumentenstrukturen geprägt sein.

…weiterlesen »

18. November 2014 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein
Verschlagwortet mit , ,

Ergänzung für das Fu-PusH-Team

Das Fu-PusH-Projekt sucht eine Studentische Hilfskraft. Nachstehend der Ausschreibungstext:

UB Projekt „Future Publications in den Humanities“

Kennziffer
t92_29_14
Fakultät/Einrichtung
Bibliotheken
Beginn des Beschäftigungsverhältnisses
15.12.2014
Beschäftigungsdauer
15.12.2014- 31.03.2016
Arbeitszeit
41 h/Monat
Vergütung
10.98 €/h
Anzahl der Stellen
1
Aufgabengebiet
  • Transkription und Unterstützung bei der Erschließung und Auswertung von Interviews
  • Unterstützung des Projekts im Bereich Öffentlichkeitsarbeit insbes. im Bereich Social Media
  • Recherchieren und Bibliografieren von Fachliteratur
  • Unterstützung bei der Ausrichtung/ Vorbereitung von Workshops und Tagungen
Anforderungen
  • Studium einer für das Aufgabengebiet einschlägigen Fachrichtung
  • Umfangreiche Kenntnisse im Bereich elektronisches Publizieren und digital vermittelte Wissenschaft (e-science, Science 2.0)
  • Kenntnisse im Bereich der Wissenschaftskommunikation in den Geisteswissenschaften
  • Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich Social Media
  • Sehr gute IT- Kenntnisse
  • Recherchekompetenzen
  • Gute Kenntnisse der deutschen und englischen Sprache
  • Teamfähigkeit
  • Bereitschaft zu flexiblem Arbeitseinsatz

 

Ende der Bewerbungsfrist

18.11.2014

…weiterlesen »

6. November 2014 | Veröffentlicht von Ben Kaden | Kein Kommentar »
Veröffentlicht unter Allgemein
Verschlagwortet mit